ArchivDeutsches Ärzteblatt23/2008Ärzteschach: Opferlust in Bad Homburg

SCHACH

Ärzteschach: Opferlust in Bad Homburg

Pfleger, Helmut

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Fotos: Josef Maus
Fotos: Josef Maus
Alle Jahre wieder, aber mit ungebrochener Begeisterung, treffen sich Ärztinnen und Ärzte aus ganz Deutschland auf Einladung des Deutschen Ärzteblattes zum Schachspielen.

Mit den Schach spielenden Ärzten kam auch die Sonne über Bad Homburg. Am letzten Märzwochenende hatten sich 145 Ärzte versammelt (die Osterferien verhinderten einen noch größeren Andrang), um all die Alltagssorgen um Budget und Abrechnung eine Zeitlang zu vergessen und sich der laut Dr. med Modjataba Abtahi „schönsten Nebensache der Welt“, dem Schachspiel, hinzugeben. Kommen dieses Schachspiel und sein Name (Schah = König) doch aus Abtahis ursprünglichen Heimat Persien – wegen dieser etymologischen Verwandtschaft ließ es Khomeini für viele Jahre verbieten.

Bereits zum 16. Mal fand die Deutsche Ärzteschachmeisterschaft in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Schachbund und mit Unterstützung des Schachclubs Bad Homburg nun statt; gar nicht wenige waren von Anfang an immer dabei. Andere Berufsgruppen können da nur neidvoll staunen, der Versuch der Juristen beispielsweise schlief schon nach dem zweiten Mal ein.

Die Sieger (v. l.): Hans Rautenstrauch, Peter Weber, Hannes Knuth, Peter Krauseneck und Jan Kröger
Die Sieger (v. l.): Hans Rautenstrauch, Peter Weber, Hannes Knuth, Peter Krauseneck und Jan Kröger
Auch Ärzte irren manchmal
Kaum denkbar wäre indes das in einem so großzügigen Rahmen durchgeführte Ärzteturnier ohne die Unterstützung der Deutschen Apotheker- und Ärztebank und deren Direktor Manfred Hermes. Frei nach Schiller, dem das Schachspiel ein großer Trost noch in seinem Sterben war, kann man sagen: „Er teilte jedem eine Gabe, dem Schachbuch, jenem anderes aus, der Jüngling und der Greis am Stabe, ein jeder ging beglückt nach Haus.“

In der derzeitigen Debatte um Ärzteirrtümer mit entsprechenden Selbstbezichtigungen, wovon stellvertretend das humorvolle Opus magnum eines Professors für Allgemeinmedizin „Meine gesammelten Fehldiagnosen“ mit jährlichen Ergänzungen künden mag, sollte nicht vergessen werden, dass nicht nur heilende, sondern auch Schach spielende Ärzte Fehler machen, wie schon der Spötter Tartakower wusste: „Eine Schachpartie ist ein Märchen aus 1 001 Fehlern.“

Um dies und die keineswegs gewagte These „Meine Torheiten wachsen schneller heran, als meine Erfahrungen reifen“ in einem statistisch abgesicherten Großversuch zu untermauern, wurde schließlich das Ärzteschachturnier einst vom stellvertretenden Chefredakteur des Deutschen Ärzteblattes, Josef Maus, der eine unerklärliche und wahrlich leidgeprüfte Liebe zum 1. FC Köln hegt, ins Leben gerufen. Mutmaßlich wollte er sich und der außerkölnischen Welt beweisen, dass nicht nur fußballernde Geißböcke Mist machen.

Ergiebiges (Bockmist-)Material für die lüsternen, aber dank ihres Arztseins selbstverständlich stets objektiven und nie schadenfrohen Kiebitze lieferten insbesondere die Zeitnotgefechte der Schnellpartien mit nur einer halben Stunde Bedenkzeit für die ganze Partie. Da wurde wild geopfert, manchmal mit gutem, manchmal weniger gutem Ergebnis. Da wurden aber auch hin und wieder einzügige Matts übersehen und in der achten Runde etliche Springer mitten auf dem Brett „verhaftet“, von simpel verloren gegangenen oder kunstvoll eroberten Damen ganz zu schweigen.

Apropos Damen. Nur zwei, keinesfalls hölzerne, sondern recht lebendige, junge Damen hatten sich diesmal ohne ihre Anführerin, Dr. med. Utta Recknagel, die leider wegen Familienferien mit Kindern und Enkeln nicht teilnehmen konnte, unter die Männermeute gewagt. „Da ist ja der Frauenanteil noch geringer als bei den Unfallchirurgen (dort sind es fünf Prozent)“, sagte mir eine begleitende Unfallchirurgin. „Aber oho“, antwortet der begeisterte Chronist.

Bergit Brendel und der Bamberger Recke
Dr. med. Bergit Brendel und Dr. med. Andrea Huppertz spielten beide hervorragend; Erstere überwältigte gar mit einem herrlichen, in allen Varianten korrekten Springeropfer den gefürchteten Bamberger Recken, Prof. Dr. med. Peter Krauseneck, der sich so mit dem dritten Platz (auch nicht schlecht!) begnügen musste. Per definitionem war es übrigens kein Opfer à la Mihail Tal, ihrem Vorbild, dem ehemaligen Weltmeister und Hexenmeister aus Riga, der humorvoll über sich sagte: „Es gibt zwei Arten von Opfern – meine und korrekte!“ Gelegentlich soll Bergit Brendel laut Augenzeugen allerdings auch wie Tal opfern.

Es gewannen schließlich ex aequo „Altmeister“ Dr. med. Peter Weber, der angeblich schon auf die 50 zugeht (keiner glaubt’s ihm – hält Schach etwa gar jung?) und den nach dem Tod seines einstigen Idols (hoffentlich nur schachlich!) Bobby Fischer im Januar wieder verstärkt die Schachlust packte, und der mehrfache Landesmeister von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. med. Hannes Knuth. Vielleicht fuhr ja gar der Genius Loci in den nach Feinwertung Ersteren, immerhin war Bobby Fischer einst (da lag Dr. Weber allerdings noch in der Wiege) in Bad Homburg, allerdings nicht zum Schachspielen, sondern in der Spielbank.
Dr. med. Helmut Pfleger

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