BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER: Kassenärztliche Bundesvereinigung
Bekanntmachungen: Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis*
DÄ plus


Die ärztliche Schweigepflicht gilt gem. § 203 Strafgesetzbuch (StGB) i. V. m. § 9 (Muster-)Berufsordnung (MBO) umfassend für das ärztliche Behandlungsverhältnis. Danach haben Ärzte über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist – auch über den Tod des Patienten hinaus – zu schweigen. Darüber hinaus sind vom Arzt die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zu beachten, da es sich bei den Patientendaten um schützenswerte patientenbezogene Daten handelt. Dies betrifft insbesondere die Datenerhebung sowie die Datenübermittlung. Die Verpflichtung zur Dokumentation ergibt sich aus § 10 Abs. 1 MBO und als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag. Unabhängig vom gewählten Medium der Datenverarbeitung und Nutzung muss der Arzt beim Umgang mit Patientendaten folgende Grundsätze beachten:
– das Persönlichkeitsrecht des Patienten in der Ausprägung des informationellen Selbstbestimmungsrechts
– die Wahrung des Patientengeheimnisses
– die Dokumentation der Behandlungsabläufe und -ergebnisse
– das Recht des Patienten, in der Regel Einsicht in die objektiven Teile der ärztlichen Aufzeichnungen zu nehmen
– subjektive Einschätzungen können, müssen aber nicht offenbart werden.
Der Einsatz von EDV in der Arztpraxis kann nicht mit der für den privaten Gebrauch erfolgten Nutzung von Computern verglichen werden. Deshalb sind beim beruflichen Einsatz in der Arztpraxis auch aus strafrechtlichen und haftungsrechtlichen Gründen besondere Schutzvorkehrungen erforderlich, die nachfolgend beschrieben werden. Besondere Bedeutung kommt der Technischen Anlage** zu. Diese gibt einen kompakten und weitgehend allgemeinverständlichen Überblick über die zu empfehlenden IT-Sicherheitsmaßnahmen in den Arztpraxen.
2. Die ärztliche Schweigepflicht
2.1 Rechtsgrundlagen
Die ärztliche Schweigepflicht ist in § 203 StGB und in § 9 der MBO geregelt. Nach § 203 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis offenbart, das ihm als Arzt anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist. Nach § 9 MBO haben Ärzte über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist, zu schweigen.
2.2 Reichweite
Die ärztliche Schweigepflicht umfasst alle Tatsachen, die nur einem bestimmten, abgrenzbaren Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung der Patient ein verständliches, also sachlich begründetes und damit schutzwürdiges Interesse hat. Sie ist grundsätzlich auch gegenüber anderen Ärzten, Familienangehörigen des Patienten sowie eigenen Familienangehörigen zu beachten. Auch nach dem Tod des Patienten besteht die ärztliche Schweigepflicht fort.
2.3 Adressaten der Schweigepflicht
Der strafrechtlichen Schweigepflicht gem. § 203 StGB unterliegen neben dem Arzt auch Angehörige eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert. Diesen Personen stehen des Weiteren ihre berufsmäßig tätigen Gehilfen und die Personen gleich, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind.
2.4 Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht
Eine Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht ist zulässig, wenn gesetzliche Vorschriften dem Arzt eine Pflicht oder ein Recht zur Offenbarung auferlegen bzw. geben. Der Arzt ist des Weiteren berechtigt, Informationen weiterzugeben, wenn der Patient seine Einwilligung ausdrücklich oder konkludent erteilt hat. Eine konkludente bzw. stillschweigende Einwilligung liegt immer dann vor, wenn der Patient aufgrund der Umstände von einer Informationsweitergabe durch den Arzt an Dritte ausgehen muss. Eine Offenbarungsbefugnis kann sich darüber hinaus auch aus der sog. mutmaßlichen Einwilligung ergeben, wenn der Patient seine Einwilligung nicht erklären kann, beispielsweise weil er ohne Bewusstsein ist. Die mutmaßliche Einwilligung ist gegeben, wenn der Arzt davon ausgehen kann, dass der Patient im Fall seiner Befragung mit der Offenbarung einverstanden wäre, oder wenn offenkundig ist, dass der Patient auf eine Befragung keinen Wert legt.
