ArchivDeutsches Ärzteblatt17/1997Arbeitsmarkt für Ärzte: Es wird enger

POLITIK: Leitartikel

Arbeitsmarkt für Ärzte: Es wird enger

Clade, Harald

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LNSLNS Die anhaltende konjunkturelle Talfahrt und die amtliche Kostendämpfungspolitik im Gesundheits- und Krankenhauswesen haben auch ihre Spuren auf dem Mediziner-Arbeitsmarkt hinterlassen: Erstmals ist die Zahl der zeitweilig oder dauerhaft beschäftigungslosen Ärztinnen und Ärzte, die in ihrem erlernten Beruf nicht arbeiten, im Januar 1997 auf rund 10 600 gestiegen. Gegenüber Oktober 1996 entspricht dies einer Zunahme um 19,6 Prozent. Im September 1995 lag die Zahl der beschäftigungslosen Ärzte noch bei 7 700, also eine Zunahme der aus dem Job-Rennen Geworfenen um 37,7 Prozent. Auch ein Rekord: Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte stieg per Ende 1996 auf 343 556.


Die Mediziner-Arbeitslosigkeit ist Realität und nicht Ausfluß von Zweckpessimismus und vagen Trendmeldungen. Allerdings ist die Quote der Ärztinnen und Ärzte unter 65 Jahren, die ohne ärztliche Tätigkeit sind oder berufsfremd arbeiten, mit 3,7 Prozent im Bundesdurchschnitt noch gering, sie schwankt aber von Ärztekammer zu Ärztekammer. Im Bereich der Landesärztekammer Hessen wurden vor Jahresfrist rund 7,5 Prozent arbeitslose Ärzte registriert, in anderen Bereichen sind es geringfügig weniger. Unter denjenigen, die nach Abschluß ihrer Tätigkeit die Pflichtphase als Arzt im Praktikum absolvieren, gaben rund sechs Prozent an, ohne Tätigkeit zu sein. Die Ermittlung der Dunkelziffer von ebenfalls arbeitslosen, aber nicht registrierten Ärztinnen und Ärzten wird dadurch erschwert, daß diejenigen, die ihren Beruf nicht ausüben, keiner Meldepflicht unterliegen.
Zwar ist die Situation auf dem Mediziner-Arbeitsmarkt zur Zeit noch nicht so dramatisch wie beispielsweise auf dem der Juristen, Lehrer, Journalisten oder freischaffenden Künstler. Bei der derzeitigen Konjunkturlage und den knappen öffentlichen Kassen und der klammen Finanzsituation der Sozialleistungsträger ist aber zu befürchten, daß sich die schlechte Lage bald angleichen wird. Von einem früher noch privilegierten und konjunkturunabhängigen Arbeitsplatz für Mediziner kann heute nicht mehr die Rede sein. Von der Dauerarbeitslosigkeit sind in den alten Bundesländern vor allem die Berufsanfänger und Hochschulabsolventen betroffen, in den neuen Ländern vor allem die Altersgruppe der über Fünfzigjährigen und die Ärztinnen.
Sicher schränkt die Finanzmisere in den öffentlichen Haushalten und insbesondere in der Gesetzlichen Krankenversicherung die Beschäftigungsmöglichkeiten in Praxis und Klinik und in den übrigen Einrichtungen des Gesundheitswesens weiter ein. Die Stellensuche vor allem im Krankenhaus wird schwieriger, weil oftmals nur befristete Verträge mit meist kurzer Vertragsdauer angeboten werden, weil für die Weiterbildung geeignete Stellen wegen der Bettenstillegung und Klinikschließungen entfallen, der Arbeitsdruck wächst und die Vergütungen für Berufsanfänger in den Kliniken nicht gerade rosig sind.


Bald Stellenpläne für Ärzte?
Wegen der unverändert restriktiven Bedarfsplanung, vieler gesperrter Niederlassungsbezirke (bereits 72 Prozent aller Regionen sind für Ärzte "dicht") und eines ab 1999 drohenden Niederlassungsstopps oder zumindest einer reglementierten Bedarfszulassung wird auch unter verschlechterten steuerlichen Bedingungen der Dauerarbeitsplatz für Ärzte in Selbständigkeit weiter unattraktiv. Dies unterstreicht auch eine andere Rechnung: Zur Zeit gibt es rund 85 000 Medizinstudenten und rund 9 800 Absolventen je Jahr, aber nur 36 000 Arbeitsplätze, die in den nächsten fünf bis zehn Jahren für Ärztinnen und Ärzte frei werden. Zudem konkurrieren immer mehr beati possidentes wegen der verschlechterten Niederlassungs-chancen um die Arbeitsplätze im Krankenhaus. Die Krankenhausträger sind zunehmend nur an Fachärzten interessiert, immer weniger aber an einer Spezialisierung der nachrückenden Berufsgeneration - schon gar nicht daran, ausreichend bezahlte Stellen zu schaffen und zu finanzieren. So stieg die Zahl der Fachärzte in den Krankenhäusern seit 1995 um 4 000, wohingegen es für Ärzte vor der Facharztanerkennung sowie Ärztinnen/Ärzte im Praktikum (AiP) 1 700 Stellen weniger gegeben hat. 1996 sank erstmals die Zahl der AiP um rund 830.
Die Ärztestruktur hat sich im übrigen in den letzten Jahren kaum verändert: Die Zahl der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte nahm im Jahr 1996 um 1,5 Prozent (1 711) auf 112 660 zu, die Zahl der Krankenhausärzte um zwei Prozent (2 605). Dies addiert sich zu einem Rekordstand in der Nachkriegsstatistik der Ärzte, die jetzt von der Bundesärztekammer fertiggestellt wurde: Per Ende 1996 waren mithin 343 556 Ärztinnen und Ärzte bei den Ärztekammern registriert (Vorjahr: 335 348). Dr. Harald Clade

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