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Ärzte in Krankenhausleitungen: Das Ticket zum Gipfel ist keine Garantie, oben anzukommen
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Immer mehr Krankenhäuser versuchen die Rahmenbedingungen für die medizinische Leistungserbringung zu verbessern beziehungsweise grundlegend neu zu gestalten. Manche bestellen für diese Aufgabe einen Medizinischen Vorstand oder Geschäftsführer, der zusammen mit einem kaufmännischen Kollegen das Krankenhaus leitet. Andere richten dafür die Funktion eines hauptamtlichen Ärztlichen Direktors ein, der an den alleinigen Geschäftsführer oder Verwaltungsdirektor berichtet, und die Dritten entscheiden sich für die Beibehaltung der bisherigen Praxis, wonach ein von den Chefärzten gewählter Kollege neben der Leitung seiner Fachklinik auch übergeordnete Aufgaben wahrnimmt.
Ein Medizinischer Vorstand hat seine Funktion nicht schon mit Stellenantritt oder nach 100 Tagen, sondern erst dann übernommen, wenn er seine Aufgabe tatsächlich meistert, also die Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit des Hauses dauerhaft stärkt. Dazu muss er zuerst ein gründliches Verständnis über das Krankenhauses im Innern und in seiner Beziehung zum Umfeld gewinnen. Daraufhin wird er Ziele und Strategien des Krankenhauses bedenken und bestimmen, für angemessene Strukturen und Betriebsabläufe sorgen, die richtigen Personen richtig einsetzen und Regeln und Normen Geltung verschaffen, die eine leistungsorientierte Kultur sichern. Dieser Prozess der Funktionsübernahme dauert eher 100 Wochen als 100 Tage. Ein Medizinischer Geschäftsführer: „Ich brauchte zwei Jahre, bis ich endlich fest im Sattel saß. Ich glaube nicht, dass ich es wesentlich schneller hätte schaffen können.“ Einige Ärzte beschreiben die Etablierungsphase als „Gratwanderung“, andere vergleichen sie mit einer „alpinistischen Erstbesteigung“. Ein erfahrener Medizinmanager kommentiert: „Man hat mit der Vertragsunterschrift zwar das Ticket, um den Gipfel zu erklimmen, aber keine Garantie, tatsächlich oben anzukommen.“
Varianten des Scheiterns
In der Tat gelingt es der Mehrzahl der Ärzte nach Stellenantritt nicht, sich an der Spitze zu etablieren. Dabei sind zwei Varianten des Scheiterns zu unterscheiden. Erstens: Mehr als ein Drittel der Mediziner kann sich zwar mit Mühe, oft jahrelang, auf der Position halten, aber kaum positiv wirken. Sie sind fast alle unzufrieden – mit sich selbst, mit ihren Leistungen und Resultaten und mit Schlüsselpersonen, von denen sie sich in wichtigen Aufgaben häufig nur halbherzig unterstützt, oft sogar behindert oder blockiert fühlen. Einige werden binnen Jahresfrist in ihrer Funktion entmachtet und auf einem Abstellgleis geparkt. Zweitens: Beim zweiten Drittel kommt es zur vorzeitigen Trennung. Meist folgt die Kündigung rasch, innerhalb der ersten zwölf Monate, entweder durch das Krankenhaus oder den Arzt selbst. Hin und wieder trennt man sich im Verlauf des zweiten Jahres. Sofern Nachfolger berufen werden, erleiden sie oft das gleiche Schicksal. Fehlgeschlagene Besetzungen waren in den letzten Jahren überall zu beobachten, in Krankenhäusern der Maximalversorgung wie in Spezialkrankenhäusern und Gesundheitszentren, sowohl bei öffentlichen als auch bei freigemeinnützigen und privaten Trägern.
Daraus folgt indes keineswegs, dass Ärzte ihren Führungsanspruch im Krankenhaus aufgeben und ganz den Kaufleuten überlassen müssen. Schließlich gelingt es immerhin einem knappen Drittel der in die Mitleitung eines Krankenhauses berufenen Ärzte, die neue Funktion erfolgreich zu übernehmen. Sie arbeiten mit Kollegen, Mitarbeitern, den Schlüsselpersonen und dem Aufsichtsgremium von Beginn an gut zusammen, erfassen die Spielregeln des Krankenhauses und bekommen ihr Ressort rasch in den Griff. Sie gewinnen in relativ kurzer Zeit Anerkennung, manchmal sogar Zuneigung. Das Wichtigste: Sie schaffen es, die Leistung und das Ergebnis des Krankenhauses maßgeblich positiv zu gestalten und belegen, dass medizinisches und ökonomisches Handeln als komplementäre Dimensionen und gleichwertige Antriebskräfte gelten, die täglich in Balance zu halten sind.
