ArchivDÄ-TitelSupplement: PRAXiSSUPPLEMENT: PRAXiS 3/2008Einrichtungsübergreifende Patientenakten: Modell- und Problemvielfalt

SUPPLEMENT: PRAXiS

Einrichtungsübergreifende Patientenakten: Modell- und Problemvielfalt

Dtsch Arztebl 2008; 105(40): [6]

Krüger-Brand, Heike E.

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LNSLNS Zwei Beispiele für fortgeschrittene Projekte: die krankheitsbezogene Mammakarzinom-Patientenakte und die „prospeGKT-Akte“ im Rahmen der integrierten Versorgung

Komplex: Die einrichtungsübergreifende elektronische Dokumentation von medizinischen Informationen. Foto: laif
Komplex: Die einrichtungsübergreifende elektronische Dokumentation von medizinischen Informationen. Foto: laif
Für die elektronische Patientenakte (EPA) als digital gespeicherte Sammlung medizinischer Informationen zu einem Patienten innerhalb einer Institution gibt es inzwischen vielfältige Lösungen. Anders bei einrichtungsübergreifenden elektronischen Patientenakten: Hier sind eine Fülle von technischen, organisatorischen und rechtlichen Aufgaben zu lösen, bevor ein solches System praktisch genutzt werden kann. Hinzu kommt die Frage der Akzeptanz, denn einrichtungsübergreifende Akten greifen wesentlich in das Arzt-Patienten-Verhältnis ein und verändern die Kommunikation zwischen den am Behandlungsprozess Beteiligten. Einige Projekte und Ansätze wurden beim Fachkongress „IT-Trends Medizin“ in Essen vorgestellt.

Mamma-Akte: Präventiv- oder Nachsorgeakte
So berichtete Jürgen Riebling, Vita-X GmbH, vom Modellprojekt „Mamma-Akte NRW“, einer elektronischen Patientenakte, die die Behandlung von Brustkrebspatientinnen vereinfachen soll. Das Projekt hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: 2002 wurde es vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen als Studienakte initiiert, 2003 als Versorgungsprojekt unter der Projektkoordination der Fachhochschule Dortmund fortgeführt. Zunächst wurden die Daten über die Kommunikationsplattform der Kassenärztlichen Vereinigungen D2D übertragen, nach dem Ende der D2D-Beteiligung erfolgte dies über die VCS-Kommunikationsschnittstelle mittels einer Punkt-zu-Punkt-Datenübertragung. Die wesentlichen Hürden bei der Umsetzung der krankheitsbezogenen Akte waren – bedingt durch die für die Ärzte sehr aufwendige Dokumentation – die geringe Beteiligung der Arztpraxen und die fehlende Nutzungsfrequenz sowie die technische Instabilität bei der Datenübertragung.

Im Juli 2006 begann daher ein Neustart des Projekts auf Basis der arztgeführten elekronischen Vita-X-Patientenakte (www.vita-x.de). Mit der Vita-X-Chipkarte und einer persönlichen PIN berechtigt der Patient den behandelnden Arzt, seine Akte zu führen. Vita-X ist ein Tochterunternehmen der Compugroup Holding AG. Daher war die Interoperabilität durch entsprechende Schnittstellen zu den Compugroup-Systemen und eine einfache Datenübernahme gesichert. Vier gynäkologische und zwei radiologische Arztpraxen sowie die Alfried-Krupp-Klinik Essen beteiligten sich an dem Projekt. Aufgrund des zwischenzeitlich eingeführten bundesweiten Mammografie-Screening-Programms änderten sich jedoch die Rahmenbedingungen: Zusätzlich wurde das Screeningcenter Mülheim/Essen/Oberhausen in das Projekt integriert. Das Einschlusskriterium für eine Mamma-Akte ist jetzt ein gesicherter Karzinombefund. „Das bedeutet: Patientenakte und Chipkartenausgabe sind erst nach der Probenentnahme und dem gesicherten Befund möglich. Im Screeningcenter werden die Patientinnen über das Angebot, eine ,Nachsorgeakte’ durch ihren betreuenden Arzt führen zu lassen, informiert“, erläuterte Riebling. Das (allerdings nicht durch eine wissenschaftliche Studie begleitete) Ergebnis: Während sich zuvor 50 Prozent der angesprochenen Frauen direkt für eine EPA entschieden hatten, lehnen Frauen mit einem Karzinombefund in der Regel ein Gespräch zur Einrichtung/Weiterführung einer Akte nach Eröffnung des Positivbefunds ab. Die Empfehlung Rieblings lautet daher: Die Entscheidung für eine Akte sollte nicht erst im onkologischen Akutfall von den Patientinnen getroffen werden, sondern Gynäkologen sollen präventiv eine einrichtungsübergreifende EPA anlegen, um so die Akzeptanz der Betroffenen frühzeitig zu gewinnen.

Über die zentrale EPA im Prosper-Gesundheitsnetz Bottrop, einem regionalen Netz der integrierten Versorgung, berichtete Christian Bauer, Knappschaft (www.prosper-netz.de). Ziel von „prospeGKT“ ist die Realisierung einer sektorübergreifenden Telematikinfrastruktur zur Einrichtung und Nutzung einer zentralen EPA, orientiert an den technischen Vorgaben, die derzeit für die elektronische Gesundheitskarte entwickelt werden. Da Letztere noch nicht zur Verfügung steht, gibt die Knappschaft eigene elektronische Gesundheitskarten und Heilberufsausweise als Zugangsschlüssel zu den Patientendaten aus.

ProspeGKT“ – das Rundum-sorglos-Paket
Jeder niedergelassene Netzarzt und die Ärzte des teilnehmenden Knappschaftskrankenhauses in Bottrop erheben während der Behandlung ihrer Patienten sämtliche medizinische Daten über Diagnosen, Medikationen, Befunde und Labordaten und speichern diese – die Einwilligung der Patienten vorausgesetzt – strukturiert in zentralen Akten. Über diese erhält jeder eingeschriebene Prosper-Arzt während der Behandlung – ohne Medienbrüche und aufwendige Recherche – Einblick in alle wichtigen medizinischen Informationen zu seinen Patienten.

Genutzt wird dabei eine vom Internet unabhängige Kommunikationsplattform, das „Branchennetz Gesundheitswesen“ des technischen Partners T-Systems. Die Infrastruktur entspreche den Vorgaben, die für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und den Aufbau der künftigen Telematikinfrastruktur für das Gesundheitswesen gelten, erklärte Bauer. Auch würden die von der zuständigen Betriebsgesellschaft Gematik zugelassenen Komponenten (Kartenlesegeräte, Konnektoren) verwendet, sofern die Spezifikationen vorliegen. „Die technische Praxisausstattung wird den Ärzten komplett als ,Rundum-sorglos-Paket’ zur Verfügung gestellt“, sagte Bauer. Im Oktober 2008 wird die Akte im Echtbetrieb mit zunächst rund 1 000 Patienten gestartet, angestrebt sind 9 000 Teilnehmer. Darüber hinaus beteiligen sich 50 Ärzte, das Knappschaftskrankenhaus sowie zwei Praxissystemhersteller an dem Projekt. Heike E. Krüger-Brand

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