POLITIK
Telematik im Gesundheitswesen: Klartext zur Karte
DÄ plus


Bundesgesundheitsministerin
Ulla Schmidt zeigt
sich als großer Fan
der Gesundheitskarte
– ganz im Gegensatz
zu den Ärzten, die
noch erheblichen
Klärungsbedarf sehen.
Foto: dpa
Seit dem diesjährigen Deutschen Ärztetag in Ulm ist es ruhig geworden um die elektronische Gesundheitskarte (eGK): Nichts Neues aus den sieben Testregionen; einige Krankenkassen haben damit begonnen, ihre Versicherten anzuschreiben, um Passfotos für die Erstellung der Chipkarten einzuholen. Mit dem Gebiet der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein hat sich zudem eine Region für den Basisrollout von Lesegeräten und Chipkarten gefunden. Business as usual also nach der Aufregung der vergangenen Monate?
Aus Sicht der Ärzte ist genau das nicht möglich: Die Ulmer Beschlüsse zur Telematik haben das große Misstrauen und die Vorbehalte vieler Ärzte gegenüber der Einführung der Gesundheitskarte offenbart. Trotz der Ablehnung der eGK „in der bisher vorgelegten Form“ hat sich die Ärzteschaft für den Einsatz von Telematik im Gesundheitswesen ausgesprochen und in einem Positionspapier hierzu Prüfsteine für den Ausbau einer sicheren elektronischen Kommunikation erarbeitet. Geändert hat sich dadurch im Fortgang des Projekts faktisch nichts.
Mit einem Schreiben an Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt geht die Bundesärztekammer (BÄK) daher jetzt in die Offensive und fordert das Ministerium dazu auf, sich mit den Forderungen der Ärzte auseinanderzusetzen. Dem Schreiben vom 30. Juli 2008 beigefügt wurde außerdem ein Forderungskatalog zum Telematikprojekt, der die Anforderungen der Ärzte auf der Grundlage der Beschlüsse des 111. Deutschen Ärztetages nochmals auf den Punkt bringt.
„Wir erwarten eine öffentliche und detaillierte Stellungnahme des Ministeriums zu unserem Forderungskatalog“, sagte BÄK-Präsident Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. Er befürchte, dass mangelnde Akzeptanz die Umsetzung des Konzepts elektronische Gesundheitskarte nachhaltig gefährde, wenn die Positionierung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nicht das ernsthafte Bemühen der Bundesregierung erkennen lasse, auf die Forderungen der Ärzteschaft zu diesem Projekt einzugehen, schreibt Hoppe in dem Brief. Ein abstrakter Verweis auf die Betreibergesellschaft Gematik (an der auch die BÄK als Gesellschafter beteiligt ist) und deren Entscheidungsprozesse ist aus Sicht der Bundesärztekammer dabei wenig hilfreich, weil „das Bundesministerium seit Erlassen der Rechtsverordnung vom 2. November 2005 das Projekt faktisch selbst steuert und somit verantwortet“, so Hoppe.
Konkrete Zusagen an die Ärzte vonseiten des BMG erwartet die BÄK vor allem hinsichtlich der geforderten Freiwilligkeit der Nutzung der neuen Funktionen der Gesundheitskarte, die über die Funktionen der derzeitigen Krankenversichertenkarte hinausgehen. Das gilt insbesondere für die Onlineanbindung von Arztpraxen und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Eine zentrale Speichersystematik soll durch technik- und ergebnisoffene Tests von Speichermedien in der Hand des Patienten, wie etwa USB-Datenträgern, als Alternative zu Zentralservern vermieden werden. Weit oben im 12-Punkte-Katalog rangiert auch die Forderung nach Beibehaltung des Papierrezepts als mögliche Alternative zum elektronischen Rezept, sodass es den Ärzten überlassen bleibt, ob und wann sie Letzteres nutzen.
Politik muss für Akzeptanz sorgen
Entschieden weist die BÄK die Auffassung des BMG zurück, dass es
vor allem Aufgabe der Organisationen der Ärzteschaft sei, für die bessere Akzeptanz der elektronischen Gesundheitskarte zu sorgen: „Es ist jetzt an der Bundesregierung, für mehr Vertrauen in ein Projekt zu sorgen, dessen kritische Wahrnehmung sich inzwischen immer weniger nur auf die Ärzteschaft beschränkt.“
So ist keineswegs gewiss, dass die Mehrheit der gesetzlich Krankenversicherten das Telematikprojekt weiterhin befürwortet, wie das zuletzt eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Spitzenverbände der Krankenkassen ergeben hat. Denn der Studie war auch zu entnehmen, dass die Informationsdefizite erheblich und die Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes groß sind (siehe auch den Beitrag „Versichertenbefragung zur Gesundheitskarte“ in dieser Ausgabe).
Heike E. Krüger-Brand
Forderungskatalog der Ärzteschaft zum eGK-Projekt:
www.aerzteblatt.de/plus3308
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