POLITIK
Arzneimittelwerbung in Praxis-EDV: Unabhängig verordnen


Immer wieder wurde in Medienberichten die Verquickung von Praxissoftware und Pharmasponsoring angeprangert: Arzneimittelhersteller bezuschussen die Arztsoftware, damit sie im Gegenzug ihre Werbung auf dem Bildschirm platzieren und das Verordnungsverhalten des Arztes, etwa durch die Präsentation von Trefferlisten bei Suchanfragen mit Cursorstellung auf dem eigenen Produkt oder die Navigation, beeinflussen können. Dem soll künftig ein Riegel vorgeschoben werden.
Ab dem 1. Juli 2008 dürfen Vertragsärzte nur noch Arzneimitteldatenbanken beziehungsweise Praxisprogramme mit Verordnungsmodulen einsetzen, die eine manipulationsfreie Verordnung gewährleisten und von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im Hinblick darauf zertifiziert worden sind. Die KBV hat mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen in den Bundesmantelverträgen eine Regelung hierzu getroffen sowie einen entsprechenden Anforderungskatalog an Datenbanken und Software für Vertragsarztpraxen vereinbart, den die Softwarehäuser bis zu dem genannten Termin umsetzen müssen (Kasten; Bekanntgabe in diesem Heft). Die gesetzliche Grundlage hierfür findet man in dem durch das Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz und das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz entsprechend modifizierten § 73 Abs. 8 Sozialgesetzbuch V.
Derzeit läuft das Zertifizierungsverfahren auf Hochtouren. „Wir gehen davon aus, den Zeitplan bis Ende Juni einhalten zu können“, meinte Dr. med. Carl-Heinz Müller, Vorstand der KBV, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Die Experten bei der KBV rechnen mit rund 80 Praxisprogrammen, die Arzneimittelmodule enthalten und daher das Prüfverfahren absolvieren müssen. Jede Prüfung für die Softwarehersteller benötigt einen Zeitaufwand von circa drei bis fünf Stunden. Das Verfahren ist auf den KBV-Webseiten öffentlich zugänglich. Auch die Zulassungsliste wird voraussichtlich Ende Juni dort abrufbar sein (www.kbv.de/ita). Alle drei Jahre muss das Zertifikat, das die Konformität der Software mit dem Anforderungskatalog bestätigt, neu erworben werden.
Manipulations-, nicht werbefrei
Die Softwarehersteller befürchten, dass aufgrund dieser neuen Anforderungen die Pharmaunternehmen ihre Werbung in der Praxissoftware einschränken werden, sodass in der Folge die Gebühren für die Softwarewartungsverträge ansteigen könnten. „Manipulationsfrei heißt aber nicht werbefrei“, betonte Müller. „Nach wie vor ist Werbung in der Software möglich. Nur Software, mit der manipuliert wird, ist verboten.“ Man habe die Umsetzung des Gesetzesauftrags bewusst ärztefreundlich geregelt. Wer allerdings ein nicht zertifiziertes System einsetzt, verletzt seine vertragsärztlichen Pflichten. „Das kann von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sanktioniert werden“, so der KBV-Vorstand.
Ein Softwarehaus, die Compugroup Holding AG, Koblenz, will die Rechtmäßigkeit der Umsetzungsvorschriften zur Arzneimittelwerbung gerichtlich anfechten: Wenn die Zertifizierung zur Pflicht werde, verlören die Ärzte wichtige Bestandteile der gewohnten elektronischen Abbildung ihrer täglichen Arbeitsprozesse, heißt es in einer Pressemitteilung dazu. Solch eine „Überregulierung“ schieße weit über das Ziel hinaus. Zusätzlich zum Antrag einer einstweiligen Anordnung auf Aussetzung des Zertifizierungsverfahrens hat das Unternehmen daher Klage beim Sozialgericht Berlin eingereicht. Die Entscheidungen stehen noch aus.
Möglich wäre immerhin, dass die Softwarehäuser künftig verstärkt werbefreie Programmversionen anbieten und die Nachfrage danach steigt. Um mehr Ärzte zu motivieren, auf ein werbefreies Produkt umzusteigen, gibt es außerdem die Idee, dies für die Eigenwerbung der Praxen nutzbar zu machen – etwa durch ein Siegel, das dies nach außen für den Patienten demonstriert.
Heike E. Krüger-Brand
Anforderungskatalog
Wesentliche Vorgaben:
- Die Arzneimittelstammdaten müssen aus einem vollständigen und regelmäßig aktualisierten pharmazeutischen Verzeichnis bestehen.
- Sofern Anbieter von Arztinformationssystemen freie Versionen ihrer Praxisverwaltungssysteme anbieten, muss ein Wechsel zwischen werbefreier und Werbung enthaltender Version möglich sein. Werbung ist nur in Form von Werbefenstern zulässig. Diese müssen für den Anwender als Werbung kenntlich sein und dürfen nicht irreführend als Informationsfenster dargestellt werden. Hinter einer Werbung darf keine Funktion hinterlegt sein, die zu einer Verordnung führt. Außerdem muss sichergestellt sein, dass der Anwender die Funktionalitäten der Praxissoftware auch bei Werbeeinblendungen uneingeschränkt nutzen und Werbehinweise generell durch eine einzige Aktion entfernen kann.
- Substitutionsvorschläge dürfen nicht hervorgehoben werden, das heißt, in der Ergebnisliste darf kein Präparat exponiert dargestellt werden. Auch dürfen keine Substitutionsvorschläge/Verordnungsvorschläge automatisiert durch die Software vorgegeben werden, sondern der verordnende Arzt muss die Verordnung beziehungsweise die Substitution selbst bestimmen.
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