ArchivDeutsches Ärzteblatt36/2008Das Porträt: Dr. med. Timm Schlotfeldt, Gynäkologe und Unternehmer - der Arzt, der ein Krankenhaus kaufte

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Das Porträt: Dr. med. Timm Schlotfeldt, Gynäkologe und Unternehmer - der Arzt, der ein Krankenhaus kaufte

Hibbeler, Birgit

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Foto: Martin Zitzlaff
Foto: Martin Zitzlaff
Er rettete das Krankenhaus Jerusalem in Hamburg vor der Pleite: Dr. med. Timm Schlotfeldt ist gemeinsam mit zwei weiteren Ärzten und einem befreundeten Kaufmann neuer Betreiber der Belegklinik in Eimsbüttel.

Als Dr. med. Timm Schlotfeldt vor 53 Jahren im Hamburger Krankenhaus Jerusalem das Licht der Welt erblickte, da konnte noch niemand ahnen, dass er einmal Arzt werden würde. Eigentlich sah es nicht danach aus: Sein Vater war Grafiker, in seinem Elternhaus gingen Künstler wie Horst Janssen ein und aus. Und wohl niemand hätte damals gedacht, dass der kleine Timm eines Tages stolzer Besitzer des roten Backsteinhauses sein würde, in dem er gerade geboren wurde. Bis vor wenigen Monaten hätte auch Schlotfeldt das für einen Scherz gehalten. Doch dann ging es um die Existenz des Hauses, in dem der Gynäkologe arbeitete und das tief in den roten Zahlen steckte. Mit zwei Kollegen und einem befreundeten Kaufmann übernahm er die Belegklinik im Stadtteil Eimsbüttel vom bisherigen Träger, dem Diakoniewerk Jerusalem. Damit bewahrten sie die Einrichtung vor dem Aus.

Als Retter des Krankenhauses fühlt sich Schlotfeldt aber nicht – und irgendwie auch nicht so recht als Unternehmer. „De facto gehört das Haus der Bank“, sagt er. Auch in seinem Alltag habe sich gar nicht so viel geändert. Sein Geld verdiene er nach wie vor mit seiner Arbeit als Arzt. Für Buchhaltung und Bilanzen haben die vier Gesellschafter einen Geschäftsführer eingestellt. Allerdings gab es dann doch Momente, in denen sich Schlotfeldt seiner neuen Chefrolle bewusst wurde. Und die waren nicht immer einfach. „Fast alle Mitarbeiter sind geblieben, aber wir mussten auch einige entlassen, in erster Linie in der Verwaltung“, erinnert er sich. Mit dem Trägerwechsel im Herbst 2007 wurden 65 Arbeitsplätze gesichert. Mittlerweile schreibt das Krankenhaus Jerusalem sogar schwarze Zahlen. Und es geht weiter voran: In den kommenden Jahren soll investiert und ausgebaut werden.

Der Zusammenhalt in der Belegschaft sei gut, findet Schlotfeldt. „Manche Mitarbeiter würden für die Klinik durchs Feuer gehen.“ Das „Wir-Gefühl“ ist dabei für ihn keine graue Theorie: Einmal in der Woche packt er seine Gitarre aus, denn dann ist Bandprobe im Krankenhauskeller. Flache Hierarchien – das ist ein Grundsatz in dem „arztgeführten“ Krankenhaus.

Schlotfeldt ist niemand, der andere durch lautes Auftreten überzeugen muss. Seine Gesichtszüge sind weich, und die Krähenfüße in seinen Augenwinkeln verraten, dass er in seinem Leben viel gelacht hat. Respekt verschafft er sich durch die Art und Weise, wie er sich für Dinge einsetzt. Er hat eine genaue Vorstellung davon, wie er arbeiten will. Die strategische Ausrichtung des Krankenhauses bestimmen deshalb maßgeblich er und die anderen Gesellschafter. Schlotfeldt ist nicht der Revolutionär, der die Macht der Klinikketten brechen will, die sonst immer zur Stelle sind, wenn ein Krankenhaus pleite ist. Er will seine ärztliche Tätigkeit selbstbestimmt ausüben. Nicht mehr und nicht weniger.

Das Krankenhaus Jerusalem ist mit 85 Betten eine kleine Einrichtung. „Aber es ist ein echtes Traditionshaus“, sagt Schlotfeldt. Er hat zu der fast 100 Jahre alten Klinik nicht nur eine emotionale Bindung, weil er hier geboren wurde, sondern auch, weil er seit 1996 hier arbeitet. Damals gründete er mit zwei Kollegen das Mammazentrum. Mit rund 1 200 Eingriffen im Jahr ist es mittlerweile eines der größten Brustzentren in Deutschland. „Wir haben uns früh als Organzentrum ausgerichtet und glauben, dass darin die Zukunft liegt“, erläutert Schlotfeldt. Ein Teil seiner gynäkologischen Praxis in Harvestehude ist ins Krankenhaus ausgelagert. Neben dem Mammazentrum gibt es unter anderem Belegbetten in den Bereichen Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Orthopädie. 20 Belegärzte sind in der Einrichtung tätig.

Für Schlotfeld sind neben dem klaren medizinischen Profil auch die „weichen“ Faktoren entscheidend: Das Krankenhaus ist kein Großbetrieb und will keine anonyme Institution sein. Gerade für die Brustkrebspatientinnen sei es wichtig, dass sie sich nicht als Fälle fühlten, sagt der Tumorexperte. Diesen menschlichen Umgang mit den Kranken als unternehmerische Strategie zu bezeichnen, wäre aber wohl unpassend. Vielmehr ist es eine Haltung, die nicht aufgesetzt ist, sondern die Schlotfeldt als Arzt und Mensch verkörpert. Zu der familiären Atmosphäre trägt sicherlich auch das alte Gebäude mit seinen hohen Decken, großen Fenstern und hellen Räumen bei. Direkt neben dem Krankenhaus steht die Jerusalem-Kirche. „Manchmal hört man abends den Kirchenchor singen“, berichtet Schlotfeldt. Ein so entspanntes Umfeld tue den Patienten gut, davon ist er überzeugt.

Wenn man Schlotfeldt reden hört, so kommt einem der Gedanke, dass offenbar eben doch Ärzte am besten wissen, wie eine gute Patientenversorgung auszusehen hat – und nicht irgendwelche Unternehmensberater oder Manager. Ist also das „arztgeführte“ Krankenhaus ein Zukunftskonzept? „Es ist ein Modell, über das man nachdenken sollte“, findet Schlotfeldt. Der Gynäkologe weiß, wovon er spricht, denn bevor er sich in seiner Praxis niederließ, hatte er viele Jahre im Krankenhaus gearbeitet, zuletzt als Oberarzt im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Früher seien die Strukturen in den Krankenhäusern zu hierarchisch gewesen, die Chefärzte hätten vielfach machen können, was sie wollten. „Heute sagen die Betriebswirte, wo es langgeht“, kritisiert Schlotfeldt. Das sei ebenso falsch, denn die Umstrukturierungen in vielen Krankenhäuser gingen an den Ärzten völlig vorbei. Im Krankenhaus Jerusalem wird ein Grundsatz verwirklicht, der in vielen Kliniken kaum eine Rolle spielt, obwohl er eigentlich so simpel ist. Für Schlotfeldt ist er selbstverständlich: „Die Mitarbeiter und die Patienten müssen sich wohlfühlen.“
Dr. med. Birgit Hibbeler

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