SUPPLEMENT: Reisemagazin

Namibia: Einsamkeit ohne Entbehrung

Dtsch Arztebl 2008; 105(41): [8]

Kubisch, Bernd

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LNSLNS Ideal für Afrika-Einsteiger – Namibia kommt ohne Stress und Massensafaris aus.

Der Unimog mit lärmenden Schulkindern auf der Ladefläche lässt eine lange Staubwolke hinter sich. Vier, fünf Paviane tauchen plötzlich zwischen Kameldornbäumen auf und flitzen über die breite Sandpiste. Uwe Schulze Neuhoff muss nicht bremsen. „Die Affen sind flink und intelligent“, sagt der Ingenieur, der aus der Nähe von Dortmund stammt und heute in Namibia zwischen Wüste und Naukluftmassiv eine Farm besitzt, deren Fläche so groß ist wie die Münchens. Warzenschwein, Oryx, Kudu und andere Antilopen rennen eher mal ins Auto. Touristen sollten deshalb sehr vorsichtig fahren. Der Deutsche ist ein besonders versierter Pisten- und Wüstenlenker, zu dessen Fahrschülern auch Mitarbeiter der Deutschen Botschaft im vier Autostunden entfernten Windhuk gehören. Geübt wird auf schwierigen Strecken der riesigen Ranch.

Wenig später wird auf der luftigen Veranda der „Ababis“-Farm das Abendessen serviert. 16 Urlauber zwischen sieben und 70 Jahren aus Deutschland, der Schweiz und Südafrika, alles Reisende mit Mietauto, sitzen an einem langen Tisch. Alle sieben Gästezimmer sind belegt. Gastgeber Uwe und Ehefrau Kathrin gesellen sich dazu. Köchin Veronika vom Volk der Nama hat Kürbissuppe, Königsberger Klopse vom Kudu und Feigen zubereitet. Sie spricht gut deutsch. „Das habe ich gern gelernt, einfach so, war nicht schwer“, sagt sie und lächelt.

Draußen spielen weiße, braune und schwarze Kinder. Nun drängeln sie. Alle wollen dem vier Monate alten Springböckchen „Susi“ den Nuckel der Milchflasche ins Maul schieben. „Immer langsam“, sagt die Ehefrau des Farmers. Dann erzählt sie, dass sich das niedliche Tier inzwischen auch mit den beiden stämmigen Haushunden angefreundet hat. „Susi hing vor wenigen Monaten kraftlos an einem unserer Zäune.“ Die kleine Antilope wird nun ohne leibliche Mutter groß.

Der Urlaub auf einer Ranch oder Jagdfarm in Namibia wird immer beliebter. Die Mischung aus Entspannung, Einsamkeit ohne Entbehrung sowie Abenteuer abseits großer Nationalparks und Luxuscamps hat ihre besonderen Reize. Fast jeder Viehfarmer in Namibia hat inzwischen den Fremdenverkehr als zweites Standbein entdeckt. Viele Gäste faulenzen zwischen Palmen und blühendem Hibiskus am Swimmingpool. Ausritte, Wanderungen zu Höhlen, Tierpirsch, Kontakte mit Einheimischen sowie Wüstenfahrten gehören zu den Aktivitäten.

„Naukluft Experience“: Farmer haben den Öko-Tourismus als zweites Standbein entdeckt. Fotos: Bernd Kubisch
„Naukluft Experience“: Farmer haben den Öko-Tourismus als zweites Standbein entdeckt.
Fotos: Bernd Kubisch
„Namibia ist ideal für Afrika-Einsteiger“, erzählt Ernst Sauber, der die Runde gerade begrüßt. „Das Land ist politisch stabil und relativ sicher. Straßen, Hotels und Lodges sind für afrikanische Verhältnisse gut, Landschaften und Tierwelt vielfältig und attraktiv.“ Der Chef der 40 Kilometer entfernten Nachbarfarm „Bülls- Port“ lebt hier in dritter Generation. Sein Großvater stammt aus Schleswig-Holstein. Zur Zeit der Kolonialherrschaft zog es viele aus ihrer alten Heimat ins damalige Deutsch-Südwestafrika.

Sauber ist Hauptinitiator einer kleinen Farmergruppe am Naukluft, die nachhaltigen Tourismus fördert und Einheimische ausbildet, zum Beispiel als Berg- und Naturführer. „BüllsPort“ ist eine der ältesten Farmen in Namibia und besonders bei Wanderern und Reitern beliebt. Dritte Farm im Bunde der sozial und ökologisch orientierten Initiative „Naukluft Experience“ ist „Blässkranz“, dessen Betreiber von Hessen ins Naukluftgebirge zog.

