ArchivDeutsches Ärzteblatt51-52/2007Anämie: Neue Warnhinweise für Epo
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Circa 63 000 Menschen sind in Deutschland dialysepflichtig. Anämie ist eine häufige Begleiterkrankung. Foto: dpa
Circa 63 000 Menschen sind in Deutschland dialysepflichtig. Anämie ist eine häufige Begleiterkrankung. Foto: dpa
Erhöhte kardiovaskuläre Risiken durch Erythropoetine (Epo) bei Hämoglobinzielwerten über 12 g/dl. Möglicherweise wird auch die Tumorprogression gefördert.

Für erythropoetinhaltige Medikamente wird es zusätzliche Warnhinweise geben. Damit soll die Anwendung der die Erythropoese stimulierenden Substanzen (ESA) ausdrücklich auf jene Indikationen beschränkt bleiben, für die bislang die Zulassungen gelten: symptomatische Anämie unter Chemotherapie bei Patienten mit soliden und lymphatischen Malignomen sowie Anämie infolge chronischer Niereninsuffizienz. Außerdem werden die Zielwerte des Hämoglobins (Hb) generell auf zehn bis maximal 12 g Hb/dl festgelegt.
Dr. Ulrich Hagemann, Leiter der Abteilung Arzneimittelsicherheit beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), hat dies dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) auf Anfrage bestätigt. Damit reagiert die Aufsichtsbehörde auf aktuelle Studien, die auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (inklusive Herz- und Hirninfarkte) und ein erhöhtes Mortalitätsrisiko bei niereninsuffizienten Patienten hinweisen, bei denen mittels einer ESA- Therapie vergleichsweise hohe Hämoglobinkonzentrationen (mindestens 13 g/dl) erreicht wurden (NEJM 2006; 355: 2071–98).
Geringes Ansprechen auf ESA eigenständiger Risikofaktor
Dabei habe sich ein geringes Ansprechen auf ESA, also das Nichterreichen des Hämoglobinzielwerts innerhalb von zwölf Wochen, als eigenständiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse erwiesen, berichtete eine der Untersucherinnen, Prof. Lynda Szczech von der Duke University (Durham/North Carolina), bei der Jahrestagung der American Society of Nephrology in San Francisco. Das Ansprechen der Patienten auf Epo hängt unter anderem von den Serum-Ferritin-Werten ab: Eine Analyse unter 10 455 Hämodialysepatienten aus den USA hat einen statistisch signifikanten Vorteil im Ansprechen auf ESA zugunsten jener ergeben, die Ferritinwerte zwischen 500 und 1 200 ng/ml hatten, im Vergleich zu Patienten mit niedrigeren Werten (JASN 2007; 18, Abstr Nr F-PO811). Deshalb empfehlen US-amerikanische Fachgesellschaften für Hämodialysepatienten eine untere Grenze für das Serum-Ferritin von 500 ng/ml. Sprechen Patienten allerdings sehr rasch auf Epo an mit einer Erhöhung des Hb-Werts um mehr als 1 g/dl innerhalb von 14 Tagen, ist das kardiovaskuläre Risiko offenbar ebenfalls erhöht, so ein von der US-amerikanischen Food and Drug Agency veranlasster zusätzlicher Warnhinweis.
Bei Patienten mit Malignomen können medikamentös induzierte
Hb-Werte über 12 g/dl offenbar auch das Tumorwachstum fördern und die Sterblichkeit erhöhen. Deshalb schlägt die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA vor, auf eine in Studien festgestellte erhöhte Sterblichkeit von Tumorpatienten nach einer ESA-Therapie hinzuweisen; allerdings waren Patienten in den diesen Empfehlungen zugrunde liegenden Studien außerhalb jener Indikationen therapiert worden, für die die Arzneimittel zugelassen sind.
Die Zwischenergebnisse der PREPARE(Preoperative Epirubicin Paclitaxel Aranesp)-Studie deuten ebenfalls auf eine ungünstige Wirkung von ESA auf das Tumorwachstum hin. In der Phase-III-Untersuchung waren 733 Frauen mit Brustkrebs (Tumorgröße mindestens 2 cm) präoperativ nach zwei unterschiedlichen Therapieschemata behandelt worden: entweder dosisintensiviert, intervallverkürzt und sequenziell mit Epirubicin, Paclitaxel und CMF (Cyclosphosphamid, Methotrexat, 5-Fluorouracil) oder sequenziell mit Epirubicin plus Cyclophosphamid, gefolgt von Paclitaxel. Alle Patientinnen wurden noch einmal randomisiert und erhielten entweder Darbepoetin alfa oder Placebo. Die Rate der Patientinnen mit einer Tumorprogression war nach vorläufigen Ergebnissen unter Darbepoetin erhöht (24,7 versus 18,6 Prozent). Die endgültigen Resultate der Studie werden 2009 vorliegen.
Bei der Jahrestagung der American Society of Hematology in Atlanta ist eine Studie der Mayo Clinic in Rochester vorgestellt worden, nach der bei Patienten mit Osteomyelofibrose das Risiko für eine Leukämie nach einer ESA-Therapie dreifach erhöht war – zumindest statistisch (Blood 2007, 110 [11]: Abstr. 554).
Die Beipackzettel aller ESA, die in Deutschland erhältlich sind, sollen geändert werden, sagte Hagemann dem DÄ. Dazu gehören Epoetin alfa, beta, delta und Darbepoetin alfa; es gibt auch Generika. Außerdem drängen sogenannte Biosimilars auf den Markt, die den Originalsubstanzen ähnlich, in der Zusammensetzung aber nicht identisch sind. So will das Unternehmen Stada Anfang 2008 das Biosimilar Epozeta in den Handel bringen. Das Marktvolumen für Erythropoetine wird für Deutschland auf 200 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

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