KULTUR
„Straße der Gartenkunst“ im Rheinland: Aus dem Dornröschenschlaf erwacht


Rarität: „Ich beschloss,
alle unter
freiem Himmel in
hiesigem Klima
ausdauernden Bäume
und Sträucher
vollständig aufzunehmen“,
verfügte
der Herr von
Schloss Dyck.
Foto: Stiftung Schloss Dyck
Das Rheinland als Städtereigen zwischen Bonn und Duisburg und dem sich anschließenden aufreizend unspektakulären Niederrhein gilt nicht gerade als Heimat grüner Paradiese. Das wird sich nun ändern. Mit der noch jungen „Straße der Gartenkunst zwischen Rhein und Maas“, die zu Dutzenden historischen Garten- und Parkanlagen führt, tritt das Rheinland an die Seite so berühmter Gartenlandschaften wie dem Tal der Loire oder manch englischer Grafschaft.
Ausladende Anlagen mit barocken Blumenparterres, Spiegelweihern und verschwiegenen Boskettgärten liegen ebenso entlang der Route wie Gärten im englischen Landschaftsstil mit ihren Hügeln, Teichen, Baumgruppen, Wiesen und den mäandernden Wegen, die immer wieder überraschende Raumbilder erschließen.
Pflicht ist ein Besuch in der Barockwelt der zum Weltkulturerbe der UNESCO zählenden Gärten von Schloss Augustusburg in Brühl und von Schloss Benrath in Düsseldorf. Dem stehen echte Entdeckungen gegenüber: der Skulpturenpark von Schloss Moyland bei Kleve, der an Sanssouci erinnernde Terrassengarten von Kloster Kamp oder das Natur und Kunst verbindende Gartenreich in den Auen des Flüsschens Erft auf der Insel Hombroich in Neuss.
Fürstliche Sammelwut
Als Fixpunkt der „Straße der Gartenkunst“ fungiert Schloss Dyck zwischen Neuss und Mönchengladbach. Dieses Zentrum für Gartenkunst und Landschaftskultur lädt die Besucher zu einer Reise ein, die vom Landschaftsgarten des 19. Jahrhunderts bis zu Schöpfungen der Gegenwart führt. Im Schloss und seinen Vorburgen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts finden regelmäßig Ausstellungen zum Thema Garten statt. Außerdem wird hier wissenschaftlich über Gartenkunst und Landschaftskultur gearbeitet.
Der Park des Wasserschlosses wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts von Thomas Blaikie angelegt. Der schottische Gartenarchitekt hatte zuvor in Paris die Gärten von Bagatelle und Monceau geschaffen. Aufgrund seiner Artenvielfalt ist der Dycker Schlosspark eine Rarität unter den europäischen Gärten. „Ich beschloss, alle unter freiem Himmel in hiesigem Klima ausdauernden Bäume und Sträucher vollständig aufzunehmen“, hatte seinerzeit der Hausherr verfügt. Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck war nicht nur ein aufgeklärter Herrscher über sein Miniterritorium, sondern auch ein wissenschaftlich interessierter Freund der Botanik.
So lustwandelt der heutige Besucher unter 200 Jahre alten Baumgiganten. Exotische Zeugen fürstlicher Sammelwut wie eine Sumpfzypresse aus Florida oder ein Riesenmammutbaum aus Kalifornien, Säuleneichen und Rieseneiben, Magnolien und Robinien, Azaleen und Rhododendren säumen den Weg. Vielfältige Sichtachsen eröffnen immer wieder neue Ansichten der Schlossbauten und der benachbarten Halbinsel, auf der die Orangerie liegt. Nur dieser Teil des Gartens weist noch barocke Gestaltungselemente auf.
Vernachlässigte Schätze
Vor den Toren des historischen Ensembles wogt ein Meer aus bis zu vier Meter hohem Chinaschilf, das einen Schatz versteckt. In 22 kleinen Gärten haben junge Landschaftsarchi-tekten ihrem Einfallsreichtum freien Lauf gelassen. Im „Garten der Eitelkeiten“ wandelt man auf den Spuren der Pflanzensymbolik, lässt sich im „Garten der freundlichen Nachbarn“ von der friedvollen Atmosphäre anregen und spürt die meditative Kraft des „Judäischen Gartens“.
Wer nach der Zeitreise durch den Park und die neuen Gärten von Schloss Dyck auf den Geschmack gekommen ist, der kann in der Umgebung weitere grüne Entdeckungen machen: die Parks der Wasserschlösser in Wickrath und Neersen, der Hofgarten in Düsseldorf oder die von reichen Textilfabrikanten im 19. Jahrhundert angelegten Villengärten in Krefeld.
Fast alle Anlagen sind erst in den letzten Jahren aus einem Dornröschenschlaf geweckt und behutsam in ihren historischen Zustand zurückversetzt worden. Als Katalysator fungierte 2002 die bundesweit erste dezentrale Landesgartenschau, die erfolgreich das Bewusstsein für die vernachlässigten Schätze geweckt hat und den Anstoß für die „Straße der Gartenkunst“ gab. Informationen: www.strasse-der-gartenkunst.de.
Ulrich Traub
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