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Herzerkrankungen: Psychologischer Stress erhöht Risiko


In der Whitehall-II-Studie wurden mehr als 9 000 Staatsangestellte aus dem Londoner Regierungsviertel zweimal ausführlich zu ihrem Privatleben interviewt. Die Fragen im „Close Persons Questionnaire“ betrafen auch den emotionalen Rückhalt, den die Bediensteten durch enge Angehörige empfanden. Roberto de Vogli und Mitarbeiter vom University College London setzten die Angaben mit späteren Krankheiten in Beziehung. Ergebnis der prospektiven Kohortenstudie: Bedienstete mit häuslichen Problemen wurden in den zwölf Jahren der Nachbeobachtung zu 34 Prozent häufiger wegen koronarer Erkrankungen behandelt: Hazard Ratio 1,34; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,10–1,63). Das Ergebnis war robust, auch wenn Alter, Geschlecht, Familienstatus, Erziehung, empfundene wirtschaftliche Situation und fehlende soziale Unterstützung am Arbeitsplatz (sprich Mobbing) berücksichtigt wurden.
Corine Aboa-Éboulé von der Université Laval in Quebec/Kanada und Mitarbeiter interviewten 972 Männer und Frauen, die nach einem Herzinfarkt wieder in das Berufsleben zurückgekehrt waren. Der Karasek Job Content Questionnaire erkundete die Anforderungen und die Entscheidungsfreiheit am Arbeitsplatz. Überforderung im Job bei mangelnder Kontrolle über die eigene Tätigkeit führten hier zu einem hohen „Job Strain“, der in dieser ebenfalls prospektiven Kohortenstudie das Risiko auf ein zweites koronares Ereignis mehr als verdoppelte: Hazard Ratio 2,20; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,32–3,66. Auch nach Berücksichtigung von 26 anderen potenziellen Risikofaktoren änderte sich daran nichts.
Psychologischer Stress begünstigt nicht nur koronare Ereignisse. Auch Depressionen und Krebs, aber auch das Fortschreiten einer HIV-Infektion könnten durch dauerhaften Distress gefördert werden, wie Sheldon Cohen von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh in einem Kommentar schreibt. Die Gründe seien einmal im Verhalten der gestressten Personen zu suchen. Diese würden sich weniger körperlich bewegen und sich ungesünder ernähren und häufig auch die ärztlichen Anweisungen nicht befolgen, was sich gerade bei HIV sehr schnell ungünstig auswirken könne.
Der zweite Grund ist psychoneuroendokrinologischer Natur. Chronischer Stress aktiviert die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse mit einer vermehrten Ausschüttung von Kortison. Zum anderen wird über Sympathikus und Nebennierenmark vermehrt Adrenalin freigesetzt – beides langfristig mit negativen Auswirkungen auf den Stoffwechsel. rme
Aboa-Éboulé C et al: Job Strain and Risk of Acute Recurrent Coronary Heart Disease Events. JAMA 2007; 298: 1652–60.
Vogli de R, Chandola T, Marmot MG: Negative Aspects of Close Relationships and Heart Disease. Arch Intern Med. 2007; 167: 1951–7.
Cohen SH, Janicki-Deverts D, Miller G: Psychological Stress and Disease. JAMA. 2007; 298: 1685–7.
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