Gleichwohl berichten selbst die Erfolgreichen trotz meist sehr guter Vorbereitung im Rückblick von einem recht dornigen Weg mit zahlreichen Fallstricken und räumen ein, dass sie darüber oft gestolpert, hin und wieder sogar beinah gestürzt sind. Allerdings betonen sie auch, dass sich die Risiken eines Karrierewechsels, ebenso wie die einer komplexen Operation, deutlich reduzieren lassen, sofern man die Übernahme der Topposition wie diffizile medizinische Eingriffe als wohlüberlegten Prozess gestaltet. Dazu gehört es, die Schritte von der Karrierewahl bis zur Etablierung als Medizinischer Vorstand richtig zu ordnen, zu planen und umzusetzen sowie die verschiedenen Phasen des Prozesses genau zu kennen, um die Chancen zu nutzen und den Gefahren zu begegnen.
Der Autor dieses Textes hat in der letzten Dekade Ärzte auf die Übernahme von Toppositionen vorbereitet, Aufsichtsorgane bei der Suche, Auswahl und Etablierung Medizinischer Geschäftsführer unterstützt, und an vielen erfolgreichen und auch an einigen fehlgeschlagenen Verfahren mitgewirkt. Zudem hat er eine Reihe von Positionsübernahmen und Besetzungsverfahren aus der Nähe verfolgt und mehrere gescheiterte Besetzungen von Toppositionen in Krankenhäusern evaluiert.
Von anderen lernen
Auf den ersten Blick sind die Verläufe der einzelnen Übernahmeprozesse so verschieden wie die beteiligten Personen und die jeweiligen Konstellationen in den Krankenhäusern und Aufsichtsgremien. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Die im Minimum nötigen Schritte bei der Übernahme einer Topposition sind meist die gleichen. Auch lassen sich die kritischen Verhaltensweisen angeben und je Phase die leitende Grundannahme, das Teilziel sowie hilfreiche Praktiken beschreiben. Daraus folgt zwar kein Patentrezept, das man formelhaft auf alle Situationen anwenden kann, aber ein sehr brauchbarer genereller Leitfaden, mit dem man gewöhnlich ziemlich genau bestimmen kann, was in der konkreten Situation zu beachten und zu tun ist (siehe Internet-Hinweis unten).
Gute Chirurgen erstellen eine gründliche Diagnose statt einfach aufzuschneiden und danach zu überlegen, wie es weitergehen kann. Wenn sie sich für eine Operation entschieden haben, bereiten sie sich auf alle Eventualitäten vor und halten die nötigen Instrumente und Maßnahmen bereit. Dann werden sie die Aufgabe bewältigen und bei allenfalls auftretenden Überraschungen geschickt reagieren.
Gute Ärzte, die ihre berufliche Karriere im Krankenhausmanagement gestalten wollen, gehen analog vor. Sie schneiden nicht auf, sondern analysieren ihre Kompetenzen, Ziele und Motive und schätzen sich realistisch ein. Dazu holen sie auch eine qualifizierte zweite Meinung ein. Daneben befassen sie sich gründlich mit der Aufgabe im Topmanagement und diagnostizieren, ob diese zu ihrer Person passt. Im Einstellungsverfahren entscheiden sie überlegt, statt die erste sich bietende Position anzunehmen. Nach Vertragsunterschrift beginnen sie rasch, sich in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsgremium auf einen erfolgreichen Start vorzubereiten und schließlich die Aufgabe zu beherrschen. In jedem Schritt konzentrieren sie sich darauf, die Kernaufgaben zu bewältigen, produktive Arbeitsbeziehungen mit den relevanten Personen zu entwickeln und zu vertiefen sowie deren Unterstützung zu gewinnen. Und sie setzen alles daran, die eigenen persönlichen wie fachlichen Schwächen in Grenzen zu halten.
Natürlich kostet dies viel Energie und Zeit. Aber ein erfolgreicher Berufs- und Karrierewechsel ist ebenso wie eine gelungene Operation kein Zufallsprodukt, sondern Ergebnis eines rundum professionellen und umsichtigen Vorgehens.
Franz Trauth
E-Mail: Franz.trauth@transformatis.de
Mehr Tipps zur Übernahme einer Spitzenfunktion unter:
www.aerzteblatt.de/plus2508
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