3. Datenschutzgesetze
3.1 Rechtsgrundlagen
Anwendbar für den Arzt bzw. die Arztpraxis ist das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). § 4 BDSG beschreibt den Grundsatz der Zulässigkeit der Datenerhebung, Verarbeitung und Nutzung. Diese sind nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Für den Arzt sind des Weiteren die Regelungen des Dritten Abschnitts des BDSG relevant. Dieser regelt u. a. das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke.
3.2 Betrieblicher Datenschutzbeauftragter
Nach § 4 f BDSG sind auch nicht-öffentliche Stellen, die Patientendaten automatisiert verarbeiten, verpflichtet, einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu bestellen. Nach § 4 f BDSG besteht diese Verpflichtung immer dann, wenn mehr als neun Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Bei der Ermittlung der Anzahl der Personen sind die Mitarbeiter(innen) zu berücksichtigen, die nicht nur gelegentlich mit der Datenverarbeitung beschäftigt sind; dies sind typischerweise die Mitarbeiter(innen), die z. B. mit der Datenerfassung (Empfang) oder Datenverarbeitung (Abrechnung) befasst sind. Erfasst werden auch angestellte Ärzte, Auszubildende sowie sonstige freie Mitarbeiter, aber nicht der Praxisinhaber selbst. Ständig beschäftigt ist eine Person, wenn sie für diese Aufgabe, die nicht ihre Hauptaufgabe zu sein braucht, auf unbestimmte, zumindest aber längere Zeit vorgesehen ist und sie entsprechend wahrnimmt.
§ 4 f Abs. 2 BDSG legt die qualitativen Anforderungen an betriebliche Datenschutzbeauftragte fest. Zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten kann nur bestellt werden, wer die zur Erfüllung der Aufgaben erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit besitzt. Das Maß der erforderlichen Fachkunde bestimmt sich nach dem Umfang der Datenverarbeitung und dem Schutzbedarf der personenbezogenen Daten. Zur erforderlichen Fachkunde gehören neben guten Kenntnissen über die technischen Gegebenheiten auch gute Kenntnisse über die rechtlichen Regelungen, insbesondere über die ärztliche Schweigepflicht. Auch ein Mitarbeiter der Arztpraxis, der über entsprechende Kenntnisse verfügt, kann zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt werden. Die Fachkenntnisse können auch über Schulungen, die beispielsweise von den Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen angeboten werden, erworben werden.
Da das BDSG in § 4 f Abs. 2 Satz 3 nunmehr ausdrücklich auch den externen Datenschutzbeauftragten vorsieht, kann mit der Wahrnehmung der Funktion des betrieblichen Datenschutzbeauftragten in Arztpraxen auch ein Externer beauftragt werden. Diesem steht ebenso wie dem Arzt ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Im Übrigen wird ihm gem. § 203 Abs. 2 a StGB eine strafbewehrte Schweigepflicht auferlegt.
3.3 Berichtigung, Löschen und Sperren von Daten
Sowohl aus dem Behandlungsvertrag als auch aus den datenschutzrechtlichen Vorschriften (§ 35 BDSG) folgt die Verpflichtung, unrichtige Daten zu berichtigen. Dies gilt allerdings nicht für Verdachtsdiagnosen. Ein Anspruch auf Löschung und Sperrung der patientenbezogenen Daten kommt nicht in Betracht, solange eine aus dem Behandlungsvertrag und aus dem Berufsrecht vorliegende Aufbewahrungsfrist besteht. Diese beträgt i. d. R. wenigstens zehn Jahre (§ 10 Abs. 3 MBO, § 57 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), § 13 Abs. 10 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV)).
