MEDIZINREPORT
Onkologie: Praxisrelevante Studien vorgestellt


Kommt es unter Chemotherapie zur Tumorprogression, ist es in der onkologischen Fachwelt bisher üblich, das Karzinom mit einem anderen Regime zu bekämpfen. Inwiefern dieses Vorgehen auch auf eine Therapie mit Antikörpern zu übertragen und was bei Kombinationstherapien zu empfehlen ist, war bisher unklar. Eine während des 44. Treffens der amerikanischen Krebsgesellschaft (ASCO) in Chicago vorgestellte Studie fand deshalb große Aufmerksamkeit: Her2-positive Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom, das zuvor mit Trastuzumab mit oder ohne Kombination progredient geworden war, wurden entweder mit Capecitabine allein weiterbehandelt oder in Kombination mit Trastuzumab (1).
156 Patientinnen wurden randomisiert und in drei Zielparametern (Ansprechrate, Zeit bis zur Progression und Gesamtüberleben) verglichen. Hinsichtlich aller drei Zielparameter waren die Ergebnisse unter der Kombinationstherapie signifikant besser. Das bedeutet für die Praxis, dass Trastuzumab auch dann als Kombinationspartner beibehalten werden sollte, wenn die Krebserkrankung progredient ist.
Osteoanaboles Medikament reduziert Rückfallrisiko
Eine vierarmige Studie mit 1 803 Brustkrebspatientinnen hat ergeben, dass das Bisphosphonat Zoledronsäure, das eigentlich eingesetzt wird, um Knochenmetastasen zu therapieren, offensichtlich auch einen direkten Einfluss auf das Rückfallrisiko von Mammakarzinompatientinnen im Frühstadium hat, die endokrin behandelt werden (2). Die Patientinnen erhielten nach der Operation zunächst eine Ovarialsuppression mit Goserelin. Angeschlossen wurde eine antihormonelle Therapie mit entweder Tamoxifen oder Anastrozol. Zur Prävention von Knochenabbau bekamen die Patientinnen außerdem Zoledronsäure oder in den Vergleichsarmen nur Tamoxifen beziehungsweise den Aromatasehemmer. In den Zoledronsäure-Armen war das progressionsfreie Überleben signifikant verlängert – Hinweis auf eine Antitumorwirkung des Bisphosphonats, abgesehen vom Effekt der endokrinen Therapie allein.
Zum ersten Mal haben Forscher einen Zusammenhang zwischen einem Vitamin-D-Mangel und Brustkrebs festgestellt. Bei Frauen, die zum Zeitpunkt der Brustkrebsdiagnose einen Mangel an Vitamin D aufwiesen, kam es zu 94 Prozent wahrscheinlicher zu Metastasen als bei Frauen mit normalem Vitamin-D-Spiegel (3). Außerdem war das Mortalitätsrisiko um 73 Prozent erhöht. Mehr als ein Drittel (37,5 Prozent) der Frauen mit Brustkrebs wiesen Vitamin-D-Level auf, die als „defizient“ klassifiziert wurden (25-Hydroxy-Vitamin D < 50 nmol/l), die Level von weiteren 38,5 Prozent wurden als „nicht ausreichend“ klassifiziert (50 bis 72 nmol/l).
Die Frauen mit defizientem Vitamin-D-Level hatten auch aggressivere Tumoren. Nach zehn Jahren waren noch 83 Prozent der Frauen mit adäquatem Vitamin-D-Level (> 72 nmol/l) frei von Metastasen und 85 Prozent lebten noch im Vergleich zu 69 beziehungsweise 74 Prozent aus der Vergleichsgruppe mit „defizientem“ Vitamin-D-Level. Weitere Studien sollten folgen, bevor Empfehlungen ausgesprochen werden können.
Bei älteren, oft multimorbiden Patienten stellt sich im Hinblick auf eine zytostatische Behandlung nicht nur die Frage nach der Wirksamkeit, sondern auch nach der Sicherheit und Verträglichkeit einer Therapie. Das heißt, der Nutzen, den eine solche Therapie für den Patienten noch hat, muss sehr genau gegen die Toxizität abgewogen werden. Darüber hinaus müssen eventuelle Interaktionen bei einer Multimedikation in Betracht gezogen werden.
Bei der Behandlung von indolenten Lymphomen konnten in der letzten Zeit sowohl in Phase-II- als auch Phase-III-Studien vielversprechende Resultate der Therapie mit der Kombination Bendamustin plus Rituximab gezeigt werden – und das sowohl bei Patienten, die schon einen Rückfall unter einer vorherigen Therapie erlitten hatten, als auch bei solchen, die noch nie vorbehandelt waren. Es wurden Gesamtansprechraten von rund 90 Prozent beobachtet, bei denen es häufig auch zu kompletten Remissionen gekommen war. Da Patienten mit indolenten Lymphomen oft älter sind, stellte sich daraufhin die Frage nach der Effektivität und Sicherheit der Therapie in dieser Altersklasse.
