

Jens Flintrop
Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik
Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik
Seit Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) dürfen die Kassen Wahltarife einführen: Tarife mit Kostenerstattung, Selbstbehalt oder Beitragsrückerstattung sowie Tarife für die Teilnahme an besonderen Versorgungsformen und für die Behandlung mit alternativen Arzneimitteln (§ 53 SGB V). Davon abgegrenzt werden weiterhin Zusatzversicherungen, die in § 194 SGB V geregelt sind. Hierunter fallen Tarife, die im Krankenhaus die Chefarztbehandlung oder die Unterbringung im Zweibettzimmer garantieren, und auch Auslandskrankenversicherungen. Solche Policen dürfen die Kassen nur „vermitteln“: zwischen ihren Versicherten und privaten Anbietern. Es gibt also theoretisch eine klare Trennung zwischen Wahltarifen, die die Kassen selbst anbieten dürfen, und Zusatzversicherungen, die von privaten Partnern zu vermarkten sind. Zu Recht: Die hier versicherten Leistungen sind keine originären Aufgaben einer umlagefinanzierten Krankenversicherung.
Dennoch genehmigte das Bundesversicherungsamt (BVA) der AOK Rheinland/Hamburg Wahltarife, die die Krankenhausbehandlung im Zweibettzimmer oder auch Zahnersatzleistungen vorsehen. Andere Kassen bemühen sich derzeit um die Genehmigung ähnlicher Tarife, auch mit Chefarztbehandlung. Ein solches Angebot stelle keine Ausweitung des GKV-Leistungskatalogs dar, „weil ärztliche Behandlung und Unterbringung Bestandteile der Krankenhausbehandlung sind“, argumentiert das BVA. Ein Freibrief für alle Kassen, in das lukrative Geschäft mit Zusatzversicherungen einzusteigen – denn letztlich beinhalten alle Zusatzversicherungen eine ärztliche Behandlung oder eine Unterbringung.
Laut Debeka-Gutachten verstoßen die Kassen damit jedoch gegen Europarecht. Krankenkassen seien bislang vom Wettbewerbs- und Kartellrecht nur deshalb ausgenommen worden, weil für unternehmerisches Handeln kein Raum gewesen sei. Wenn sich das aber ändere, etwa weil sie privaten Anbietern Konkurrenz machten, dann käme dies dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gleich: „Denn Krankenkassen sind im Gegensatz zu privaten Versicherungsunternehmen steuerlich privilegiert, sie müssen kein Eigenkapital hinterlegen, keine Alterungsrückstellungen bilden und verfügen über das Adressmonopol von über 70 Millionen Versicherten“, sagt Debeka-Vorstandschef Uwe Laue. Entsprechende Klagen des PKV-Verbandes und eines Unternehmens sind vor dem Kölner Landessozialgericht anhängig.
Obgleich das Geschäft mit den Vollversicherungen zugegebenermaßen geschwächt werde, bleibe der PKV ja immer noch das lukrative Geschäft mit Zusatzversicherungen, hatte das Bundesgesundheitsministerium vor Inkrafttreten des GKV-WSG immer wieder bekräftigt. Nichts als leere Worte: Die Genehmigungspraxis des BVA bei den Wahltarifen hält das Ministerium jetzt für „vertretbar“. Chefarztbehandlung und Zweibettzimmer im Krankenhaus seien nichts weiter als eine höher vergütete Variante der GKV-Leistung „Krankenhausbehandlung“ und keine Ausweitung des Leistungskatalogs, meint die parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk.
Den privaten Anbietern, aber auch den Leistungserbringern, die auf die PKV-Einnahmen angewiesen sind, bleibt somit nur noch die Hoffnung auf die Justiz. Letztlich wird wohl der Europäische Gerichtshof entscheiden – in drei, vier Jahren.
Kamm, Stephan Guevara
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