Eine Löschung von personenbezogenen Daten kann in dem Zeitraum, in dem eine Verpflichtung zur Aufbewahrung der ärztlichen Dokumentation besteht, nicht verlangt werden.
3.4 Technische und organisatorische Maßnahmen nach § 9 BDSG
Das Vertrauen in eine auf elektronischen Datenträgern erstellte medizinische Dokumentation wird auch dadurch erhöht, dass der Arzt die in § 9 BDSG und in der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG entwickelten Grundsätze beachtet. Diesen Grundsätzen wird durch Beachtung der Technischen Anlage (vgl. Kapitel 2) entsprochen.
4. Ärztliche Dokumentation
4.1 Rechtsgrundlage
Die Verpflichtung zur Dokumentation ergibt sich aus § 10 Abs. 1 MBO, § 57 Abs. 3 BMV-Ä bzw. § 13 Abs. 10 EKV sowie aus anderen gesetzlichen Vorschriften (z. B. Röntgenverordnung) und aus dem Behandlungsvertrag. Nach § 10 Abs. 1 MBO haben Ärzte über die in Ausübung ihres Berufs gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen. Diese sind nicht nur Gedächtnisstützen für den Arzt, sie dienen auch dem Interesse der Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation.
Das Erstellen einer ärztlichen Kartei (Krankenakte) ist datenschutzrechtlich das Erheben und Speichern personenbezogener Daten. Der Arzt ist im Rahmen der Zweckbestimmung des Behandlungsvertrags verpflichtet und berechtigt, die von ihm als notwendig erachteten Daten zu dokumentieren (erheben und speichern – § 28 Abs. 1 BDSG –). Entsprechend dieser vertraglichen Verpflichtung bedarf es zur bloßen Erstellung einer Patientenkartei keiner gesonderten Einwilligung des Patienten. Im Rahmen der Zweckbestimmung des Patientenvertrags ist das Speichern von Patientendaten auch mittels EDV zulässig. Einer gesonderten Einwilligung und Benachrichtigung des Patienten bedarf es auch hier nicht.
4.2 Schutz vor Einsichtnahme und Zugriff
Auch beim Umgang mit Patientendaten in der Arztpraxis selbst ist das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu beachten. Diesem Gedanken muss der Arzt dadurch Rechnung tragen, dass er sowohl bei konventionellen Patientenakten als auch beim Einsatz von Datenverarbeitungstechniken gewährleistet, dass sowohl im Empfangsbereich als auch in den Behandlungsräumen unbefugte Dritte keinen Zugriff (Einblick) in die Patientendaten erhalten. So sollten Patientenakten in keinem Fall so bereitgelegt werden, dass etwa Patienten Daten anderer Patienten zur Kenntnis nehmen können. Dementsprechend sind Bildschirme so aufzustellen, dass sie nur vom Arzt und dem Praxispersonal eingesehen werden können. Gegebenenfalls muss der EDV-Arbeitsplatz gesperrt werden, sodass auch wartende Patienten in Abwesenheit von Arzt- und Praxispersonal keine Möglichkeit haben, Patientendaten zur Kenntnis zu nehmen.
4.3 Aufbewahrungsfristen
Ärztliche Aufzeichnungen sind für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungspflicht besteht. Längere Aufbewahrungsfristen ergeben sich beispielsweise für Aufzeichnungen über Röntgenbehandlung gem. § 28 Abs. 3 Satz 1 Röntgenverordnung und für die Anwendung von Blutprodukten nach § 14 Abs. 3 Transfusionsgesetz. Zu beachten ist aber auch die zivilrechtliche Verjährungsfrist, die für Ansprüche eines Patienten gegen seinen Arzt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt. Zwar beläuft sich die Verjährungsfrist grundsätzlich auf drei Jahre gem. § 195 BGB, diese Frist beginnt jedoch erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dies kann im Einzelfall bis zu 30 Jahre nach Abschluss der Behandlung der Fall sein. Daher sollte der Arzt seine Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist hinaus solange aufbewahren, bis aus medizinischer Sicht keine Schadenersatzansprüche mehr zu erwarten sind. !
