ArchivDeutsches Ärzteblatt1-2/2008Humanpathogene Papillomviren und Zervixkarzinom – Entwicklung und derzeitiger Stand der ersten Impfstoffe gegen humanpathogene Papillomviren: Schlusswort
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LNSLNS Der Aktualität des Themas „HPV-Impfung“ ist es anzurechnen, dass unser Artikel sehr viele positive Reaktionen hervorgerufen hat, aber auch in bestimmten Punkten kritisch bewertet wurde. So sehen Hirte et al. von der „Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V.“, die sich auch sehr skeptisch zur Masernimpfung positionieren, eine deutlich niedrigere Wirksamkeit der HPV-Impfung, die hinsichtlich der CIN 2–3 in der Gesamtpopulation, das heißt einschließlich auch der schon primär HPV-positiven Frauen, bei 17 % liegt. Das ist zwar korrekt aus unserem Artikel zitiert. Invasive Zervixkarzinome traten, wie von Frau Schenk bemerkt, nach der 3-jährigen Nachbeobachtung nicht auf. Die Entwicklung des Zervixkarzinoms braucht jedoch mindestens 10 Jahre, manchmal Jahrzehnte. Nach 3-jähriger Studienzeit entstand eine große Zahl der hochgradigen Dyplasien (CIN 2–3) auf dem Boden von schon prävalenten HPV-Infektionen bei Studienbeginn.
Es wurde sowohl in den FUTURE-Studien als auch in der kürzlich von Hildesheim et al. publizierten randomisierten Phase-III-Studie gezeigt, dass junge Frauen mit einer HPV-Infektion beziehungsweise Dysplasie nicht von einer Impfung profitieren. Die HPV-16/18-Impfung verbessert nicht die Viruselimination und sollte damit bei bestehenden Infektionen nicht eingesetzt werden (1, 2). Allerdings kann sie zum Beispiel HPV-18-Infektionen bei den Frauen verhindern, die nur HPV-16-positiv sind.
Darüber hinaus muss angemerkt werden, dass der Impfeffekt sich über die Jahre zunehmend bemerkbar macht, wenn sich die Placebogruppe mit HPV infiziert. Der beste Zeitpunkt der Impfung für Mädchen und junge Frauen ist vor dem ersten Sexualkontakt beziehungsweise vor der ersten HPV-Infektion. Mehr als zwei Drittel aller Frauen werden in ihrem Leben mindestens einmal mit HPV infiziert. Auch Männer sind betroffen, insbesondere durch Genitalwarzen. Von einer Wirksamkeit ist wegen der guten Immunantwort auszugehen, aber sie ist noch nicht klinisch bewiesen.
Die durchgeführten großen Studien waren insgesamt so erfolgreich für die jungen, nicht HPV-16/18-infizierten 15- bis 25-jährigen Frauen, dass die präventive Impfung weltweit in den meisten Industrienationen eingeführt wurde (3).
Wie von Frau Dören und Herrn Wenderlein erwähnt, sind aber die Kosten sehr hoch und können eventuell die Finanzierung anderer Gesundheitsleistungen gefährden – insbesondere vor dem Hintergrund fehlender Kosten-Nutzen-Kalkulationen. Diese Befürchtungen sind angesichts der Kosten naheliegend. Allerdings unterstützen die ersten für den deutschen Kontext durchgeführten Kosteneffektivitätsstudien eine Implementierung dieser Impfung (5). Auch die „number needed to vaccinate“ liegt in Deutschland bei circa 120 Geimpften, um einen Fall mit Zervixkarzinom zu verhindern. Sie liegt bei 6 Geimpften für die tetravalente Vakzine, um einen durch HPV 6, 11, 16, 18 bedingten Krankheitsfall zu verhindern. Die Dauer des Impfschutzes spielt hier eine wichtige Rolle.
Die Anfang der 1970er-Jahre in Deutschland eingeführte Früherkennungsuntersuchung mittels Pap-Abstrich half zu einer deutlichen Reduktion der invasiven Karzinome.
Leider nimmt nur etwa die Hälfte der Frauen die angebotenen Früherkennungsuntersuchungen heutzutage war, sodass Deutschland mit 12/100 000 Einwohnern mit die höchste Inzidenz des Zervixkarzinoms in Westeuropa aufweist, und zwar stagnierend seit Mitte der 1980er-Jahre (4). Leider wurde eine organisierte Krebsfrüherkennung des Gebärmutterhalskrebses mit Einladungssystem in Deutschland bisher nicht eingeführt. Dies hätte zweifelsohne einen spürbaren Effekt auf die Zervixkarzinominzidenz. Umso wichtiger ist es, die HPV-Impfung als tragfähiges und zukunftweisendes Konzept flächendeckend umzusetzen. DOI: 10.3238/arztebl.2008.0023b

PD Dr. med. Martin Löning
Prof. Dr. med. Peter Hillemanns
Medizinische Hochschule Hannover
Klinik für Frauenheilkunde u. Geburtshilfe
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
E-Mail: loening.martin@mh-hannover.de

Interessenkonflikt
Die Autoren haben in den letzten 5 Jahren Vortrags- und Beratungshonorare sowie Reisekostenunterstützung von mehreren Firmen erhalten, die im Bereich Zytologie/Molekulardiagnostik/Vakzine tätig sind.
1.
Koutsky LA et al.: Quadrivalent vaccine against human papillomavirus to prevent high-grade cervical lesions. N Engl J Med 2007; 356: 1915–27. MEDLINE
2.
Hildesheim A, Herrero R, Wacholder S et al.: Effect of human papillomavirus 16/18 L1 viruslike particle vaccine among young women with preexisting infection: a randomized trial. JAMA 2007; 298: 743–53. MEDLINE
3.
Rambout L, Hopkins L, Hutton B, Fergusson D: Prophylactic vaccination against human papillomavirus infection and disease in women: a systematic review of randomized controlled trials. CMAJ 2007; 177: 469–79. MEDLINE
4.
Altenhofen L: Hochrechnung der Akzeptans von Gesundheitsuntersuchungen und Krebsfrüherkennungsuntersuchungen bei gesetzlich Versicherten. Berlin: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland 2005.
5.
Petry KU, Breugelmans JG, Bénard S, Lamure E, Littlewood KJ, Hillemanns P: Cost of screening and treatment of cervical dyskaryosis in Germany. Europ J Gynaecol Oncol 2007; in press.
1. Koutsky LA et al.: Quadrivalent vaccine against human papillomavirus to prevent high-grade cervical lesions. N Engl J Med 2007; 356: 1915–27. MEDLINE
2. Hildesheim A, Herrero R, Wacholder S et al.: Effect of human papillomavirus 16/18 L1 viruslike particle vaccine among young women with preexisting infection: a randomized trial. JAMA 2007; 298: 743–53. MEDLINE
3. Rambout L, Hopkins L, Hutton B, Fergusson D: Prophylactic vaccination against human papillomavirus infection and disease in women: a systematic review of randomized controlled trials. CMAJ 2007; 177: 469–79. MEDLINE
4. Altenhofen L: Hochrechnung der Akzeptans von Gesundheitsuntersuchungen und Krebsfrüherkennungsuntersuchungen bei gesetzlich Versicherten. Berlin: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland 2005.
5. Petry KU, Breugelmans JG, Bénard S, Lamure E, Littlewood KJ, Hillemanns P: Cost of screening and treatment of cervical dyskaryosis in Germany. Europ J Gynaecol Oncol 2007; in press.

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