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Gendiagnostikgesetz: Hohe Hürden und große Lücken


Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin
Das Beispiel ist kein Einzelfall. Im Bereich der Gendiagnostik gibt es viele rechtliche Grauzonen, die es endlich zu regeln gilt. Ein Gendiagnostikgesetz, das die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung ausschließt, ist längst überfällig. Eine Gesetzesvorlage der rot-grünen Regierung verfiel 2005 wegen des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode. Einen erneuten Gesetzentwurf legte das Bündnis 90/Die Grünen im vergangenen Frühjahr vor. Die Eckpunkte des Kabinetts sind im Vergleich zu dem Entwurf viel weniger ausführlich und stoßen auf harsche Kritik der Opposition. Sie seien „Stückwerk“ und Ausdruck dafür, dass die Koalition weder eine gemeinsame bioethische noch eine gemeinsame forschungspolitische Linie habe, heißt es bei den Grünen.
In der Tat: Besonders im Bereich der Forschung besteht noch Regelungsbedarf zum Umgang mit gendiagnostischen Daten. Die Eckpunkte konzentrieren sich auf die Rechte der Individuen. Deutlich im Gesetz verankert werden soll die Freiwilligkeit der Teilnahme an genetischen Untersuchungen, das Recht auf Nichtwissen und Beratungsverzicht sowie ein Diskriminierungsverbot wegen genetischer Eigenschaften. Ferner sehen die Eckpunkte vor, dass Gentests künftig nur von Ärztinnen und Ärzten mit der entsprechenden Qualifikation vorgenommen werden dürfen. Bei prädiktiven und vorgeburtlichen genetischen Tests sollen sie verpflichtet werden, ihre Patienten ausführlich zu beraten. Eine zentrale Gendiagnostik-Kommission soll in Zukunft Richtlinien für die Aufklärung und Beratung sowie die Durchführung von Gentests erarbeiten.
Gentests bei Feten oder Embryonen sollen nur gestattet sein, wenn sie auf den Gesundheitszustand vor oder nach der Geburt abzielen. Tests zur Geschlechtsbestimmung sollen verboten werden. Offen bleibt in den Eckpunkten allerdings noch, wie genetische Untersuchungen definiert werden sollen. Eine eng gefasste Definition bei der Pränataldiagnostik würde beispielsweise die Ultraschalluntersuchung zur Nackenfaltendichte, aus der auf Trisomie 21 geschlossen werden kann, nicht mit einbeziehen.
Unpräzise sind die Eckpunkte auch im Hinblick auf die Versicherungswirtschaft. Arbeitgebern und Versicherungsunternehmen will die Koalition zwar klare Grenzen setzen. Den Eckpunkten zufolge sollen sie künftig keine Gentests oder Auskünfte über bereits durchgeführte genetische Untersuchungen verlangen dürfen. Doch dann lässt die Koalition ein Schlupfloch: Ausgenommen werden sollen Lebensversicherungen mit sehr hohen Versicherungssummen. Angaben über die Höhe des Betrags fehlen jedoch.
Völlig unerwähnt in den Eckpunkten bleiben leider konventionelle labordiagnostische Untersuchungen. Sie können ebenso wie gendiagnostische Tests auf Risiken für Krankheiten hinweisen, die erst weit in der Zukunft ausbrechen. Auch diese sensiblen personenbezogenen Daten bedürften eigentlich eines Schutzes.
Trotz aller noch bestehenden Mängel – die Eckpunkte sind ein guter erster Schritt auf dem Weg zu einem dringend benötigten Gesetz.
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