ArchivDeutsches Ärzteblatt33/2008Klinik- und Praxisorganisation: Führen durch Delegation

BERUF

Klinik- und Praxisorganisation: Führen durch Delegation

Kutscher, Patric P.

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LNSLNS Delegation kann die Leistungsbereitschaft des Teams erhöhen, den Arzt entlasten und zu einer Effizienzsteigerung in Klinik und Praxis führen.

Die Situation ist knifflig: Der junge Arzt war bis vor Kurzem selbst Delegationsempfänger, hat vielleicht jüngst darüber geklagt, dass wieder einmal unliebsame Aufgaben auf ihn abgewälzt worden sind. Nun kommt er in Klinik oder Praxis in eine verantwortliche Position – und soll delegieren, etwa an Pfleger oder Medizinische Fachangestellte. Viele Ärztinnen und Ärzte fühlen sich in dieser Lage überfordert, weil ihr Wissen im Bereich der Mitarbeiterführung überschaubar ist.

„Oft wird Delegation als bloße Übertragung von Aufgaben nach dem Motto ‚Mach du mal, ich habe keine Zeit‘ verstanden. Beim Delegationsempfänger entsteht der Eindruck, da will jemand eine unliebsame Aufgabe wegschieben“, sagt der Ulmer Gynäkologe Dr. med. Rüdiger Pfeiffer. Auch wird Delegation immer wieder gleichgesetzt mit Machtverlust oder Schwäche. Angetrieben von einem übertriebenen Drang zum Perfektionismus meinen viele Ärzte, alles selbst machen zu müssen.

Dabei ist Delegation ein wichtiges Instrument der Mitarbeiterführung und der Klinik- und Praxisorganisation. Denn sie ermöglicht
- Patientenorientierung und Arbeitsentlastung. Durch die Übertragung von Aufgaben gewinnt der Arzt mehr Zeit für das Wesentliche: das Patientengespräch und die Behandlung. Indem er Verwaltungs- und Organisationsaufgaben, aber auch Patientenberatungsgespräche überträgt, kann er sich intensiver um seine eigentliche „Berufung“ kümmern.

- Mitarbeitermotivation. Diejenigen, an die er Tätigkeiten delegiert, fühlen sich ernst genommen und empfinden es als einen Schritt der persönlichen Weiter- und Karriereentwicklung. Oft belohnen sie dies mit mehr Engagement. Delegation trägt so zur Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Teams bei und ist ein Instrument zur Verbesserung des Qualitätsmanagements.
- Mitarbeiterbindung. Delegation bezieht Mitarbeiter stärker in die Arbeitsprozesse ein und stärkt deren Identifikation mit Klinik oder Praxis.

Diese Delegationsvorteile kann der Arzt aber nur wahrnehmen, wenn er „richtig“ delegiert. Hierzu gibt es fünf Regeln:

Am wichtigsten ist die „AKV-Regel“: Der Arzt delegiert nicht nur die Aufgabe, sondern zugleich die zur Ausführung der Aufgabe notwendigen Kompetenzen – und letztlich auch die Verantwortung, die sich etwa für einen Pfleger mit der Aufgabe verbindet. Der Krankenpfleger weiß dadurch, dass es nicht um Kontrolle oder das Wegschieben lästiger Pflichten geht. Vielmehr traut ihm der Arzt zu, eine Aufgabe selbstständig und eigenverantwortlich zu bearbeiten. Erhält der Pfleger die notwendigen Kompetenzen und die Verantwortung, kann er entscheiden, wie er die übertragene Aufgabe erledigt.

Die zweite Grundregel lautet: Der Arzt muss überlegen, welche Aufgaben er übertragen kann. Dazu fertigt er eine Liste an und notiert die Aufgaben, die nur er erledigen kann, und die Tätigkeiten, die auch andere übernehmen können. Noch wichtiger ist die Frage, welche Mitarbeiter in der Lage sind, zusätzliche Aufgabengebiete zu übernehmen. Dabei spielen der Delegationsreifegrad und die Fähigkeiten eine Rolle. Nicht jede Schwester ist qualifiziert genug, zusätzliche Arbeiten zu erledigen – dann droht die Überforderung.

Die nächste Grundregel betrifft die Kontrollfunktion. Der Arzt prüft im Feedbackgespräch, ob die mit der Delegation verbundenen Zielsetzungen erreicht wurden. Fortschritte werden gelobt, Probleme diskutiert und offene Fragen angesprochen. Er erkundigt sich, wie etwa ein Pfleger vorankommt und ob er Hilfe benötigt. Allerdings: Solange die Dinge nicht aus dem Ruder laufen, sollte es dem Pfleger überlassen werden, Unterstützung anzufordern.

Die vierte Grundregel besagt: Alle Beteiligten müssen die Delegationsspielregeln und die konkrete Vorgehensweise kennen. Dies kann der Arzt in einem Gespräch mit denjenigen Mitarbeitern klären, bei denen er Delegationsbefugnis hat.

Die fünfte Grundregel betrifft das Delegationsgespräch. Hier kommen die sogenannten W-Aspekte zur Sprache, die helfen sollen, dass der Mitarbeiter den neuen Auftrag nachvollziehen kann. Die Übernahme der Aufgabe, Befugnisse und Verantwortung muss so eindeutig wie möglich kommuniziert werden: Was soll (zum Beispiel) die Schwester warum und wie und womit tun? Und bis wann? Welche Kompetenzen übernimmt sie, wie ist die Verantwortung geregelt? Welche Ziele und Ergebnisse sollen erreicht werden, welche Umsetzungsschritte und Kontrolltermine sind vorgesehen?

„Die AKV-Regel und das Delegationsgespräch“, meint Pfeiffer, „sind meiner Erfahrung nach die Garanten für ein erfolgreiches Delegieren. Management durch Delegation kann die Leistungsbereitschaft des Teams erhöhen, den Arzt entlasten und zu einer Effizienzsteigerung in Klinik und Praxis führen.“
Patric P. Kutscher
E-Mail: kontakt@rhetorikundstimme.de

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