ArchivDeutsches Ärzteblatt14/2008Antipsychotika bei Aggression von Patienten mit Intelligenzminderung wirkungslos?

MEDIZIN: Referiert

Antipsychotika bei Aggression von Patienten mit Intelligenzminderung wirkungslos?

Baethge, Christopher

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LNSLNS Zur Behandlung aggressiven Verhaltens bei Patienten mit geringer Intelligenz erwiesen sich in einer britisch-australischen Studie hochpotente Antipsychotika einer Placebogabe als nicht überlegen. Die Forscher hatten in eine randomisierte Studie 86 in ihrer Intelligenz geminderte bis geistig behinderte, nicht psychotische Patienten aufgenommen, deren aggressives Verhalten nach Auffassung ihrer Ärzte einer Behandlung bedurfte. Dabei war die Intelligenzminderung mit einem IQ von < 75 definiert, und als aggressives Verhalten galt das Auftreten zweier aggressiver Episoden innerhalb einer Woche, gemessen mittels der Aggressivitäts-Skala MOAS. Die Patienten erhielten für eine halbes Jahr täglich Risperidon (bis 2 mg), Haloperidol (bis 5 mg) oder Placebo. Zusätzlich war die Gabe von Lorazepam (bis 2 mg pro Tag) gestattet. Die Studie war doppelblind in Bezug auf Patienten und Untersucher.

Vier Wochen nach Behandlungsbeginn waren die Aggressivitätswerte auf der MOAS in allen drei Gruppen deutlich zurückgegangen: um 79 % unter Placebo, um 58 % unter Risperidon und um 65 % unter Haloperidol (p = 0,06). Auch in Bezug auf Nebenfragestellungen wie etwa die Verbesserung der gesamten klinischen Situation der Studienteilnehmer (CGI-Skala) oder die Lebensqualität ergaben sich keine Differenzen – auch nicht nach 12 und 26 Wochen.

In Bezug auf UAW fanden die Forscher ebenfalls keine Unterschiede. Dies könnte ein Hinweis auf zu geringe Dosen der Antispychotika sein. Allerdings schöpften Patienten und Ärzte in dieser Studie die möglichen Dosierungen nicht aus. Die mittlere Haloperidol-Dosis lag bei knapp 3 mg pro Tag.

Die Ergebnisse befinden sich im Widerspruch zu zwei anderen kontrollierten Studien, aber im Einklang mit einer Cochrane-Analyse. Obwohl die Forscher vier Jahre lang an zehn Zentren rekrutierten, konnten sie nicht so viele Patienten behandeln, wie sie sich ursprünglich vorgenommen hatten: Die Fallzahl der Untersuchung könnte daher zu gering gewesen sein. Die Autoren empfehlen dennoch, auf den routinemäßigen Einsatz von Antipsychotika bei dieser Indikation zu verzichten. bae

Tyrer P, Oliver-Africano PC, Ahmed Z et al.: Risperidone, haloperidol, and placebo in the treatment of aggressive challenging behaviour in patients with intellectual disability:
a randomized controlled trial. Lancet 2008; 371: 57–63.

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