POLITIK
Hausärztemangel in Brandenburg: Zähes Ringen um den Nachwuchs


Hoffnung im Hörsaal:
Wer sich nach
dem Studium zu einer
allgemeinmedizinischen
Weiterbildung
nach Brandenburg
locken lässt,
bleibt vielleicht im
Land. Dabei soll ein
neues Netzwerk
helfen.
Foto: vario
dem Land muss sie aber klarmachen: So wie früher wird es nicht mehr werden.
Rainald Grebe und die „Kapelle der Versöhnung“ spielen Volkslieder. Eigenwillige Volkslieder. Eines heißt „Brandenburg“, darin wird die Ödnis in manchen Regionen beschrieben, der Refrain lautet: „Halleluja Berlin, alle wollen dorthin.“ Nur wenige wählen bei Grebe den umgekehrten Weg, beispielsweise die, die zur Ostsee fahren oder Arzt sind: „Lassen Sie mich durch, ich bin Chirurg, ich muss nach Brandenburg.“
Nicht nur Chirurgen müssen dringend nach Brandenburg. In dem Bundesland ist fast ein Drittel der Hausärztinnen und Hausärzte älter als 60 Jahre. Im Speckgürtel rund um Berlin ist die Versorgung noch gut. Doch in jedem der 17 großen Planungsbezirke gebe es längst Regionen, in denen Hausärzte fehlten, erläutert Ralf Herre, Pressesprecher der KV Brandenburg.
Halleluja Berlin, sagen auch andere als Liedermacher Grebe. Sie meinen damit allerdings, dass man doch arbeitslose Ärztinnen und Ärzte aus der Hauptstadt zum Einsatz auf dem Land motivieren könne. Herre winkt ab. Zwar sind in Berlin schätzungsweise 800 Mediziner arbeitslos. Doch nur ein Viertel hat nach Kenntnis der KV eine Facharztqualifikation. Und von diesem Viertel fallen viele für Brandenburg aus, weil sie Kinder betreuen oder gesundheitliche Probleme haben.
Die KV Brandenburg behält daher die Hauptstadt im Blick, zumal sie im Land keine medizinische Fakultät hat. Doch gleichzeitig bemüht sie sich wie andere KVen auch, hausärztlichen Nachwuchs in der Region zu finden. Schon 2003 hat die KV ein Sicherstellungsstatut verabschiedet. Es sah Umsatzgarantien vor, aber auch die Möglichkeit, Sicherstellungsassistenten anzustellen, Zweigpraxen zu errichten oder Eigeneinrichtungen zu gründen.
Die Bilanz? In all den Jahren hat die KV nur 13 Umsatzgarantien gegeben, wobei zwei Ärzte nach kurzer Zeit wieder aus der Niederlassung ausstiegen. Mehr noch hat die KV verwundert, dass kein einziger Sicherstellungsassistent angestellt wurde. Und das, obwohl in bestimmten Gegenden die Vorgabe außer Kraft gesetzt wurde, dass sich mit einem Assistenten der Umsatz der Praxis nur um drei Prozent erhöhen dürfe. Längst mauern auch die Krankenkassen nicht mehr so wie früher. Ähnlich wie in Thüringen haben sie sich mit der KV auf elf Regionen verständigt, die als Brennpunkte gelten und in denen sie niederlassungswilligen Hausärzten Investitionszuschüsse zahlen.
Herre verweist darauf, dass die KV zudem Kontakt zu den Kommunalverwaltungen gehalten und sich aktiv an vielen Debatten vor Ort beteiligt habe. In manchen ländlichen Gegenden hätten die Hausärzte früher die Hälfte ihrer Scheine mit Hausbesuchen gemacht. „Unsere Aufgabe ist es, den Leuten zu sagen, dass das heute nicht mehr geht“, findet Herre. Weder könne man Ärzten raten, sich in zu kleinen Orten niederzulassen, noch seien sie bereit, so viel über Land zu fahren wie früher die älteren.
Natürlich gibt es Ideen, wie es in Zukunft gehen könnte. Den Mangel erträglicher machen könnte man durch Sprechstunden von niedergelassenen Ärzten im nächsten Krankenhaus oder durch in den Kommunen organisierte Fahrdienste in Facharztpraxen. Doch für solche Projekte müssen sich viele an einen Tisch setzen und ihre Interessen unter einen Hut bringen. Leichte und schnelle Lösungen schließt das aus.
Gleichwohl ist der Druck da, etwas gegen den Hausärztemangel zu unternehmen. So hat die KV mit der Landesärztekammer und der Landeskrankenhausgesellschaft eine „Rahmenvereinbarung zur Etablierung von regionalen Weiterbildungsnetzwerken“ geschlossen. „Wir wollen jungen Ärzten in bestimmten Regionen durch ein Netzwerk die Möglichkeit bieten, innerhalb kürzester Zeit den Facharztabschluss zu erlangen“, betont der KV-Vorstandsvorsitzende, Dr. med. Hans-Joachim Helming.
Auch mit der Frage, ob man Gesundheitsfachberufe stärker in die hausärztliche Versorgung einbeziehen sollte, beschäftigt sich die KV. Sie propagiert „AuBe“, die Arztunterstützende Betreuungsassistentin. Sie würde, eingebunden in eine oder mehrere Praxen, Patienten mitbetreuen. Finanzieren sollte man „AuBe“ nach Ansicht der KV aus einem Fonds, in den Krankenkassen, Landesregierung, aber auch die Pflegeversicherung einzahlen würden. Doch eines ist klar: „Wir können tun, was wir wollen, es wird immer nur Flickschusterei sein, wenn sich an der grundsätzlichen Honorarsituation nichts ändert“, sagt Herre. Sabine Rieser
Neubronner, Reinhard
Weber, Albrecht
Baur, Josef
Dietz, Achim; Spechter, Maria; Domes, Klaus
Aurich, Gunther
Zöller, Carl-Christian