4.4 Elektronische Dokumentation
4.4.1 Eigene Dokumentation
Nach § 10 Abs. 5 MBO bedürfen Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern oder anderen Speichermedien besonderer Sicherungs- und Schutzmaßnahmen, um deren Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige Verwendung zu verhindern. Um eine beweissichere elektronische Dokumentation zu erreichen, muss das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Arztes versehen werden, wenn dieser auf eine herkömmliche schriftliche Dokumentation verzichten will (vgl. Kapitel 11 der Technischen Anlage). Auf diese elektronischen Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, finden nach § 371 a Abs. 1 ZPO i. d. F. des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz) die Vorschriften über die Beweiskraft privater Urkunden entsprechend Anwendung. Der Anschein der Echtheit einer in elektronischer Form vorliegenden Erklärung, der sich aufgrund der Prüfung nach dem Signaturgesetz ergibt, kann nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernstliche Zweifel darin begründen, dass die Erklärung vom Signaturschlüsselinhaber abgegeben worden ist. Insofern ist die Beweiskraft für elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, mit schriftlichen Dokumenten vergleichbar. Dies hat allerdings zur Folge, dass ein qualifiziert signiertes Dokument nicht mehr inhaltlich verändert werden kann, ohne die Signatur zu zerstören. Aus diesem Grund müssen Ergänzungen sowie Berichtigungen in einem gesonderten Dokument festgehalten und dieses mit dem Ursprungsdokument untrennbar verbunden werden. Technisch ist das durch eine „elektronische Klammer“ möglich, z. B. so, dass beide Dokumente in einem gemeinsamen „Container“ verpackt werden, der ebenfalls mit einer qualifizierten Signatur versehen wird. Um eine langfristige Archivierung zu ermöglichen, wird empfohlen, Signaturen von akkreditierten Zertifizierungsdiensteanbietern zu verwenden.
4.4.2 Externe Dokumente
Erhält der Arzt externe Dokumente (z. B. Arztbriefe), so kann er, sofern die Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, diese in die eigene Dokumentation übertragen. Werden dem Arzt jedoch die Dokumente in Schriftform übermittelt, so besteht die Problematik der Umwandlung in eine elektronische Form, sofern der Arzt auf eine schriftliche Dokumentation vollständig verzichten möchte. Die Umwandlung kann durch „Einscannen“ des schriftlichen Dokuments erfolgen. Der Nachweis, dass das elektronische Dokument dem schriftlichen Originaldokument entspricht, kann in der Regel nur durch den Vergleich beider Dokumente erbracht werden. Eine solche Handhabung würde aber dem Sinn und Zweck der elektronischen Dokumentation widersprechen, da auch das Originaldokument aufbewahrt werden müsste. Die Lösung kann darin bestehen, dass das elektronische Dokument mit einem Vermerk versehen wird, wann und durch wen das Originaldokument in eine elektronische Form übertragen worden ist, und dass die Wiedergabe auf dem Bildschirm und damit auch in der elektronischen Datei mit dem Originaldokument inhaltlich und bildlich übereinstimmt. Um zu verhindern, dass die schriftlichen Originaldokumente nicht vollständig erfasst werden, sind beide Seiten einzuscannen, auch wenn die Rückseite inhaltlich leer sein sollte. Alternativ kann in dem o. g. Vermerk auch ein ausdrücklicher Hinweis aufgenommen werden, dass nach der Transformation eine Überprüfung auf Vollständigkeit erfolgt ist.
