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Ärztliche Körperschaften: Die Machtfrage ist gestellt


Heinz Stüwe
Chefredakteur
Chefredakteur
Die Empörung darüber, dass immer wieder von der Politik in Aussicht gestellte Verbesserungen nicht eingetreten sind, darf aber den Blick auf einfache Zusammenhänge nicht verstellen. Wenn es um Verhandlungen über Gehälter, Honorare und Arbeitsbedingungen geht, gelten auch im Gesundheitswesen ökonomische Gesetzmäßigkeiten: Wer große Mengen an Gütern oder Dienstleistungen einkauft, bekommt bessere Preise als andere. Wer sich mit seinem Gegenüber einigen muss, weil es einen anderen potenziellen Verhandlungspartner nicht gibt, wird die eigenen (Preis-)Vorstellungen nie ganz durchsetzen können.
Wenn sich anstelle der bisherigen Verbände der Krankenkassenarten gemäß gesetzlichem Auftrag ein einziger Spitzenverband formiert, kann das die ärztliche Verhandlungsposition nicht stärken. Deshalb wäre eine Einheitskrankenkasse auch alles andere als eine verlockende Perspektive. Was könnte eine einzelne Praxis, eine Gruppe von Ärzten anderes tun, als die gebotenen Preise einer solcher Kasse zu akzeptieren? Letztlich geht es um Marktmacht. Das ist nicht neu. Um nicht allein dazustehen, haben sich Anfang des 20. Jahrhunderts Ärzte zunächst im Hartmannbund zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen gegenüber den Krankenkassen zusammengeschlossen. Nun soll es wieder in die andere Richtung gehen. Die Versorgung wird zersplittert, durch eine unübersehbare Zahl von Verträgen und vertragsschließenden Verbänden. Zersplitterung kann aber nicht im Interesse der Ärzteschaft sein. Wen wundert es, dass Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt den an der KV vorbei geschlossenen Hausarztvertrag in Baden-Württemberg auf dem 111. Deutschen Ärztetag besonders gelobt hat? Die Einstiegskonditionen für den einzelnen Arzt mögen verlockend sein. Letztlich geht es auch hier um Macht, um die Chance für die Kassen, sich irgendwann die Ärzte und später auch die Krankenhäuser, die man unter Vertrag nimmt, aussuchen zu können – und das dürfte der AOK etwas wert sein.
Wenn Ärzte knapp sind wie derzeit, steigert das ihre Marktmacht. Auch deshalb forciert das Bundesgesundheitsministerium nach Kräften die Diskussion darüber, welche bisher ärztlichen Leistungen von anderen Gesundheitsberufen übernommen werden können. Dazu lag dem Deutschen Ärztetag eine eindeutige Positionierung gegen die Substituierung von Ärzten durch andere Gesundheitsberufe vor.
Gerade in der derzeitigen Umbruchphase sind die ärztlichen Körperschaften und ihre Mandatsträger gefordert. Sie können das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, sondern müssen die Entwicklung gestalten. Dabei sind sie auf die Unterstützung der Mitglieder angewiesen. Dr. med. Andreas Köhler, der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, sieht die ärztliche Selbstverwaltung sogar in der Pflicht, das zu entwickeln, was die Politik bisher versäumt hat: eine in sich stimmige Wettbewerbsordnung für das Gesundheitswesen, die Versorgungssicherheit, Patientenschutz und Wirtschaftlichkeit sicherstellt. Mit seinem Konzept für eine Neuordnung der Versorgungsebenen ist der KBV-Vorstand weiter vorgeprescht, als viele KV-Mitglieder mitbekommen haben.
Böge, Klaus
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