ArchivDÄ-TitelSupplement: PRAXiSSUPPLEMENT: PRAXiS 5/2007Elektronische Gesundheitskarte: MKTplus – ein erster sinnvoller Schritt

SUPPLEMENT: PRAXiS

Elektronische Gesundheitskarte: MKTplus – ein erster sinnvoller Schritt

Dtsch Arztebl 2007; 104(50): [23]

Naumann, Jens

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LNSLNS Der ab Mitte 2008 geplante bundesweite Rollout der neuen Gesundheitskarte erfolgt in einer technischen „Minimallösung“. Doch auch diese enthält noch einige Unwägbarkeiten.

Im „MKTplus-Szenario“ (auch Release 0 genannt) sollen für die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) sogenannte multifunktionale Kartenterminals (MKT) eingesetzt werden. Diese Kartenterminals können zusätzlich zur neuen Gesundheitskarte auch die alte Krankenversichertenkarte (KVK) lesen. So gewährleisten sie die Nutzung beider Karten für den heute etablierten Praxisbetrieb. Hierbei geht es ausschließlich um die Bereitstellung der Versichertenstammdaten im Primärsystem des Leistungserbringers (hier: in der Praxissoftware) durch Auslesen der ungeschützten Versichertenstammdaten von der eGK. Dies geschieht ausschließlich offline. Die Umsetzung neuer Anwendungen ist damit nicht verbunden.
Elektronische Gesundheitskarte - Krankenversichertenkarte - Multifunktionsterminal
Elektronische Gesundheitskarte - Krankenversichertenkarte - Multifunktionsterminal
Dennoch ist die Einführung des MKTplus-Szenarios im Sinn eines ersten Schritts positiv zu bewerten. Wenn flächendeckend in den Arztpraxen und Krankenhäusern die Möglichkeit besteht, mittels des MKTplus-Szenarios die elektronischen Gesundheitskarten genauso zu bearbeiten wie die Krankenversichertenkarten, dann können die Krankenkassen ab diesem Zeitpunkt die Gesundheitskarten ausgeben. Auch wenn die neuen Karten zunächst lediglich in KVK-Funktionen genutzt werden, sparen die Kassen doch erhebliche finanzielle Aufwendungen gegenüber einem kurzfristigen Austausch der Karten. Auch der anspruchsvolle und zeitintensive Logistikprozess zur Beschaffung der Versichertenfotos für die eGK kann so zeitlich gestreckt und damit kostengünstiger gestaltet werden.
Für die Versicherten besteht der Vorteil, dass sie sich frühzeitig an die neuen Karten gewöhnen können und sich mit den damit verbundenen Möglichkeiten, wie etwa dem Speichern des Notfalldatensatzes, schrittweise auseinandersetzen können.
Das Szenario MKTplus beinhaltet jedoch auch Probleme:
- Nicht alle Arztpraxen und Krankenhäuser sind bereits heute mit multifunktionalen Kartenterminals ausgerüstet, die das Einlesen der Gesundheitskarte und der bisherigen KVK parallel ermöglichen.
- Hinzu kommt, dass zum heutigen Zeitpunkt kein MKT auf dem Markt ist, welches einerseits die Funktionalität „eGK/KVK konventionell einlesen“ ermöglicht, andererseits auch als Lesegerät nach dem SICCT(Secure Interoperable Chip Card Terminal)-Standard für den Betrieb innerhalb der Online-Telematikinfrastruktur zugelassen ist.
- Führt man das Szenario MKTplus flächendeckend ein, so besteht die Gefahr, dass sich die eigentlich mit der eGK verbundenen neuen Geschäftsvorfälle, wie elektronisches Rezept, Online-Versicherungsdatenclearing und weitere freiwillige Anwendungen, in ihrer Einführung weiter verzögern.
Möchte man das MKTplus-Szenario schon heute bundesweit „ausrollen“, müssen viele Arztpraxen und Krankenhäuser MKTs anschaffen, die zwar für dieses Szenario nutzbar, jedoch für den späteren Einsatz als SICC-Terminals in Verbindung mit dem Konnektor, der die sichere Anbindung an die Telematikinfrastruktur übernimmt, nicht geeignet sind. Da die Einführung des Konnektors und der Onlineprozesse im kürzeren Zeitraum erfolgen wird, führt dies zu einer zusätzlichen Investition in eine Komponente, die nur für kurze Zeit eingesetzt wird. Die Hersteller von Kartenterminals arbeiten intensiv an Lösungen, die sowohl für den MKTplus-Betrieb als auch für die Telematikinfrastruktur nutzbar sind. Weil die Vollendung der Spezifikationen für den Onlinebetrieb noch aussteht, können sie diese Lösungen jedoch noch nicht auf den Markt bringen.
Hier ist letztlich die Frage zu stellen, inwieweit die zusätzlichen Investitionen in möglicherweise nur vorübergehend nutzbare Geräte im Verhältnis stehen zu den Kostenersparnissen seitens der Krankenkassen, die ab dem Zeitpunkt des Bestehens einer flächendeckenden MKTplus-Struktur ausschließlich eGKs ausrollen können. Die Voraussetzung für dieses Vorgehen der Krankenkassen ist auch, dass die elektronische Gesundheitskarte in ihrer endgültigen Spezifikation beschrieben ist. Auch dies ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht erfolgt.
Die flächendeckende Ausgabe der Gesundheitskarte in der Funktionalität der bestehenden Krankenversichertenkarte kann dazu führen, dass sich der Druck zur Etablierung der Online-Telematikinfrastruktur rund um die eGK verringert und in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sei erfolgreich abgeschlossen. Dies kann vermieden werden, indem MKTplus von allen Beteiligten als ein erster, evolutionärer Schritt zur Etablierung der Telematikinfrastruktur angesehen wird und Einigkeit darüber besteht, dass mit den für Release 1 (elektronisches Rezept und Notfalldatensatz offline) und 2 (Onlineanwendungen) geplanten Schritten innerhalb der bestehenden Zeitplanungen ohne Verzögerung fortgefahren wird.
Im Sinne der Akzeptanz der elektronischen Gesundheitskarte bei Leistungserbringern, Kassen und Patienten kann das Szenario MKTplus einen positiven Beitrag leisten – wenn die noch offenen Fragen zügig und im Sinne aller Beteiligten des Gesundheitswesens gelöst und beantwortet werden.
Fazit
Aus Sicht der Softwareindustrie im Gesundheitswesen – insbesondere der Anbieter von Primärsystemen für Krankenhaus, Apotheke und Arztpraxis – kann MKTplus ein erster sinnvoller Schritt sein, die Anwender an die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte heranzuführen und die Umsetzung der in Release 1 und 2 vereinbarten nächsten Schritte als logisch aufeinanderfolgende Projektstufen zu ermöglichen. Bereits heute ist MKTplus von allen wesentlichen Leistungsanbietern im Markt umgesetzt und kann, ein entsprechendes Terminal vorausgesetzt, flächendeckend zum Einsatz kommen. Jens Naumann, Vorstandsvorsitzender des VHitG – Verband der Hersteller von IT-Lösungen für das Gesundheitswesen e.V.

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