Aber auch durch diese Maßnahme kann nicht der Beweiswert des schriftlichen Originaldokuments erreicht werden. Die Umwandlung in eine elektronische Form und die Vernichtung des Originaldokuments können daher nur empfohlen werden, wenn das Dokument bei einer anderen Stelle (z. B. bei dem Verfasser des Arztbriefes) noch zu einem Vergleich zur Verfügung steht. Die Aufbewahrung des Originals ist darüber hinaus in besonders schadensträchtigen Fällen zu befürworten. Der Arzt sollte in jedem Fall angesichts der Beweissituation sorgfältig abwägen, ob er das Originaldokument vernichtet.
5. Einsichtnahme, Auskunft und Übermittlung
5.1 Auskunftsrecht des Patienten
Von der Rechtsprechung wurde als Ausfluss aus dem Persönlichkeitsrecht für Patienten das Recht auf Einsicht in ärztliche Aufzeichnungen entwickelt. Ein vergleichbarer Grundsatz wurde auch im Rahmen des Datenschutzes entwickelt. Aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen wird das Recht hergeleitet, Auskunft über alle gespeicherten personenbezogenen Daten zu erlangen. Dieses datenschutzrechtliche Auskunftsrecht verdrängt nicht das aus dem allgemeinen Arztrecht folgende Einsichtsrecht. Vielmehr gelten die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Einsichtsrecht des Patienten uneingeschränkt auch dann, wenn diese Dokumentation auf elektronischen Medien erfolgt, d. h., das Einsichtsrecht umfasst den objektiven Teil der ärztlichen Aufzeichnungen. Diese sind i. d. R. die naturwissenschaftlichen konkretisierbaren Befunde über Behandlungsmaßnahmen, Angaben über Medikation und Operationsberichte, aber auch z. B. EKG, EEG, Röntgenaufnahmen und Laborergebnisse. Demgegenüber ist der Arzt nicht verpflichtet, den Teil der Aufzeichnungen zu offenbaren, der seine persönlichen Eindrücke über den Patienten oder dessen Angehörige umfasst; auch müssen erste Verdachtsdiagnosen oder Bemerkungen zu einem bestimmten Verhalten des Patienten zur Behandlung nicht offenbart werden. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. 1. 2006 (Az.: 2 BvR 443/02) zu dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse einer im Maßregelvollzug untergebrachten Person stellt eine Einzelfallentscheidung in Bezug auf ein besonderes Verhältnis (Strafgefangener) dar und ist nicht übertragbar auf andere Bereiche.
In Ausnahmefällen kann das grundsätzlich bestehende Einsichtsrecht im Hinblick auf therapeutische Rücksichten eingeschränkt werden. Dies gilt insbesondere für psychiatrische Erkrankungen, weil in diesen Aufzeichnungen die Persönlichkeit des Arztes ebenso wie dritter Personen umfassender einfließt und spezifische therapeutische Risiken aus einer Rekonstruktion verarbeiteter Problemfelder für den Patienten entstehen können.
Das Einsichtsrecht des Patienten in die ärztliche Aufzeichnung ist bei herkömmlicher Dokumentation durch die konkrete Einsichtnahme des Patienten in den entsprechenden Teil der ärztlichen Aufzeichnungen zu gewähren. Es kann aber auch auf Verlangen des Patienten durch Zurverfügungstellen z. B. von Fotokopien oder Ausdrucken sichergestellt werden.
Wenn der Arzt demgegenüber einen Praxiscomputer einsetzt, sollte er dem Patienten lediglich Zugang zu dem Teil der Patientendatei gewähren, der seine personenbezogenen Daten beinhaltet. In keinem Fall sollte dem Patienten die Möglichkeit eingeräumt werden, sich etwa selbst an den Praxiscomputer zu begeben; vielmehr sollte ein Ausdruck der ärztlichen Aufzeichnungen zur Verfügung gestellt oder dem Patienten die ihn betreffenden Dokumente mittels geschützter elektronischer Kommunikation übermittelt werden (vgl. Kapitel 5 der Technischen Anlage).
