ArchivDeutsches Ärzteblatt30/2008Gemeinsamer Bundesausschuss: Neue Ära eingeläutet

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Gemeinsamer Bundesausschuss: Neue Ära eingeläutet

Merten, Martina

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Rund 50 G-BA-Mitglieder treffen von nun an alle Entscheidungen an einem Tisch. Foto: G-BA/Svea Pietschmann
Rund 50 G-BA-Mitglieder treffen von nun an alle Entscheidungen an einem Tisch. Foto: G-BA/Svea Pietschmann
Das oberste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung hat erstmals öffentlich und in einer einzigen sektorübergreifenden Runde getagt. Eines der wesentlichen Elemente der letzten Gesundheitsreform ist damit umgesetzt.

Foto: dpa
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Auf dem Tisch vor Dr. Rainer Hess steht eine kleine Messingglocke. Bislang habe das Insigne aus den Zeiten seines Vorgängers – Karl Jung – eher symbolischen Charakter gehabt, betonte der G-BA-Vorsitzende während der ersten öffentlichen Sitzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) am 17. Juli in Berlin. Um Ruhe läuten musste er offenbar nie. Künftig könnte das gute Stück tatsächlich zum Einsatz kommen. Denn trotz der gelösten Stimmung, die unter den Sitzungsteilnehmern herrschte, werden sie eins nicht vermeiden können: Konflikte.

Der Gesetzgeber hat es so gewollt: Um die Professionalität des obersten Selbstverwaltungsgremiums zu erhöhen, muss der G-BA vom 1. Juli 2008 an in „strafferen Strukturen“ antreten. Aus vormals sechs verschiedenen, sektorspezifischen Beschlussgremien ist eins geworden. Alle Vertreter der Leistungserbringer- und der Krankenkassenseite sitzen künftig als „sektorübergreifendes Beschlussgremium“ an einem Tisch, gleichgültig, ob es um vertragsärztliche, stationäre oder um psychotherapeutische Belange geht. Insgesamt fünf Vertreter entsenden die Kassen(zahn)ärztliche Bundesvereinigung (KBV/KZBV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), weitere fünf kommen vom Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenkassen, nochmals fünf Vertreter von Patientenorganisationen. Darüber hinaus legte die Große Koalition fest, dass der Vorsitz des Gremiums künftig von einem hauptamtlichen Unparteiischen auszuüben ist. Auch die beiden weiteren unparteiischen Mitglieder können, müssen aber nicht, hauptamtlich tätig sein. Alle drei teilen sich zudem den Vorsitz sämtlicher Unterausschüsse – immerhin nicht wie bislang 23, sondern nur noch acht.

Wie das Ganze in der Praxis aussieht, davon konnte man sich am besagten 17. Juli einen Eindruck verschaffen. Der G-BA tagte nicht nur öffentlich, sondern auch in neuer Konstellation. Mit Blick auf die unterschiedlichen „Bänke“, die sich in den Räumen der KBV zu der konstituierenden Sitzung zusammengefunden hatten, sprach Hess von Konflikten, die nicht zu vermeiden seien. Schließlich hatten insbesondere die Leistungserbringer mehrfach im Vorfeld kritisiert, die neue Regelung werde sie „maximal schwächen“. Ein einziges Beschlussgremium über so spezielle Dinge wie Innovationszulassung und Qualitätssicherung entscheiden zu lassen, führe zu „sachfremden Entscheidungen“, hatte es beispielsweise aus der DKG geheißen.

Ob es tatsächlich so kommt, wird sich ab September dieses Jahres zeigen. Dann nämlich tagen erstmals die Unterausschüsse des G-BA, darunter der Ausschuss Qualitätssicherung. Umstritten war vor Inkrafttreten der Reform, ob die Abkehr von Einzelbestimmungen zur Qualitätssicherung hin zur einer sektorübergreifenden und einheitlichen Regelung Sinn macht. Hier müsse das Gremium zunächst „zu einer gemeinsamen Philosophie kommen“, betonte Dr. Josef Siebig, der als einer der zwei unparteiischen Mitglieder den Vorsitz der Ausschüsse Qualitätssicherung und sektorübergreifende Versorgung innehat. Die „Bänke“ müssten auch darüber diskutieren, wie viel Regelungsdichte und wie viel Patientensouveränität gewünscht werden.

Staatssekretär Dr. Theo Schröder sprach angesichts der neuen Struktur von „gestärkter Systemverantwortung“ und „mehr Transparenz“. Natürlich sei er sich bewusst, dass diese neue Transparenz eine gewisse „Umstellung“ für die Mitglieder des G-BA bedeute. Bei der ersten öffentlichen Sitzung hatten sich die Mitglieder jedenfalls nicht sonderlich umzustellen. Denn gemäß der neuen Geschäftsordnung (§ 10) kann der G-BA die Öffentlichkeit bei bestimmten Beratungen und Beschlussfassungen hinausbitten – was auch prompt nach einer Stunde geschah.

Hess bezeichnete die Sitzung im Anschluss vor der Presse als „gut“. Designierte Mitglieder und Vorsitzende seien bestätigt worden, die Geschäftsordnung habe man verabschiedet. Wie häufig die Glocke zum Einsatz gekommen war, sagte er nicht.
Martina Merten

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