EDITORIAL
Qualitätsgesicherte ADHS-Versorgung: Gemeinsam für die Kinder


Das tut not. Denn die Versorgung der schätzungsweise 500 000 Heranwachsenden mit ADHS ist im ambulanten Bereich nicht optimal. Die Verordnungen von Methylphendidat sind seit 1991 enorm gestiegen: nach Angaben der Bundesregierung allein zwischen 1995 und 2000 um das Zehnfache. Fehlverordnungen sind nicht selten, weil es Mängel in der Diagnostik und Differenzialdiagnostik gibt. Auf der anderen Seite erhalten manche Kinder, bei denen es notwendig wäre, keine medikamentöse Behandlung. Weil nicht immer leitliniengerecht behandelt wird, aber auch, weil bei Eltern Vorurteile gegenüber der Medikamentierung ihrer Kinder bestehen. Lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz und wenig Vernetzung zwischen Ärzten und Kinderpsychotherapeuten sind weitere Mängel in der Versorgung.
Nicht nur letzteren Missstand könnte der ADHS-Vertrag beheben. Verpflichtend ist, dass in den Teams Kinderpsychotherapeuten, -psychiater und -ärzte vertreten sind. Koordinator des Falls ist derjenige dieser drei Fachgruppen, an den sich die Eltern zuerst gewendet haben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, da nicht die Ärzte automatisch die Behandlungshoheit haben. Ein weiteres Kernelement des Konzepts ist der multimodale Ansatz aus Psychotherapie, eventuell Medikation, Elterntrainings und der Einbindung von Lehrern oder Erziehern. Hinzu kommen Teambesprechungen, Fortbildungen und die Kooperation mit Ergotherapeuten, Logopäden und der Selbsthilfe. Ein Schwerpunkt liegt auf der Psychotherapie. Die Behandlung wird zunächst ohne Medikation beginnen. Bei unbefriedigendem Verlauf wird nach drei bis sechs Monaten überprüft, ob die Gabe von Methylphenidat notwendig ist.
Bleibt zu hoffen, dass die Krankenkassen die Möglichkeit zur langfristigen Kosteneinsparung nutzen. Nicht oder falsch behandelt drohen den betroffenen Kindern seelische und körperliche Misshandlungen, weil ihre Umwelt der nervenaufreibend wirkenden Krankheit hilflos gegenübersteht. Schulabbrüche, Drogenkarrieren, eine erhöhte Unfallrate, insbesondere im Verkehr, sind weitere Auswirkungen auch im Erwachsenenalter. Denn ADHS wächst sich leider nicht aus. Nicht zuletzt kann das Konzept nur funktionieren, wenn sich genügend Psychotherapeuten beteiligen. Eine Öffnung für interdisziplinäre Behandlungskonzepte ist in jedem Fall der Weg der Zukunft.
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