ArchivDeutsches Ärzteblatt36/2008Arzneimittel: Ärzte im Osten verschreiben mehr

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Arzneimittel: Ärzte im Osten verschreiben mehr

Rabbata, Samir

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LNSLNS Die Arzneimittelausgaben sind im vergangenen Jahr trotz zahlreicher Rabattvereinbarungen zwischen Kassen und Industrie deutlich gestiegen. Dies lag auch daran, dass Ärzte mehr Präparate verschrieben haben. Ob zu Recht oder nicht, ist umstritten.

Die Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel sind im vergangenen Jahr um rund 1,6 Milliarden Euro (6,4 Prozent) gestiegen. Insgesamt gaben die Kassen 28 Milliarden Euro für Fertigmedikamente und Impfstoffe aus. Das geht aus dem Arzneimittel-Atlas 2008 hervor. Nach der vom Berliner IGES-Institut im Auftrag des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) erstellten Studie sind die Ausgabensteigerungen vor allem auf hohe Verordnungsmengen und auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer zurückzuführen. So verschrieben Ärzte nach dem Arzneimittel-Atlas im vergangenen Jahr rund 35 Milliarden Tagesdosen (DDD), 5,8 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Kassen kritisieren methodische Mängel und Fehlinterpretationen in der Studie. IGES-Chef Bertram Häussler wies dies zurück. Er betonte, die Gründe für die gestiegenen Verordnungszahlen lägen in der verstärkten Morbidität der Bevölkerung. Insbesondere im Bereich der großen Volkskrankheiten sei mehr verordnet worden.

„Bei zahlreichen Krankheiten ist die Steigerung des Verbrauchs zu begrüßen, da sich die Versorgung der Patienten dadurch verbessert. So hat sich die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den vergangenen 40 Jahren mehr als halbiert. Die Versorgung mit Arzneimitteln hat dazu wesentlich beigetragen“, sagte Häussler.

Auch der regionale Vergleich (Grafik) zeigt, dass die gestiegenen Ausgaben mit erhöhten Verordnungsmengen zu erklären sind, für die medizinische Gründe ausschlaggebend sein können. So differieren die Medikamentenausgaben zwischen den Bundesländern stark. Vor allem Ärzte im Osten verschreiben mehr Medikamente. In Hamburg wurden beispielsweise jedem Versicherten im Durchschnitt 32 Tagesdosen Lipidsenker verschrieben, während es im benachbarten Mecklenburg-Vorpommern 52 waren. Die IGES-Wissenschaftler sehen die Ursache für die Verbrauchsunterschiede beim Übergewicht und bei der Arbeitslosigkeit. Die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sind deutlich häufiger arbeitslos und deutlich häufiger fettleibig. Beides begünstigt die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Unterschiede bei den Arzneimittelausgaben der Länder konstatiert auch die aktuelle Arzneimittel-Statistik der Krankenkassenverbände. Aus ihr geht außerdem hervor, dass die Preise für Medikamente zwischen den Bundesländern variieren. So kostete in Berlin eine verschriebene Arzneimittelpackung im Durchschnitt rund 53 Euro und damit 23 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Den niedrigsten Betrag je Packung verzeichnete Westfalen-Lippe mit rund 38 Euro.

In erster Linie sind die Preise für Generika im vergangenen Jahr gesunken. Nach dem Arzneimittel-Atlas führten Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Generikaherstellern 2007 zu Einsparungen von rund 330 Millionen Euro. Allerdings müssen von diesem Betrag reduzierte Zuzahlungen in Höhe von 90 Millionen Euro abgezogen werden.

Im laufenden Jahr könnten die Kassen jedoch deutlich mehr Geld mit Rabattvereinbarungen einsparen. So startete die AOK Anfang August eine neue Rabattrunde. Dabei schrieben die Ortskrankenkassen 64 Wirkstoffe europaweit aus. Diese Wirkstoffe erzielten im vergangenen Jahr ein Umsatzvolumen von zusammengenommen 2,3 Milliarden Euro. Doch werden die Kontrakte nichts daran ändern, dass die Kassen auch in diesem Jahr mehr Geld für Medikamente ausgeben müssen als im Vorjahr. Die Ausgaben für Arzneimittel sind nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände von Januar bis Juni 2008 um 5,4 Prozent gestiegen.
Samir Rabbata

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