POLITIK
Bedarfsplanung: Paradoxe Entwicklungen


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Die Bedarfsplanung ergab im Frühjahr 2008 ein uneinheitliches Bild. Die Zahl der offenen Planungsbereiche ist insgesamt deutlich von zehn auf acht Prozent zurückgegangen. Dabei hat sich bei elf Arztgruppen die Zahl der offenen Planungsbereiche verringert. Bei den fachärztlich tätigen Internisten gab es keine Veränderung. Bei Chirurgen, Dermatologen und Pädiatern hat sich die Zahl der offenen Planungsbereiche erhöht.
Die Entwicklung bei den Hausärzten verlief paradox. Einerseits hat sich zwar die Anzahl der offenen Planungsbereiche von 56 Prozent auf 53 Prozent vermindert. Das bedeutet, dass 210 von 395 Planungsbereichen niederlassungswilligen Hausärzten offenstehen. Damit sank die Zahl der Niederlassungsmöglichkeiten von 2 074 auf 2 031. Andererseits hat die Zahl der „überzähligen“ Ärztinnen und Ärzte, das sind diejenigen, die über der zulässigen Zahl an Ärzten im Planungsbereich zugelassen sind, von 860 im Jahr 2007 auf 813 abgenommen. Insgesamt ist die Zahl der Hausärzte im vergangenen Jahr gesunken. Bei gleichzeitig steigender Zahl der gesperrten Planungsbereiche bedeutet dies, dass niederlassungswillige Hausärzte in offene Planungsbereiche gehen, um sich dort niederzulassen, und gleichzeitig Hausärzte, die in gesperrten Planungsbereichen in den Ruhestand gehen, keinen Nachfolger finden. Auffällig ist, dass in so attraktiven Städten wie Köln, Frankfurt am Main, Dresden, Stuttgart, Düsseldorf und Potsdam Niederlassungsmöglichkeiten für Hausärzte existieren.
Wenig Sitze für Anästhesisten
Damit herrscht weiterhin weitgehende Niederlassungsfreiheit für Hausärzte, bei einer faktischen Niederlassungssperre für Fachärzte. Eine Ausnahme bilden die sehr guten Niederlassungsmöglichkeiten für ärztliche Psychotherapeuten. Für sie sieht das Gesetz (§ 101 Abs. 4 SGB V) eine Mindestquote von 40 Prozent vor, die allerdings Ende 2008 ausläuft. Daraus ergeben sich rechnerische Niederlassungsmöglichkeiten für 1 422 ärztliche Psychotherapeuten. Bei fast allen anderen Arztgruppen ist die Zahl der Niederlassungsmöglichkeiten dagegen gesunken – mit Ausnahme der Chirurgen und der Hautärzte.
In den vergangenen Jahren hatten die Anästhesisten noch vergleichsweise gute Chancen, sich niederzulassen. Dies gehört endgültig der Vergangenheit an: Die Zahl der offenen Planungsbereiche für diese Facharztgruppe ist in diesem Jahr nochmals gefallen, von acht auf fünf Prozent. Im Jahr 2004 lag der entsprechende Anteil noch bei 21 Prozent. Die Zulassungsmöglichkeiten der Augen-, Nerven-, Frauen-, HNO-, Haut- und Kinderärzte übersteigen mittlerweile die der Anästhesisten.
Ähnlich paradox wie bei den Hausärzten stellt sich die Situation bei den Nervenärzten dar. Im Sinne der Bedarfsplanung gehören zu dieser Gruppe Nervenärzte, Neurologen und Psychiater. Die Zahl der offenen Planungsbereiche und der Zulassungsmöglichkeiten ist gesunken, was eine steigende Zahl an Ärzten dieser Fachrichtung suggeriert. Tatsächlich stagniert deren Gesamtzahl allerdings.
Einerseits hat sich die Zahl der gesperrten Planungsbereiche erhöht, Andererseits hat gleichzeitig die Unterversorgung zugenommen. Mittlerweile gibt es im hausärztlichen Bereich 14 Planungsbereiche, für die insgesamt oder teilweise eine Unterversorgung festgestellt wurde. Fünf dieser Bereiche liegen in Brandenburg, fünf in Thüringen, zwei in Sachsen und je einer in Sachsen-Anhalt und in Niedersachsen. Aber auch im fachärztlichen Bereich gibt es bereits Lücken. Bei der Arztgruppe der Kinderärzte wurde für sechs Planungsbereiche eine Unterversorgung festgestellt, bei den Augenärzten waren es fünf und bei den Nervenärzten einer.
Die neuen Freiheiten für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz am 1. Januar 2007 geschaffen wurden, haben Anpassungen bei der Bedarfsplanungs-Richtlinie notwendig gemacht. Vertragsärzte, die sich seitdem für eine Teilzulassung entschieden haben, werden in der Bedarfsplanung nur mit dem Faktor 0,5 gezählt. Neu geschaffen wurde auch die Möglichkeit, Ärztinnen und Ärzte in nicht gesperrten Planungsbereichen in der vertragsärztlichen Praxis anzustellen, die keine Erklärung über eine Leistungsbeschränkung der Praxis erfordern. Diese angestellten Ärzte werden künftig bei der Feststellung des Versorgungsgrades berücksichtigt.
Eine weitere Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie betrifft angestellte Ärztinnen und Ärzte in Zweitpraxen. Wird ein angestellter Arzt in einer Zweitpraxis tätig, die innerhalb des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung liegt, in der der angestellte Vertragsarzt Mitglied ist, wird seine Arbeitszeit in der Zweitpraxis bedarfsplanerisch berücksichtigt. Ist ein angestellter Arzt in einer Zweitpraxis tätig, die außerhalb des Bezirks seiner Kassenärztlichen Vereinigung liegt, wird seine Tätigkeit im Planungsbereich der Zweitpraxis erfasst. Das gilt allerdings nur, wenn der angestellte Arzt ausschließlich in der Zweitpraxis tätig ist. Wird er sowohl in der Zweitpraxis als auch am Vertragsarztsitz tätig, wird seine Tätigkeit am Vertragsarztsitz bedarfsplanerisch erfasst.
Wer wird zuerst zugelassen?
Werden Zulassungsbeschränkungen aufgehoben, regelt die Bedarfsplanungs-Richtlinie, dass Ärzte, die Jobsharing betreiben, vor angestellten Ärzten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden. Die Reihenfolge für Zulassungen innerhalb der Gruppe der angestellten Ärzte wurde ebenfalls festgelegt. Danach erhält vorrangig der angestellte Arzt eine Zulassung, der am längsten in einer Vertragsarztpraxis tätig war.
Eine weitere Änderung betrifft die Sonderbedarfszulassungen. Zulassungen, die aufgrund eines qualitativen Sonderbedarfs erteilt werden, sind nun an den Ort der Niederlassung gebunden. Dabei wurde explizit festgelegt, dass auch Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aufgrund eines qualitativen Sonderbedarfs zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden können. Schließlich ist in der Bedarfsplanungs-Richtlinie nun geregelt, dass Vertragsärzte auch Psychotherapeuten einstellen dürfen.
Dr. rer. pol. Thomas Kopetsch
Zusätzliche Tabelle „Restliche Zulassungsmöglichkeiten für Ärzte“ unter www.aerzteblatt.de/plus3308
Tabelle
Sturm, Eckart
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