ArchivDeutsches Ärzteblatt23/2008Rabattverträge: Fahrlässig
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Unsere Gesundheitsministerin hat im Verein mit den wichtigsten Honoratioren des deutschen Gesundheitswesens zu Recht die Bedeutung der Fehlervermeidung in der Gesundheitsversorgung herausgestrichen. Nicht erwähnt wurde die zurzeit häufigste und meines Erachtens bedeutendste Fehlerursache in der ambulanten Medizin: die Rabattverträge. Der Fall eines meiner Patienten lässt auch mir fast das Herz stehen: Jan ist 82 Jahre alt, lärmschwerhörig und herzinsuffizient, eine bodenständige Natur, schlicht, aber keineswegs dement. Kürzlich hat er bei uns ein Nachfolgerezept bestellt: Zweimal 100 Tabletten Metoprolol 200 mg von zwei Herstellern! Er nehme schon länger je eine Tablette morgens ein! Daraufhin habe ich mir zu Hause zeigen lassen, welche Tabletten er wirklich einnimmt: Außer 400 mg Metoprolol nimmt er noch zweimal 10 mg Amlodipin von zwei verschiedenen Herstellern. Nicht eingenommen hat er das verordnete Metformin, wahrscheinlich hat er die Metoprolol-Tabletten für Metformin gehalten. Folgen:
1. völlig ungenügende Blutzuckereinstellung
2. massive Beinödeme
­3. gerade noch mal davongekommen, sein Herz ist nicht so schwach, wie ich dachte.
Wie viele Hunderte Millionen Euro müssen die Krankenkassen durch die Rabattverträge einsparen, dass derartige Risiken für die Patientengesundheit in Kauf genommen werden? . . . Weitere Nebenwirkungen der Rabattverträge:
- erheblich erhöhter Beratungsaufwand in unseren Praxen bei massiver Störung des Vertrauensverhältnisses zu unseren Patienten
- „das schlimmste Jahr in 20 Apotheker-Berufsjahren“ (Zitat einer Apothekerin)
- Vertrauensverlust der Krankenkassen bei den Patienten.
Zur Fehlervermeidung müssen jetzt vermehrt Pflegedienste die Einnahme der Patienten kontrollieren . . . Eine tolle Einsparung!?! Bezahlt von den anderen Gesundheitsdienstleistern und mit der Gesundheit der Patienten! Ein höchst fahrlässiger und auch volkswirtschaftlicher Unsinn, der schnellstens beendet gehört! Einstweilen kehre ich reumütig zum „Aut-idem-Kreuz“ zurück, um meine Patienten nicht zu gefährden . . .
Reinhard Lehmann, Johanniswall 11, 27283 Verden

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