ArchivDeutsches Ärzteblatt25/2008Richtgrößen: Urteil wirft generelle Fragen auf

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Richtgrößen: Urteil wirft generelle Fragen auf

Schmid, Karsten

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LNSLNS Für das Sozialgericht München war eine Richtgrößen-Bekanntgabe unzulässig. Ob das Urteil Bestand haben wird, ist offen – doch es gibt wichtige Hinweise.

Richtgrößen für Arzneimittelverordnungen müssen ordnungsgemäß veröffentlicht werden. Eine rückwirkende Vereinbarung ist in der Regel unzulässig. Anderenfalls können Richtgrößen nicht als Grundlage eines Prüfverfahrens herangezogen werden. Zu diesem Urteil ist das Sozialgericht München gelangt (Az: S 38 KA 1231/06, vom 24.10.2007).

Es gab einem Arzt recht, der wegen eines Regresses geklagt hatte. Nach Auffassung der Richter war die zugrunde liegende Richtgrößenvereinbarung rechtswidrig, weil sie nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht und mit Rückwirkung für das angelaufene Kalenderjahr vereinbart worden war. In der Konsequenz war auch der den Regress aussprechende Bescheid aufzuheben.

Rundschreiben war für Ärzte nicht eindeutig
Ob das Urteil in den weiteren Instanzen Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Die Bedeutung der angesprochenen Rechtsfragen geht jedenfalls über den entschiedenen Fall hinaus. Richtgrößenvereinbarungen waren in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. So hatte das Bundessozialgericht mit Urteil vom 2. 11. 2005 (Az: B 6 KA 63/04 R) die für das Jahr 1998 in Berlin vorgenommene Richtgrößenprüfung aus ähnlichen Gründen für rechtswidrig erklärt. Die Richtgrößen seien zu spät vereinbart und bekannt gegeben worden.

Zum Hintergrund: Eine Richtgrößenprüfung setzt voraus, dass die zugrunde liegenden Richtgrößen ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sind. In welcher Form dies zu erfolgen hat, ist der Satzung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu entnehmen. Häufig ist danach die Veröffentlichung im KV-Blatt vorgesehen. In Betracht kommen aber auch andere Formen der Bekanntgabe, beispielsweise per Rundschreiben.

Inhaltlich müssen Richtgrößen insgesamt oder zumindest in ihren wesentlichen Teilen bekannt gemacht werden. In dem vom Sozialgericht München entschiedenen Fall hatte es deshalb an einer wirksamen Bekanntmachung gefehlt, weil den maßgeblichen Rundschreiben nicht hinreichend deutlich zu entnehmen war, dass es sich um eine Bekanntmachung der Richtgrößen handelte.

Darüber hinaus kommt die rückwirkende Vereinbarung von Richtgrößen nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich vor allem dann, wenn die „neuen“ Größen die Ärzte nicht schlechter stellen als vorherige. Im entschiedenen Fall waren die Richtgrößen für das Jahr 2002 erst im Mai 2002 bekannt gemacht worden. Nach Auffassung des Gerichts waren sie mit den „alten“ des Vorjahrs zudem nicht vergleichbar.

Für Ärztinnen und Ärzte bedeutet dies, dass sie im Fall einer Richtgrößenprüfung zu klären haben, ob dem Verfahren eine wirksame Vereinbarung zugrunde liegt. Unabhängig von diesen „formellen“ Einwänden gilt es im Richtgrößenprüfverfahren aber auch auf Praxisbesonderheiten einzugehen, die eine Überschreitung der jeweils geltenden Richtgrößen im Verordnungsbereich im Einzelfall rechtfertigen können.
RA Dr. jur. Karsten Schmid, Nürnberg

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