5.2 Übermittlung an Dritte
Wenn auch davon ausgegangen werden kann, dass das Erstellen einer (elektronischen) Patientendatei bereits aus dem Zweck des Behandlungsvertrages hergeleitet werden kann, gilt dieses nicht für die Übermittlung von Patientendaten, und zwar unabhängig von der Frage, ob diese Daten elektronisch auf Datenträgern oder in herkömmlicher Weise an Dritte übermittelt werden.
Die Übermittlung von Patientendaten ist nur zulässig, wenn sie entweder durch eine gesetzliche Vorschrift, durch die Einwilligung des Patienten oder aber durch einen besonderen Rechtfertigungsgrund legitimiert ist; anderenfalls läuft der Arzt Gefahr, die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 StGB i. V. m. § 9 MBO) zu verletzen und gegen datenschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen. Dies gilt grundsätzlich auch bei der Übermittlung von Daten von Arzt zu Arzt. In Fällen der Mit- und Nachbehandlung (z. B. Überweisung) sind Ärzte insoweit von der Schweigepflicht befreit, als dass das Einverständnis des Patienten anzunehmen ist.
Gesetzliche Übermittlungsbefugnisse und -pflichten finden sich insbesondere
– im Sozialgesetzbuch V (SGB V) für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung, zur Übermittlung an die Kassenärztlichen Vereinigungen, z. B.
– zum Zweck der Abrechnung (§ 295 SGB V auch i. V. m. § 106 a SGB V [Abrechnungsprüfung])
– zum Zweck der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§§ 296, 297 SGB V)
– zum Zweck der Qualitätssicherung (§ 298 SGB V)
– zur Übermittlung an die Krankenkasse, z. B. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (§ 284 i. V. m. § 295 SGB V)
– zur Übermittlung an den medizinischen Dienst (§§ 276, 277 SGB V).
Weitere gesetzliche Übermittlungsbefugnisse und -pflichten finden sich in
– dem Infektionsschutzgesetz (§§ 6 ff. IfSG)
– den Krebsregistergesetzen der Länder
– der Röntgenverordnung (§ 17 a RöV, § 28 Abs. 8 RöV)
– der Strahlenschutzverordnung (§ 42 StrlSchV)
– dem Betäubungsmittelgesetz i. V. m. der BTMVV (§ 5 a BTMVV)
– SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung) (§§ 201 ff. SGB VII)
– im Personenstandsgesetz (§§ 16, 17 PStG).
Soweit keine gesetzliche Übermittlungsbefugnis vorliegt, kann ausnahmsweise ohne Einwilligung des Patienten eine Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht dann gerechtfertigt sein, wenn eine nicht anders abwendbare Gefahr für ein höherwertiges Rechtsgut, wie Leben, Gesundheit und Freiheit, abgewehrt werden soll (§ 34 StGB).
Darüber hinaus kann der Arzt im Einzelfall im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen, etwa bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, gegen ihn selbst oder aber auch im Rahmen der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Patienten befugt und berechtigt sein, die ihm anvertrauten Patientendaten zu offenbaren.
Soweit weder eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis besteht, noch darüber hinaus ein besonderer Rechtfertigungsgrund vorliegt, darf eine Übermittlung personenbezogener Patientendaten nur dann erfolgen, wenn eine ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des Patienten vorliegt. Die Einwilligungserklärung muss sich auf den konkreten Übermittlungsvorgang beziehen. Es ist nicht ausreichend, wenn beim Abschluss eines Behandlungsvertrages pauschal für alle denkbaren Fälle der Datenweitergabe eine vorweggenommene Einwilligungserklärung des Patienten in eine Datenübermittlung eingeholt wird.
