ArchivDeutsches Ärzteblatt33/2008Dr. Aleman: Vom Wert des Lebens
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Erfüllt von einer wilden Gier nach Leben stürzt sich der junge Deutsche in den kolumbianischen Alltag. Fotos: filmpresse meuser
Erfüllt von einer wilden Gier nach Leben stürzt sich der junge Deutsche in den kolumbianischen Alltag. Fotos: filmpresse meuser
Während eines praktischen Jahres in einem kolumbianischen Krankenhaus muss sich der Medizinstudent Marc entscheiden, wofür es sich im Leben zu kämpfen lohnt.

Wer auf Sicherheit aus ist, wird wahrscheinlich nicht nach Kolumbien reisen. Denn wenn man sich an den deutschen Nachrichten orientiert, ist das südamerikanische Land angefüllt mit Kidnappern und Drogenhändlern. Wen allerdings Sicherheit anödet, so könnte man meinen, der ist in Kolumbien gut aufgehoben. Den 26-jährigen Medizinstudenten Marc ödet die Rasenkantenschneidermentalität seiner deutschen Heimat an. So entschließt er sich, sein praktisches Jahr in einem Krankenhaus in Cali zu verbringen. Cali ist mit 2,4 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kolumbiens und deutschen Nachrichtenzuschauern vor allem durch das Cali-Kartell bekannt, ehedem ein Zusammenschluss von Kokainproduzenten, dem mehr als tausend Morde zur Last gelegt werden.

Fünf Minuten nach Beginn seiner ersten Schicht ist Marc bereits Teil der kolumbianischen Realität. Auf sich allein gestellt, soll er eine Patrone aus dem Brustkorb eines jungen Mannes entfernen. Nur mithilfe der erfahrenen Schwester und unter den Augen der allgegenwärtigen Jungfrau Maria gelingt es ihm, die starke Blutung zu stoppen und das Leben des Mannes zu retten. Marc trägt die Patrone fortan als Glücksbringer um den Hals. An einer Seite des Projektils ist der Buchstabe „J“ eingeritzt. Marc ist erfüllt von einer wilden Gier nach Leben. Betont furchtlos stürzt sich der junge Deutsche in den kolumbianischen Alltag, schlägt alle Warnungen seines ängstlichen Gastvaters in den Wind. Nach der Arbeit streift er durch die Armenviertel der Stadt. Marc freundet sich bald mit der Kioskbesitzerin Wanda an, kauft ihrem kleinen Bruder Kokain ab und spielt mit ihnen Fußball auf staubigen Sportplätzen. Doch bevor er es richtig versteht, wird aus seinem Abenteuer in der Fremde tödlicher Ernst und als ihn der mordende Gangleader „J“ in sein Refugium einlädt, muss Marc feststellen, dass es für ihn kein Zurück mehr gibt.

Mit „Dr. Alemán“ taucht der junge deutsche Regisseur Tom Schreiber tief in das Leben und den Rhythmus von Cali ein. Großartige Bilder lassen die Atmosphäre der kolumbianischen Metropole hautnah erleben. Schreiber gelingt es, die Lebensfreude und die Lebensängste der Menschen inmitten eines von Gewalttätigkeiten durchzogenen Alltags zu erspüren. Dabei entwirft er ein vielschichtiges Gesellschaftsbild.

Ungeschönt präsentiert der Film den deprimierenden Alltag in Marcs Krankenhaus.
Ungeschönt präsentiert der Film den deprimierenden Alltag in Marcs Krankenhaus.
Insbesondere in medizinethischer Hinsicht ist das mit dem deutschen Drehbuchpreis 2006 ausgezeichnete Script von Oliver Keidel bemerkenswert. Es präsentiert ungeschönt den deprimierenden Alltag in Marcs Krankenhaus. Die Frage nach dem Wert des menschlichen Lebens muss er dabei nicht nur für sich selbst, sondern vor allem als Arzt beantworten. Ist das Leben eines Berufskillers ebenso schützenswert wie das Leben einer schwangeren Frau und ihres ungeborenen Kindes? Darf er als Arzt überhaupt über eine solche Gewichtung nachdenken oder muss er ungeprüft jede Anordnung seines Vorgesetzten ausführen?

„Dr. Alemán“ ist ein rasant inszenierter Abenteuerfilm, dem es ebenso gelingt, die Atmosphäre einer kolumbianischen Großstadt wie die Gefühle der in ihr lebenden Menschen einzufangen. Anhand des von August Diehl gewohnt kompromisslos dargestellten Mediziners Marc wird der Zuschauer in diese fremde Welt hineingezogen. Der Film startet am 14. August in den deutschen Kinos.
Falk Osterloh

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