Gut zwei Autostunden sind es von Ababis bis zur nächsten Asphaltstraße, drei nach Swakopmund am Atlantik. Mancher Farmer donnert mit Tempo 130 auf geraden Abschnitten über die breite Sandpiste. Wer langsam fährt, kann Oryx, Kudu, Schakal und Großtrappe besser beobachten. Am Berghang sind ein paar gestreifte Flecken zu erkennen: Bergzebras, wie der Blick durchs Fernglas zeigt. Trotz karger Flora ist die Fauna recht üppig im zentralen Namibia – weit entfernt vom Etosha Park im Norden, der zu den tierreichsten Afrikas zählt. Weit und breit ist kein anderes Fahrzeug in Sicht, aber ein einsames Straßenschild mahnt: Höchstgeschwindigkeit ist 100.

Die Dünen, die einige Kilometer vor der Küste auftauchen, glänzen in der Sonne. Diesmal entpuppen sich ein dunkler und ein heller Punkt am goldgelben Hang als Sandsurfer. Unweit des Küstenorts Walvis Bay haben Natur und Mensch Großartiges geschaffen: Hunderte Flamingos wühlen mit dem Schnabel im Schlick und stolzieren durch die riesigen Lachen am Ufer des Atlantik. Am Horizont flimmern schneeweiße Berge. So wird das hier gewonnene Salz für die Verschiffung gelagert.

Wer für ein paar Tage deutsche Gemütlichkeit erleben will, ist im nahen Swakopmund gut aufgehoben. Die Stadt hat heute 40 000 Einwohner und war vor 100 Jahren ein wichtiger Ha-fen für Einwanderer aus Deutschland und für die Kolonialverwaltung. Die See ist rau, der Wind peitscht die Wellen. Saubere Straßen und schmucke Häuser prägen den Stadtkern.

Bratwurst, Geräuchertes und Sauerkraut munden Einheimischen und Touristen in der „Swakopmunder Fleischerei“ des deutsch-namibischen Paares Katja und Gero Düvel. Die beiden Metzgermeister sprechen mit ihren Kunden afrikaans, englisch und deutsch. Im nahen „Swakopmund Brauhaus“ fließen Bier und Korn. Die Kudu- und Rindersteaks sind saftig und groß. In der „Bacchus Taverne“ diskutieren Wirt Thomas Welte aus Villingen und Dr. Rüdiger Moisel aus Zittau, Arzt und Mitglied im Swakopmunder Männergesangverein, warum es in Deutschland so stressig und hektisch ist. Sie sind stolz auf ihre neue Heimat. Namibia gehört zu den politisch stabilsten Ländern in Afrika. „Aus Urlaubern werden Einwanderer“, sagt der Wirt lächelnd zu einem Gast aus Berlin.

Wer Bars und Kneipen erkunden will, in denen die Ärmeren trinken und palavern, muss an den Rand der Stadt, am besten mit einem Führer wie Raymond Inichab. Der Chef von „Hata Angu Cultural Tours“ spaziert mit Gästen aller Hautfarben und Nationen durch die Vorstadt Mondesa, besucht Kindergarten, Nama-Medizinmann, Hütten und Häuser von Herero, Damara und Ovambo sowie eine Gaststätte. Die Bewohner sind in die Organisation der Touren eingebunden. Raymond sagt: „Wer auch von sich erzählt, ist hier willkommen, kann problemlos fotografieren und filmen.“

Ein Highlight ist der Etosha Nationalpark im Norden des Landes. Hier sollten Autofahrer bei der Anfahrt schon lange vor den beiden Haupteingängen besonders vorsichtig sein. Großantilopen beäugen an vielen Stellen die Autos auf der Asphaltpiste. Zwischen hohen Dornenbüschen recken sich die Hälse zweier Giraffen. Der über 100 Jahre alte riesige Tierpark ist umzäunt. Aber auch seine Umgebung wirkt wie ein Freiluftzoo. Der Eingang ist in Sicht. Zuvor heißt es nochmals auf die Bremse treten. Eine Warzenschweinfamilie rennt über die Fahrbahn in Richtung eines Termitenhügels. Bernd Kubisch

Informationen:
Namibia Tourism, Schillerstraße 42–44, 60313 Frankfurt/M., Telefon: 0 69/1 33 73 60,
E-Mail: info@namibia-tourism.com, Internet: www.namibia-tourism.com.
Reise- und Sicherheitshinweise: www.auswaertiges-amt.de.
Gästefarmen: www.ababis-gaestefarm.de, www.buellsport.com,
www.naukluft-experience.com.
Township-Tour: http://user.web.com.na/hata-angu.

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