RECHTSREPORT
Künstliche Befruchtung: Kostenbeteiligung ist verfassungsgemäß
Dtsch Arztebl 2008; 105(5): A-242 / B-218 / C-214


Die Kläger verlangten von ihrer Krankenkasse die volle Kostenübernahme einer künstlichen Befruchtung. Sie sahen sich diskriminiert, weil sie als Ehepaar, das sich einen Kinderwunsch nicht auf natürlichem Wege erfüllen könne, einen Teil der Behandlungskosten selbst zahlen sollten. Versicherte, die an anderen Krankheiten litten, hätten dagegen keine hälftige Kostenbeteiligung zu leisten. Auch bei Ehepaaren, die auf natürlichem Weg keine Kinder zeugen könnten, liege aber ein Versicherungsfall „Krankheit“ vor. Die Unfruchtbarkeit eines Ehepaars stelle nämlich einen regelwidrigen körperlichen Zustand dar, der eine Heilbehandlung notwendig mache.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundessozialgerichts (BSG) ist durch § 27 a SGB V (künstliche Befruchtung) dagegen ein eigenständiger Versicherungsfall geschaffen worden. Die in diesem Paragrafen geregelten medizinischen Maßnahmen dienen demnach nicht der Beseitigung einer Krankheit. Der Schutz des Einzelnen bei Krankheit ist eine Grundaufgabe des Staates. Die Gestaltung des Leistungskatalogs der Krankenkassen liegt dagegen im Ermessen des Gesetzgebers, ohne dass sich aus den Grundrechten bereits ein verfassungsrechtlicher Anspruch ableiten lässt, dass ganz bestimmte Gesundheitsleistungen bereitgestellt werden müssen.
Nur für Fälle regelmäßig tödlich verlaufender Krankheiten hat das Bundesverfassungsgericht den Schluss gezogen, dass die Grundrechte in diesen besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer engeren Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Im Übrigen ist es dem Gesetzgeber im Rahmen des Gestaltungsspielraums erlaubt, Versicherten über ihren monatlichen Beitrag hinaus zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins an Leistungen zu beteiligen. Fälle ungewollter Unfruchtbarkeit eines Ehepaars können nach Meinung des BSG aber nicht mit menschlichen Grenzsituationen gleichgestellt werden, in denen Versicherte an einer regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit leiden. (Urteil vom 19. September 2007, Az.: B 1 KR 6/07 R) RA Barbara Berner
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