Die Weitergabe von Patientendaten an private Versicherungen muss ebenfalls durch die Zustimmung des Patienten legitimiert sein. In diesen Fällen sollte die Schweigepflichtentbindung auf den aktuellen Anlass bezogen sein, auch hier reicht eine pauschale Einwilligung nicht aus. Die Auskunft ist nur im Rahmen der Schweigepflichtentbindung zulässig. Es wird empfohlen, die Unterlagen dem Patienten zu übergeben, damit dieser entscheidet, was er an die Versicherung weitergibt.
Auch die Weitergabe von Daten an privatärztliche Verrechnungsstellen bedarf der Einwilligung des Patienten.
Die Weitergabe von Daten im Rahmen einer Praxisveräußerung kann grundsätzlich ebenfalls nur dann erfolgen, wenn eine Einwilligung des Patienten in die Datenweitergabe herbeigeführt worden ist. Soweit in diesen Fällen keine Einwilligung der Patienten herbeigeführt werden kann, kann der abgebende Arzt seine ärztlichen Aufzeichnungen dem übernehmenden Arzt im Rahmen eines Verwahrungsvertrages in Obhut geben. Der übernehmende Arzt muss diese Patientendaten unter Verschluss halten und darf sie nur mit Einwilligung des Patienten einsehen oder weitergeben (§ 10 Abs. 4 MBO).
Soweit der Arzt nicht zweifelsfrei klären kann, ob eine Übermittlungsbefugnis besteht, empfiehlt es sich, eine schriftliche Einwilligungserklärung des Patienten vor der Datenübermittlung einzuholen. Gemäß § 73 Abs. 1 b SGB V ist bei der Übermittlung von patientenbezogenen Daten vom Facharzt an den Hausarzt eine schriftliche Einwilligung des Patienten zwingend erforderlich.
5.3 Externe elektronische Kommunikation
Die sicherste Möglichkeit, Patientendaten zu schützen, ist es, den Rechner mit Patientendaten von dem Rechner zu trennen, über den die Internetverbindung hergestellt werden soll (sog. Standalone-Gerät). Soweit eine Verbindung mit dem Praxisrechner erfolgt, sollten die Patientendaten auf dem Praxiscomputer verschlüsselt gespeichert und eine hochwertige, regelmäßig gewartete und aktualisierte Firewall verwendet werden. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass Dritte unbemerkt eine Verbindung aufbauen, Schaden stiftende Programme in dem Praxiscomputer installieren und/oder den Datenbestand ausspähen, verändern oder löschen. Es wird empfohlen, den in der Anlage (vgl. Kapitel 3 der Technischen Anlage) dargestellten technischen Vorgaben zu folgen. Kann dies nicht sichergestellt werden, so sind Patientendaten auf einem Praxiscomputer zu speichern, der über keinen Internetanschluss verfügt.
Übermittelt der Arzt Dokumente über ein öffentliches Datennetz (Internet), so sollte er sicherstellen, dass der Zugriff Unbefugter auf die Dokumente ausgeschlossen ist. Die zu übermittelnden Daten müssen daher durch ein hinreichend sicheres Verfahren verschlüsselt werden (vgl. Kapitel 5 der Technischen Anlage).
Zur Sicherung der Authentizität bedarf es einer qualifizierten elektronischen Signatur. Ein noch höheres Sicherheitsniveau wird durch die Nutzung eines gesicherten Datennetzes, in dem die Datenpakete nochmals verschlüsselt werden, erreicht. Dies kann insbesondere für die Nutzung in Praxisnetzen relevant sein.
Bei einer Übertragung per Fax ist darauf zu achten, dass im Rahmen einer Abgangskontrolle die richtige Faxnummer und der richtige Adressat angewählt werden. Bei der Übersendung ist sicherzustellen, dass dort, wo die Daten ankommen, nur Berechtigte von den Daten Kenntnis nehmen können. Vor Absendung des Faxes ist deshalb gegebenenfalls eine telefonische Rücksprache mit dem Empfänger erforderlich.
