ArchivDeutsches Ärzteblatt33/2008Chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD viermal häufiger als vermutet

MEDIZINREPORT

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD viermal häufiger als vermutet

Vetter, Christine

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Das Spirometer misst elektronisch die Kraft, mit der ein- und ausgeatmet wird, sowie die Menge der geatmeten Luft pro Zeiteinheit. Foto: Klaus Rose/Okapia
Das Spirometer misst elektronisch die Kraft, mit der ein- und ausgeatmet wird, sowie die Menge der geatmeten Luft pro Zeiteinheit. Foto: Klaus Rose/Okapia
Nach einer internationalen Erhebung gehört die COPD zu den Erkrankungen mit den höchsten Zuwachsraten. Bei vielen Patienten wird die Diagnose erst spät gestellt.

Rund 14 Prozent der über 40-Jährigen leiden an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), bei den über 70-Jährigen sind es sogar 27 Prozent. Das sind die aktuellen Daten der BOLD-Studie (Burden of Obstructive Lung Disease), die Prof. Dr. med. Tobias Welte (Hannover) beim 49. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. in Lübeck präsentierte. Hierfür waren im Rahmen einer repräsentativen Stichprobe jeweils 300 Frauen und Männer in 35 Nationen befragt worden.

Geringere Lebenserwartung
Ziel war es nicht nur, Daten zur weltweiten Prävalenz der COPD und zu ihren Risikofaktoren zu erheben, sondern auch zur Belastung der Betroffenen, zu ihren Alltagsaktivitäten sowie zu den sozialen Implikationen und wirtschaftlichen Belastungen für das Gesundheitssystem. Darüber hinaus wurde bei allen Teilnehmern die Lungenfunktion per Spirometrie vor und nach Einnahme eines Bronchodilatators gemessen.

Die Ergebnisse aus zwölf Nationen (Australien, den USA, Philippinen, China, Südafrika sowie einigen europäischen Ländern; für Deutschland die Modellregion um Hannover) präsentierte Welte in Lübeck: Die Prävalenz der COPD ist mit den genannten Zahlen um etwa das Vierfache höher, als zuvor vermutet. Besonders erschreckend ist: „Die Hälfte der Patienten ist bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der COPD, zwei bis vier Prozent sind schwer erkrankt, und etwa jeder zweite Betroffene wusste nichts von seiner Lungenerkrankung“, erklärte der Pneumologe.

Deutschland weist mit einer Prävalenz von 14 Prozent neben Island dabei sogar die geringste COPD-Häufigkeit unter den zwölf ausgewerteten Nationen auf, wobei die Lungenfunktionseinschränkung mit dem Alter und mit dem Raucherstatus der Patienten korreliert. „Eine überraschend deutliche Abhängigkeit zeigte sich auch zu einem niedrigen sozialen Status“, sagte Welte.

Überproportional häufig von der COPD waren den aktuellen Daten zufolge die über 60-jährigen Männer betroffen. In dieser Gruppe sei die Prävalenz der Erkrankung weitaus höher als bei den Frauen, wohingegen sich die Prävalenzen bei den 30- bis 50-jährigen Männern und Frauen jedoch angeglichen hätten, was Welte auf die veränderten Rauchgewohnheiten jüngerer Frauen zurückführt.

Wie belastend die COPD ist, machte er daran deutlich, dass Schätzungen zufolge die mittlere Lebenserwartung um rund neun Jahre verkürzt ist. Auch die Belastungen für das Gesundheitswesen seien enorm, denn, so Welte, „die COPD gehört zu den teuersten Erkrankungen für die Gesundheitssysteme weltweit“.

Neuigkeiten bot der Kongress auch zum Thema Tuberkulose. Die Erkrankung ist nach Aussage von Dr. med. Barbara Hauer (Berlin) in Deutschland offenbar weiter auf dem Rückzug: So lag die Inzidenz mit 6,6/100 000 im Vorjahr bei etwa der Hälfte im Vergleich zu der vor zehn Jahren. Andererseits nimmt die Entwicklung von Resistenzen nach dem Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2008 weltweit dramatisch zu.

Als problematisch bezeichnete Hauer vor allem die Multi-Drug-Resistenzen (MDR), die inzwischen bei bis zu 4,2 Prozent der Patienten zu beobachten sind. „Besonders hoch sind die Resistenzraten bei Personen, die in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion geboren sind“, betonte Hauer. In diesem Personenkreis sei mit einer allgemeinen Resistenz von 34 Prozent und einer MDR von 16 Prozent zu rechnen.

Die Wissenschaftlerin berichtete ferner über das Auftreten noch weit komplexerer Resistenzformen, die als XDR-Tuberkulose, als „Extensively drug resistent“-Tuberkulose, bezeichnet werde. Eine XDR liegt vor, wenn zusätzlich zur MDR eine Resistenz gegen Fluorchinolone und mindestens gegen einen der Wirkstoffe Capreomycin, Kanamycin und Amikacin bestehe. Beschrieben ist darüberhinaus die XXDR-Tuberkulose, die „Extremely drug resistent“-Tuberkulose. Sie ist charakterisiert durch eine Resistenz gegen alle Erst- und Zweitlinienmedikamente zur Behandlung der Tuberkulose. Zumindest die XDR ist nach WHO-Angaben bereits ein weltweit zu beobachtendes Phänomen, wenngleich die Datenlage laut Hauer noch spärlich ist.
Christine Vetter

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