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Gemeinsamer Bundesausschuss: Öffentliche Angelegenheit


Thomas Gerst Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik
Aus einem gelegentlich tagenden Ausschuss, dessen Geschäftsführung zunächst nebenher von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit erledigt wurde, hat sich inzwischen das zentrale Steuerungsinstrument in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entwickelt, das folgerichtig nach einigen Jahren im rheinischen Siegburg 2009 sein neues Domizil in der Hauptstadt Berlin beziehen wird. Die Bedeutung dieser Einrichtung ist jenseits der Fachöffentlichkeit inzwischen zumindest all denen bewusst, denen schon einmal Leistungen in der GKV mit Verweis auf Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses verweigert worden sind.
Die große Tragweite der Beschlüsse des G-BA mag einer der Gründe dafür gewesen sein, dass mit der letzten Gesundheitsreform das Prinzip der Vertraulichkeit der Beratungen im Bundesausschuss aufgegeben wurde und ab Juli 2008 die Sitzungen des Beschlussgremiums öffentlich sein werden. Alle Entscheidungen werden dann in einem einzigen sektorenübergreifend besetzten Beschlussgremium für sämtliche ambulante und stationäre Belange getroffen. Man kann gespannt sein, wie sich diese neue Öffentlichkeit in der gesundheitspolitischen Praxis auswirken wird. Hier mag die Verlockung groß sein, die Vertragspartner öffentlichkeitswirksam als sture Leistungsverweigerer oder als ausschließlich ihrer Klientel verpflichtete Interessenvertreter anzuprangern. Und auch für die Patientenvertreter ohne Stimmrecht stellt das Beschlussgremium in seiner neuen Gestalt sicherlich ein reizvolles Forum dar, mit dessen Hilfe der politische Druck auf den G-BA erhöht werden kann. Andererseits müsste es allen Beteiligten klar sein, dass das System der gemeinsamen Selbstverwaltung in der GKV solche öffentlich geführten Kontroversen auf Dauer nicht überstehen würde.
Es ist auch noch nicht abzusehen, wie sich der Umstand auswirken wird, dass künftig ein einziges, dreizehnköpfiges Gremium – zusammengesetzt aus Vertretern der Krankenkassen, Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser – sämtliche Entscheidungen zum GKV-Geschehen trifft. Skeptiker befürchten hier Absprachen und Abstimmungsverhalten unter sachfremden Erwägungen – mit Blick auf ein entsprechendes Entgegenkommen zum geeigneten Zeitpunkt. Es wird nicht zuletzt die Aufgabe des neuen und alten unparteiischen G-BA-Vorsitzenden Rainer Hess sein, nunmehr in hauptamtlicher Funktion solchen Entwicklungen entgegenzuwirken und gleichfalls dafür Sorge zu tragen, dass sich die Politik nicht in unzulässiger Weise in die Belange der Selbstverwaltung einmischt.
Diese Tendenz war in den vergangenen Jahren immer wieder spürbar, und bereits schon bisher hat Hess nachdrücklich dafür gestritten – auch auf dem Weg der gerichtlichen Klärung –, das Bundesministerium für Gesundheit auf die Rechtsaufsicht über die Entscheidungen des G-BA zu beschränken. Gleichwohl zollte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt dem „alten“ G-BA, der am 19. Juni zu seiner letzten Sitzung zusammentrat, ihren Respekt. Es sei nicht immer einfach gewesen, die verschiedenen Interessen im Ausschuss unter einen Hut zu bekommen. Dass es auch nicht immer ganz einfach war, abstruse Vorgaben der Politik, etwa zur Vorsorgepflicht, in einer für alle Beteiligten akzeptablen Weise umzusetzen – darüber verlor die Ministerin kein Wort.
Bertram, Mathias
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