ArchivDeutsches Ärzteblatt22/2008Entschliessungen zum Tagesordnungspunkt VI: Gelöbnis

DOKUMENTATION: Deutscher Ärztetag

Entschliessungen zum Tagesordnungspunkt VI: Gelöbnis

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LNSLNS Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.
Ich werde meinen Lehrern die schuldige Achtung und Dankbarkeit erweisen.
Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben.
Die Gesundheit meines Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.
Ich werde die mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod des Patienten hinaus wahren.
Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärztlichen Berufs aufrechterhalten.
Meine Kolleginnen und Kollegen sollen meine Schwestern und Brüder sein.
Ich werde mich in meinen ärztlichen Pflichten meinem Patienten gegenüber nicht beeinflussen lassen durch Alter, Krankheit oder Behinderung, Konfession, ethnische Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politische Zugehörigkeit, Rasse, sexuelle Orientierung oder soziale Stellung.
Ich werde jedem Menschenleben von seinem Beginn an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden.
Dies alles verspreche ich feierlich, frei und auf meine Ehre.

Ärztliche Versorgung von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus
Der 111. Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung erneut auf,
1. die Übermittlungspflicht für öffentliche Stellen (öffentliche Krankenhäuser, Sozialämter) an die Ausländerbehörde im Fall der medizinischen Behandlung von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus aufzuheben, um zu gewährleisten, dass diese ihr Recht auf medizinische Behandlung nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) auch faktisch wahrnehmen können. Alternativ könnten auch alle im Zusammenhang mit Gesundheitsversorgung erhobenen Daten dem Geheimnisschutz unterliegt.
2. Rechtssicherheit für Ärzte und medizinisches Personal herzustellen, dass medizinische Hilfe nicht unter den Straftatbestand der Beihilfe zur illegalen Einreise oder zu illegalem Aufenthalt nach § 96 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) fällt.
Begründung:
Ad 1. Zusätzlich zu den wiederholt vorgebrachten Argumenten der Ärzteschaft sei auf den „verlängerten Geheimnisschutz“ verwiesen. Hierbei wird festgestellt, dass die ärztliche Schweigepflicht bei öffentlichen Krankenhäusern auch für die Verwaltungs-/Abrechnungsstellen sowie in der Folge für die Sozialämter als Kostenträger gilt. Die Pflicht zur Geheimhaltung bezieht sich dabei auch auf die Identität des Patienten und die Tatsache seiner Behandlung überhaupt.
Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Meldepflicht ihr ordnungsrechtliches Ziel, nämlich den unerlaubten Aufenthalt durch seine Aufdeckung beenden zu können, in den meisten Fällen verfehlt. Die Übermittlungspflicht könnte auf Institutionen beschränkt werden, die originär mit Aufgaben der Gefahrenabwehr betraut sind.
Ad 2. Eine gesetzliche Klarstellung wird vom Bundesinnenministerium bisher abgelehnt und die derzeitige Rechtslage – die Straffreiheit bei ärztlicher Behandlung betreffend – als ausreichend bezeichnet. Die wiederholt vorgetragene Argumentation der Politik, es sei bisher noch nie ein Arzt wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt verurteilt worden, schützt allerdings weder vor der Strafandrohung im Gesetz noch vor Ermittlungsverfahren.
Frühzeitige Identifizierung von traumatisierten und von besonders schutzbedürftigen Asylbewerbern/Flüchtlingen
Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung und die verantwortlichen Behörden auf sicherzustellen, dass traumatisierte Flüchtlinge und andere besonders schutzbedürftige Personen durch speziell fortgebildetes medizinisches/psychologisches Fachpersonal zu Beginn des Asylverfahrens als solche identifiziert werden und ihnen eine adäquate Unterbringung und medizinische und psychotherapeutische Behandlung ermöglicht wird.
Hintergrundinformation:
Das Asylverfahren ist nicht geeignet, besonders schutzbedürftige Personen, wie z. B. traumatisierte Flüchtlinge, begleitete und unbegleitete Minderjährige, Kindersoldaten, Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, frühzeitig zu identifizieren. Neben den erheblichen Defiziten an Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge und Opfer innerstaatlicher Auseinandersetzungen ist auch deren psychosoziale, psychotherapeutische und rehabilitative Versorgung nicht ausreichend.
Die Schutzbedürftigkeit von Kindern auf der Flucht – u. a. unbegleitete minderjährige jugendliche Flüchtlinge – findet keine ausreichende Berücksichtigung. Eine Identifizierung und deren besondere Förderung und Rehabilitation sofort nach der Einreise sind nicht vorgesehen. Asylsuchende Jugendliche werden ab dem 16. Lebensjahr als asylverfahrensfähig und nicht als Minderjährige behandelt. Entsprechend dem Vorbehalt zur Kinderrechtskonvention (KRK) wird das Kindeswohl nur unzureichend beachtet.
Mit dieser Praxis der deutschen Bundesregierung wird Geist und Wortlaut der EU-Richtlinie 2003/9EG, (§ 17, 1)1 unterlaufen. Nach dieser EU-Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten vom 27. Januar 2003 ist die Bundesrepublik Deutschland jedoch verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um u. a. besonders schutzbedürftige Personen festzustellen und ihre besondere Problemlage zu berücksichtigen.
Das betrifft u. a. den Zugang zu internationalem Schutz und die Ausgestaltung des Schutzes entsprechend der Qualifikationsrichtlinie2 .
Diese Richtlinie verfolgt ein menschenrechtlich orientiertes Schutzkonzept. Es besteht ein Anspruch auf Schutz dann, wenn Schutzbedürftigkeit nach Maßgabe der Richtlinie gegeben ist.