In einer Zwischenanalyse der Untersuchung der Studiengruppe indolente Lymphome wurden nun die Ergebnisse für 33 Patienten vorgestellt (4). Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 79 Jahre. Sie wurden in vier Therapiezyklen alle vier Wochen jeweils mit 90 mg/m2 Bendamustin an den Tagen eins und zwei behandelt und erhielten insgesamt an sechs Therapietagen 375 mg/m2 Rituximab (zusätzlich zum Tag eins in den Therapiezyklen auch eine Woche vor Beginn des ersten und eine Woche nach Beendigung des letzten Therapiezyklus). Die Gesamtansprechrate betrug 91 Prozent, davon 30 Prozent komplette Remissionen. Hämatotoxizität war die Hauptnebenwirkung, zu Infektionen kam es aber nur in drei Fällen. Resümee der Forscher: Die Therapie ist auch in diesem Alter sehr nützlich und sicher – und damit angemessen.
Adjuvante Chemotherapie
Ältere Patienten sind in klinischen Studien unterrepräsentiert, und sie erhalten eher eine orale Therapie, um deren Lebensqualität zu verbessern. Es gibt kaum Studien, in denen der Effekt von adjuvanter Chemotherapie bei älteren Brustkrebspatientinnen untersucht wurde. In Chicago wurde nun eine Studie vorgestellt, die sich dieser Fragestellung widmete (5).
Brustkrebspatientinnen in einem frühen Stadium wurden postoperativ randomisiert und im ersten Arm entweder adjuvant mit sechs Zyklen CMF (Cyclophosphamid, Methotrexat, Fluorouracil) oder vier Zyklen AC (Doxorubicin, Cyclophosphamid) behandelt. Im zweiten Arm bestand die adjuvante Therapie aus sechs Zyklen Capecitabine.
Nach vier Jahren zeigte sich ein statistisch höchst signifikanter Vorteil für den CMF/AC-Arm im Hinblick auf die Rückfallrate (p = 0,0009). Außerdem starben im Capecitabine-Arm mehr Patientinnen. Die Forscher zogen daraus die Bilanz, dass bei älteren Patientinnen Capecitabine keine dem CMF- oder AC-Regime äquivalente adjuvante Therapie ist.
Ältere Patienten stehen oft unter einer Multimedikation, die ein besonderes Augenmerk auf mögliche Interaktionen erfordert. Es hat sich gezeigt, dass von älteren Patienten, die mehr als drei Medikamente für eine chronische Erkrankung einnehmen, innerhalb von sechs Wochen nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus 33 Prozent wieder hospitalisiert werden. Auch im Hinblick auf die Toxizität von Zytosta-tika ist es wichtig, eventuelle Interaktionen zu beachten.
Eine Studie mit 290 Patienten älter als 70 Jahre, die unter einer Polymedikation inklusive Zytostatika standen, untersuchte diese Zusammenhänge (6). Besondere Beachtung wurde eventuellen Wechselwirkungen mit Arzneimitteln geschenkt, die eine hohe Proteinbindung aufweisen (zum Beispiel Amlodipin, Celecoxib, Omeprazol) oder die ZytochromP-450-Enzyme hemmen (zum Beispiel Ketoconazol, Amiodaron).
Stufenweise wurden Regressionsanalysen durchgeführt, um Vorhersagen bezüglich einer erhöhten Grad-4-Hämatotoxizität (G4H) und einer erhöhten Grad-drei-bis-vier nicht-hämatologischen Toxizität (G3–4NH) vorhersagen zu können. Es zeigte sich, dass eine gleichzeitige Einnahme von Medikamenten mit hoher Eiweißbindung (> 50 Prozent) während der Chemotherapie zu erhöhter hämatologischer Toxizität führte (p = 0,003). P-450-Interaktionen und Patientencharakteristika führten dagegen besonders zu einer Steigerung der nicht hämatologischen Toxizität.
Als weitere Prädiktoren für eine erhöhte G3–4H wurden eine hohe Knochenmarkinvasion, hoher Body-Mass-Index, das Tumorstadium, niedriger Albuminspiegel während der Chemotherapie und hohe Leberenzymwerte vor Beginn der Chemotherapie festgestellt. Zur Vorhersage von Hämatotoxizität bei der Chemotherapie älterer Patienten sollte deshalb nach Ansicht der Forscher besonders achtgegeben werden auf Arzneimittel mit hoher Proteinbindung.
Erythropoese-Stimulation: Segen oder Fluch?