Nutzt der Arzt die sogenannte Internet-Telefonie (Voice-over-IP), so ist darauf zu achten, dass keine Daten von Patienten weitergegeben werden, da die Gespräche in der Regel derzeit nicht abhörsicher sind. Die „Internet-Telefonie“ kann daher nicht als Ersatz für die herkömmliche telefonische Kommunikation dienen, wenn nicht besondere Schutzvorkehrungen (vgl. Kapitel 4.3 der Technischen Anlage) getroffen werden.
6. Weitere Grundsätze beim Einsatz von EDV
in der Arztpraxis
Der Einsatz von EDV-Technik in der Praxis des niedergelassenen Arztes erfordert nicht nur die Beachtung der aufgezeigten rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern macht es auch erforderlich, dass der organisatorische Ablauf den Besonderheiten des Einsatzes dieses Mediums Rechnung trägt. Auch durch die Beachtung dieser organisatorischen Hinweise kann dazu beigetragen werden, den in § 10 Abs. 5 der MBO aufgestellten Anforderungen Genüge zu tun. Im Einzelnen sollte der Arzt Folgendes beachten:
– Zur Sicherung der Patientendaten sind täglich Sicherungskopien auf geeigneten externen Medien zu erstellen.
– Der Arzt muss während der vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristen (i. d. R. zehn Jahre – § 10 Abs. 3 MBO) in der Lage sein, auch nach einem Wechsel des EDV-Systems oder der Programme innerhalb angemessener Zeit die EDV-mäßig dokumentierten Informationen lesbar und verfügbar zu machen.
– Die (Fern-)Wartung von EDV-Systemen in Arztpraxen ist dann zulässig, wenn das System die Möglichkeit bietet, dass die einzelnen Maßnahmen durch den Arzt autorisiert und überwacht werden können. Es handelt sich hierbei um eine Prüfung oder Wartung automatisierter Verfahren oder von Datenverarbeitungsanlagen durch Externe gem. § 11 Abs. 5 BDSG. Dabei sind die für die Datenverarbeitung im Auftrag geltenden Grundsätze gem. § 11 Abs. 1 bis Abs. 4 BDSG zu beachten. Der Arzt ist weiterhin für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften verantwortlich. Er hat den Auftragnehmer unter besonderer Berücksichtigung der Eignung der von ihm getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen sorgfältig auszuwählen. Er hat sich also vor der Auftragserteilung zu vergewissern, dass der Auftragnehmer in der Lage und Willens ist, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen auszuführen. In dem schriftlich abzuschließenden Auftragsverhältnis müssen sich der Auftragnehmer und seine Mitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichten. Die im Rahmen der (Fern-)
Wartung durchgeführten Maßnahmen sowie der Name der Wartungsperson sind zu protokollieren (vgl. Kapitel 10 der Technischen Anlage).
– Auszumusternde Datenträger müssen unter Beachtung des Datenschutzes (z. B. durch mehrfaches Überschreiben mittels geeigneter Software) fachgerecht unbrauchbar gemacht werden.
– Der Arzt sollte beim Abschluss von EDV-Verträgen und in jedem einzelnen Wartungs- oder Reparaturfall darauf achten, dass die genannten Vorschriften eingehalten werden.
– Drahtlose Verbindungen in der Arztpraxis können ein Sicherheitsrisiko darstellen. Daher sollten die in der Technischen Anlage (Kapitel 4) beschriebenen Vorgaben beachtet werden.
Technische Anlage im Internet:
www.aerzteblatt.de/plus1908
* Diese für den Bereich der ärztlichen Praxis entwickelten datenschutzrechtlichen Empfehlungen können auf den Bereich des Krankenhauses nicht uneingeschränkt übertragen werden, da der Bereich der Datenverarbeitung im Krankenhaus zum Teil durch besondere Landesdatenschutzgesetze geregelt ist und zudem die Organisationsabläufe in Krankenhäusern Modifikationen der hier entwickelten Grundsätze erfordern.
** Technische Anlage im Internet: www.aerzteblatt.de/plus1908
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