Weiterbildung

Qualität der Weiterbildung

Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern auf, die zur Verbesserung und Vereinheitlichung erforderliche Evaluation unverzüglich umzusetzen.
Angesichts des Ärztemangels sollten – auch in eigenem Interesse – die Träger von Weiterbildungsstätten die Landesärztekammern bei der Umsetzung einer strukturierten und qualitativ hochwertigen Weiterbildung unterstützen.
Daher fordert der Deutsche Ärztetag insbesondere die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Landeskrankenhausgesellschaften sowie die Krankenhausträger auf, dafür Sorge zu tragen, dass Weiterbildungsstätten vorgehalten werden, in denen die Weiterbildung gemäß der Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern in vorgesehener Struktur und Zeit stattfinden kann.
Die Weiterbildungsbefugten sind dafür von den Trägern mit den notwendigen materiellen und personellen Ressourcen auszustatten. Dabei sind die Vorgaben der Ärztekammern einzuhalten.

Verschiedenes

Entbürokratisierung ärztlicher Tätigkeit

Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern nimmt seit Jahren einen immer größeren Teil der ärztlichen Arbeitszeit in Anspruch. Der Deutsche Ärztetag versteht darunter nicht die notwendige patientenbezogene Dokumentation, sondern vor allem die administrative Dokumentation zu Verwaltungs- und Abrechnungszwecken (Anfragen von Krankenkassen, Ausfüllen von Bescheinigungen und Formularen, Verschlüsseln von Diagnosen und Prozeduren usw.). Auch die Dokumentationen im Rahmen der Qualitätssicherung sind immer aufwendiger geworden.
Insbesondere in einer Zeit zunehmenden Ärztemangels gehen diese Arbeiten vermehrt zulasten der Patientenversorgung. Patientinnen und Patienten beklagen zu Recht, dass die Ärztinnen und Ärzte ihnen vielfach zu wenig Zeit für das Gespräch über Krankheit, Lebensperspektive und Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen können und ein ständiger Zeitdruck spürbar ist.
Nach einer Mitgliederbefragung des Marburger Bundes bringen 65 Prozent der Krankenhausärztinnen und -ärzte täglich bis zu drei Stunden für patientenferne Verwaltungstätigkeiten auf. 17 Prozent müssen dafür drei bis vier Stunden und neun Prozent mehr als vier Stunden aufwenden. Dementsprechend groß ist der Wunsch nach Abbau der Bürokratie. Bei der Frage nach möglichen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nimmt für die Klinikärzte ein Abbau der Bürokratie immer wieder einen Spitzenplatz ein.
Der Deutsche Ärztetag fordert daher:
– Die fatale Entwicklung der zunehmenden Bürokratisierung muss gestoppt werden.
– Die Betriebsleitungen, Krankenkassen und Behörden müssen gemeinsam Rahmenbedingungen schaffen, mit denen Ärztinnen und Ärzte von unnötigem Dokumentations- und Verwaltungsaufwand entlastet werden.
– Jede neue politische Regelung bedarf einer Abschätzung bürokratischer Folgen für den Alltag.
– Die Krankenhausträger müssen durch die Integration von z. B. Medizinischen Dokumentationsassistenten (MDA) in den klinischen Alltag ärztliches Personal von administrativen Dokumentationsaufgaben entlasten.
In diesem Zusammenhang erinnert der Deutsche Ärztetag auch an den Beschluss der 78. Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom 01.07.2005, mit dem der Bundesgesetzgeber aufgefordert wurde, bei der Schaffung von neuen Regelungen eine Folgenabschätzung des Bürokratieaufwands vorzusehen, damit neue Rechtssetzung nicht zu weiterem vermeidbarem Dokumentationsaufwand führt. Insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wurde aufgerufen, bei seinen Entscheidungen zum Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) den Dokumentationsaufwand für Leistungserbringer und Krankenkassen kritisch zu überprüfen.