Arzneimittel, die die Erythopoese stimulieren (ESA), können die Notwendigkeit für Bluttransfusionen bei Patienten mit Anämie unter Chemotherapie reduzieren. Nach ihrer Einführung wurden sie breit eingesetzt, und in die Guidelines der ASCO wurde die Empfehlung aufgenommen, bei einem Hämoglobinspiegel unter 10 g/dl mit ESAs zu therapieren. Bei dem breitflächigen Einsatz begann man aber bereits ab 2003 festzustellen, dass es teilweise auch zu erheblichen Nebenwirkungen kam.
In klinischen Studien zeigte sich, dass es teilweise zu sehr schnellem Anstieg und sehr hohen Hämoglobinwerten kam, fatale Thromboembolien waren nicht selten. In einer Cochrane-Metaanalyse aus 57 randomisierten Studien mit 9 353 Patienten, die Epoetin-Alfa oder Darpoetin erhalten hatten, wurden zwar unter ESA seltener Bluttransfusionen benötigt, es gab jedoch einen Anstieg thromboembolischer Vorfälle und einen Trend zu kürzerem Gesamtüberleben.
Studien sind angelaufen, die untersuchen sollen, wie es dazu kommt. Möglicherweise nutzen die Zellen einiger Tumortypen das Erythropoetin-System selbst zum Wachstum und Überleben. Die Herausforderung für die Zukunft ist, zu prüfen, welche Patienten von der Therapie profitieren.
Dr. rer. nat. Annette Junker
Apothekerin für klinische
und onkologische Pharmazie
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit3608
1.
von Minckwitz G, Zielinski C, Kaufmann EM et al.: Capecitabine vs. capecitabine + trastuzumab in patients with HER2-positive metastatic breast cancer progressing during trastuzumab treatment: the TBP phase III study (GBG 26/BIG 3-05). Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 1025.
3.
Goodwin PJ, Ennis M, Pritchard KI et al.: Frequency of vitamin D (Vit D) deficiency at breast cancer (BC) diagnosis and association with risk of distant recurrence and death in a prospective cohort study of T1-3, N0-1, M0 BC. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 511.
4.
Rummel MJ, Heine K, Bodenstein H, Baldus M, Strauch M, von Gruenhagen U, Banat A, Kaiser U: Efficacy and safety of bendamsutine and rituximab in the treatment of indolent and mantle cell lymphomas in older patients. Universitätsklinik Giessen, Germany. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 8572.
5.
Muss HB, Berry DL, Cirrincione C et al.: Standard chemotherapy (CMF or AC) versus capecitabine in early-stage breast cancer (BC) patients aged 65 and older: Results of CALGB/CTSU 49907. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 507.
6.
Popa M, Wallace K, Brunello A et al.: The impact of polypharmacy on toxicity from chemotherapy in elderly patients: Focus on cytochrome P-450 inhibition and protein binding effects. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 9505.
Abbildung
Das Mammakarzinom ist das häufigste Malignom
bei Frauen. Mehr als die Hälfte der Tumoren
sind im oberen äußeren Quadranten lokalisiert.
Abbildung: picture-alliance/medicalpicture
1. | von Minckwitz G, Zielinski C, Kaufmann EM et al.: Capecitabine vs. capecitabine + trastuzumab in patients with HER2-positive metastatic breast cancer progressing during trastuzumab treatment: the TBP phase III study (GBG 26/BIG 3-05). Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 1025. |
2. | Gnant M, Mlineritsch B, Schippinger W et al.: Anti ovarian suppression combined with tamoxifen or anastrozole, alone or in combination with zoledronic acid, in premenopausal women with hormone-responsive, stage I and II breast cancer: First efficacy results from ABCSG-12. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr LBA4. |
3. | Goodwin PJ, Ennis M, Pritchard KI et al.: Frequency of vitamin D (Vit D) deficiency at breast cancer (BC) diagnosis and association with risk of distant recurrence and death in a prospective cohort study of T1-3, N0-1, M0 BC. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 511. |
4. | Rummel MJ, Heine K, Bodenstein H, Baldus M, Strauch M, von Gruenhagen U, Banat A, Kaiser U: Efficacy and safety of bendamsutine and rituximab in the treatment of indolent and mantle cell lymphomas in older patients. Universitätsklinik Giessen, Germany. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 8572. |
5. | Muss HB, Berry DL, Cirrincione C et al.: Standard chemotherapy (CMF or AC) versus capecitabine in early-stage breast cancer (BC) patients aged 65 and older: Results of CALGB/CTSU 49907. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 507. |
6. | Popa M, Wallace K, Brunello A et al.: The impact of polypharmacy on toxicity from chemotherapy in elderly patients: Focus on cytochrome P-450 inhibition and protein binding effects. Proceed Am Soc Clin Oncol 2008; abstr 9505. |