ArchivDeutsches Ärzteblatt33/2008Arzthaftungsprozess: Gutachten muss umfassend sein

RECHTSREPORT

Arzthaftungsprozess: Gutachten muss umfassend sein

Berner, Barbara

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LNSLNS In Arzthaftungsprozessen hat das Gericht zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts in der Regel Sachverständige einzuschalten. Dies schließt allerdings nicht aus, dass ein außerhalb des Rechtstreits erstelltes Gutachten, das etwa in einem anderen Verfahren verwendet wurde, grundsätzlich auch im Arzthaftungsprozess verwertet werden kann. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Nach seiner Rechtsprechung gilt dieser Grundsatz auch für medizinische Gutachten aus einem Verfahren vor einer Schlichtungsstelle oder Gutachterkommission. Allerdings muss der Richter ein gerichtliches Sachverständigengutachten dann einholen, wenn das vergleichbare Gutachten nicht alle Fragen beantwortet hat, wie im entschiedenen Fall.

Die Klägerin hatte sich eine Trümmerfraktur der linken Kniescheibe zugezogen. Sie wurde konservativ behandelt und leidet heute an einer Chondropathie dritten Grades in Form einer ausgeprägten Arthrose des linken Kniegelenks. Sie ist der Meinung, der betreffende Arzt habe die Stufenbildung der Frakturstücke übersehen. Die konventionelle Behandlung habe eine Ruhigstellung zunächst nicht gewährleisten können, weil keine geeignete Schiene zur Verfügung gestanden habe. Die Tage später eingetroffene Motorschiene habe nicht gesessen und keinen ausreichenden Halt geschaffen. Die Operation sei zudem verspätet und fehlerhaft vorgenommen worden. Infolge dieser unsachgemäßen Behandlung sei die Stelle am Knie verwachsen; außerdem seien weitere Operationen erforderlich geworden.

Der Sachverständige des im vorausgegangenen Schlichtungsverfahrens erstellten Gutachtens kam zu dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler nicht vorliege und die Behandlung sach- und fachgerecht erfolgte. Nach Auffassung des BGH hat es das Berufungsgericht aber versäumt, den Hinweis der Klägerin auf der Grundlage einer Stellungnahme eines Orthopäden nachzugehen, wonach eine sofortige Operation angezeigt gewesen wäre. Diesem Widerspruch hätte das Gericht aber nachgehen müssen, in-dem es ein gerichtliches Sachverständigengutachten einholt. Daher sei es verpflichtet, die Klage erneut zu prüfen. (Beschluss vom 6. Mai 2008, Az.: VI ZR 250/07) RA Barbara Berner

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