Arbeitsschutzbestimmungen
Der Deutsche Ärztetag fordert ein Gesetz zum Schutz derjenigen Hinweisgeber (Whistleblower), die aus Gewissensnot und Zivilcourage auf Missstände und Gefahren hinweisen, die sie am Arbeitsplatz erfahren. Beispielhaft ist hier das britische Gesetz über Offenlegung im Öffentlichen Interesse (Public Interest Disclosure Act) 1998, welches in seiner Intention insbesondere auf den öffentlichen Dienst und das Gesundheitswesen abstellt. Im geltenden deutschen Recht ist es für den Hinweisgeber äußerst gefährlich, auf Rechtsverstöße des Arbeitsgebers hinzuweisen. Dies gilt auch für die Missachtung der Arbeitsschutzbestimmungen. Es darf nicht weiter zugelassen werden, dass Arbeitgeber gegen den gesetzlich verbrieften Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer verstoßen.
Begründung:
Die Ärztinnen und Ärzte des Universitätsklinikums Bonn verdienen für ihre Zivilcourage Anerkennung, da sie auf die Gefährdung der Versorgung der Patienten und die Gefährdung der Gesundheit der Ärzte öffentlich hingewiesen haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden (BVerfG 1 BvR 2049/00), dass Arbeitnehmer Rechtsverstöße ihres Arbeitgebers zur Anzeige bringen dürfen. Anlass für die Kündigung war, dass der Beschwerdeführer im Rahmen eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen seine Arbeitgeberin beziehungsweise deren Geschäftsführer als Zeuge ausgesagt und der Staatsanwaltschaft Unterlagen übergeben hatte. Bislang stand dem die Treuepflicht des Arbeitnehmers entgegen.
Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 03.07.2003, 2 AZR 235/02 und vom 07.12.2006, 2 AZR 400/05, haben diese Entscheidungen für die Arbeitnehmer einschränkend präzisiert.

Gleiche Bewertung ärztlicher Arbeit im öffentlichen Dienst
Der Deutsche Ärztetag fordert die öffentlichen Arbeitgeber auf, Ärztetarife für alle im öffentlichen Dienst tätigen Ärztinnen und Ärzte abzuschließen bzw. den Geltungsbereich bestehender Tarifverträge auf die bisher nicht berücksichtigten Arztgruppen auszudehnen.
Begründung:
Ein wesentlicher Teil der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst fallen aktuell noch nicht unter die in den letzten Jahren abgeschlossenen Ärztetarife. Dieses führt zu einer erheblichen Ungleichheit in der Vergütung ärztlicher Leistung. In der Folge gibt es bereits einen Nachwuchsmangel/unbesetzte Stellen in diesen Bereichen. Betroffen sind z. B. der öffentliche Gesundheitsdienst, die in Forschung und Lehre tätigen Ärztinnen und Ärzte und die Betriebsärzte der Universitätskliniken und Hochschulen, die im Justizvollzugsdienst, die in Landes- und Bundesanstalten und -behörden oder der Bundesagentur für Arbeit tätigen Ärztinnen und Ärzte.

Einrichten von Kinderkrippen
Der 111. Deutsche Ärztetag fordert die Arbeitgeber im Gesundheitswesen auf, endlich zeitnah bedarfsgerecht arbeitszeitkompatible und arbeitsplatznahe Kinderbetreuungseinrichtungen für die Kinder ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere auch der ärztlichen Mitarbeiter zu schaffen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen sind zur Betreuung ihrer Kinder in besonderem Maß auf Krippen und Kindergärten mit arbeitszeitkompatiblen Öffnungszeiten angewiesen, da die meisten im Schichtdienst arbeiten oder auch an Feiertagen die Versorgung kranker Menschen gewährleisten.
Insbesondere vor dem Hintergrund eines zunehmenden Ärztemangels und einer gleichzeitigen Zunahme des Frauenanteils in der Ärzteschaft kann es sich das Gesundheitssystem in Deutschland nicht mehr leisten, dass hoch qualifizierte ärztliche und andere Mitarbeiter und vor allem Mitarbeiterinnen im Gesundheitswesen mangels adäquater Kinderbetreuung ihrer Tätigkeit nicht nachgehen können.

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