

Die „Nationale Versorgungsleitlinie Chronische Koronare Herzkrankheit“ (Version 1.7, Dezember 2007) empfiehlt, dass „jeder Patient mit stabiler Angina pectoris über ein schnell wirkendes Nitrat zur Kupierung akuter Anfälle verfügen“ sollte. Grundlage der Empfehlung sind die Ergebnisse der Studie COURAGE*, in der untersucht wurde, ob eine perkutane koronare Intervention (PCI) zusätzlich zu einer optimalen medikamentösen Therapie die Rate an Todesfällen und Myokardinfarkten verringern kann. Nach durchschnittlich 4,6 Jahren hatte die Stentgruppe keine besseren Ergebnisse als die medikamentöse Gruppe. Damit ist die Behauptung widerlegt, die PCI samt Stentimplantation sei der konservativen medikamentösen Therapie überlegen (N Engl J Med 2007; 356(15): 1503–16).
An der Studie nahmen 2 287 Patienten mit angiografisch gesicherter chronischer stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) teil. Alle Patienten erhielten ASS in einer täglichen Dosierung zwischen 81 und 325 mg oder – im Fall einer ASS-Unverträglichkeit – 75 mg Clopidogrel. Die medikamentöse antiischämische Therapie in beiden Gruppen bestand aus lang wirksamem Metoprolol, Amlodipin und Isosorbidmononitrat, allein oder in Kombination. Außerdem wurde zur Sekundärprävention entweder Lisinopril oder Losartan gegeben.
Für alle Patienten zwingend war auch die aggressive Statintherapie mit Simvastatin allein oder in Kombination mit Ezetimib. Die LDL-Zielwerte lagen bei 60 bis 85 mg/dl. Nach Erreichen dieses Ziels sollte versucht werden, das HDL über 40 mg/dl anzuheben und die Triglyzeride unter 150 mg/dl zu senken, und zwar durch körperliches Training, retardierte Nikotinsäure oder Fibrate, jeweils allein oder in Kombination.
Nach durchschnittlich 4,6 Jahren waren in der PCI-Gruppe 211 primäre Endpunktereignisse aufgetreten (19 Prozent), in der Pharmakotherapiegruppe 202 (18,8 Prozent). Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, weder im primären Endpunkt noch in den sekundären Endpunkten. Man darf gespannt sein, wie sich die Ergebnisse der COURAGE-Studie hinsichtlich der Indikation für eine Stentimplantation von Patienten mit stabiler KHK in der Praxis auswirken werden.
Praktische Konsequenzen könnten auch folgende Daten haben: Nach fünf Jahren hatte in beiden Gruppen jeweils jeder vierte Patient nach wie vor Angina-pectoris-Anfälle und war zur Anfallskupierung weiterhin auf Nitroglyzerin-Präparate (beispielsweise Nitrolingual®) angewiesen. Nach Aussage von Dr. Klaus-Gerrit Gerdts (niedergelassener Facharzt für Allgemein- und Notfallmedizin sowie für Kinder- und Jugendmedizin in Cuxhaven) hat die COURAGE-Studie die weit verbreitete Annahme widerlegt, dass Patienten nach einer PCI keine Angina-pectoris-Anfälle mehr haben.
Gerdts machte darauf aufmerksam, dass viele Patienten nicht wüssten, dass sie die Akutnitrate nicht nur zur Anfallskupierung, sondern auch zur Anfallsprophylaxe anwenden könnten. Dabei wüssten die meisten Patienten, welche körperlich oder emotional belastenden Situationen bei ihnen einen Anfall auslösten, sie könnten einige Minuten vor solchen Belastungen ihr Nitroglyzerin-Präparat anwenden.
Wichtig sei es, die Patienten über die Möglichkeit der Prophylaxe aufzuklären und dabei nicht nur ans Treppensteigen oder Einkaufen, sondern auch an Situationen wie ein spannendes Fußballspiel im Fernsehen oder einen Zahnarztbesuch zu denken und auch ein Tabuthema, wie zum Beispiel Geschlechtsverkehr, anzusprechen.
Andrea Warpakowski
Pressekonferenz „Akut-Nitrate im Fokus der Prävention und Rehabilitation der KHK“ in Hamburg, Veranstalter: Pohl-Boskamp
* COURAGE = Clinical Outcomes Utilizing Revascularisation and AGressive Drug Evaluation