SUPPLEMENT: Reisemagazin

Südfrankreich: Stella küsst das Mittelmeer

Dtsch Arztebl 2008; 105(41): [16]

Seger, Gabriele

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LNSLNS Mit dem Flusskreuzfahrtschiff A-Rosa Stella von Lyon bis Port-Saint-Louis-du-Rhône

Foto: A-Rosa
Foto: A-Rosa
Rote Rose in üppigem Kussmund. So begrüßt die A-Rosa Stella ihre Gäste im Hafen von Lyon. Auch der Kapitän und seine Offiziere heißen zumindest die weiblichen Passagiere mit einer langstieligen dunkelroten Rose willkommen. Mit rund 50 Mitarbeitern sorgt die Mannschaft in den nächsten acht Tagen für das Wohl der 174 Touristen. Das Schiff legt ab, und mit dem Kussmund voraus beginnt die Reise Richtung Mittelmeer.

Die Rhône hat sich in den letzten Jahren zur Urlaubswasserstraße entwickelt. 16 Schiffe bieten hier Kreuzfahrten an, zwei davon – Stella und Luna – gehören zur A-Rosa-Flotte. Grund für den Boom ist jedoch weniger die vorbeiziehende Flusslandschaft, denn die ist nicht nur malerisch: Industrieanlagen und Kühltürme säumen mitunter die Ufer. Die Motive für eine Schiffstour auf der Rhône sind vielmehr, die komfortable Art zu reisen und die Kombination der Kreuzfahrt mit Ausflügen etwa in die Provence und in historische Städte wie Avignon oder Arles.

Am frühen Morgen erreicht die A-Rosa Stella das Mittelalterstädtchen Viviers. Die Abenteuerlustigen lockt heute eine Kajaktour. Vorbei an Lavendelfeldern und kleinen Dörfern biegt der Bus in die Panoramastraße Haute Corniche ein und gibt den Blick frei auf eine der imposantesten Schluchten Europas: die Gorges de l’Ardèche. Tief unten im Canyon tummeln sich die ersten bunten Boote. Laut hallen Manöverrufe von den Felswänden. Beim Kanu- und Kajakverleih Alpha Bateaux in Vallon Pont d’Arc erwartet Jean-Luc die A-Rosa-Gäste. Er wird die Tour begleiten. Mit Schwimmwesten und wasserdichten Tonnen ausgestattet besteigen die ungeübten Touristen die Kajaks. „Denkt dran,“ mahnt Jean-Luc nach einer knappen Einweisung, „Ihr seid der Herr und nicht das Wasser.“ Diese Einstellung scheint bei den meisten Paddlern zu funktionieren – bis kurz vor der letzten Stromschnelle am Felsbogen Pont d’Arc. Von dieser schwierigen Passage wissen auch viele Schaulustige.
Sonntag, 6. Juli 2008 Kajakfahrt auf der Ardèche Fotos: Gabriele Seger
Sonntag, 6. Juli 2008
Kajakfahrt auf der Ardèche
Fotos: Gabriele Seger
Mit Picknickkörben ausgestattet sitzen sie am Strand und beobachten, wie sich die Boote zwischen den Felsen durchs Wasser kämpfen. Jean-Luc hat sich mittlerweile auf einem großen Stein positioniert. „Mehr rechts, jetzt mehr links. Weiter paddeln!“, ruft er und schlägt immer wieder die Hände über dem Kopf zusammen. Sechs Kajaks schaffen es – irgendwie, das siebte kentert. „Vor 20 Jahren habe auch ich hier am Ufer gesessen und zugeschaut“, lacht eine Kölnerin und steuert stolz die letzten Meter durch den 45 Meter hohen und 60 Meter breiten Pont d’Arc. Die Gestrandeten hätten vielleicht doch lieber per Rad Viviers und Châteauneuf du Rhône erkundet oder die Stalagmiten in der Tropfsteinhöhle La Madeleine und ein Lavendelmuseum besichtigt. Dampfbad, Sauna und Massagen im Wellnessbereich belohnen jedoch während der Weiterfahrt der A-Rosa Stella für die Strapazen.

Von Lyon bis zum Mittelmeer muss das Flussschiff zwölf Schleusen passieren, die das natürliche Gefälle der Rhône von 167 Metern ausgleichen. Das Schiff vor der Schleuse zu stoppen, ist Aufgabe des sogenannten Bugstrahlruders. „Diese Aktion ist nicht unbedingt leise,“ erklärt der Maschinist, „denn immerhin müssen 30 000 Tonnen Gewicht zum Stehen gebracht werden.“ In den vorderen Decks der Rhôneschiffe liegen aus diesem Grund keine Kabinen. Ein spezieller Feuerschutz hält zusätzlich den Schall ab. Langsam gleitet die A-Rosa Stella in die nur zwölf Meter breite Schleuse. 23 Meter geht es in Bollène, der größten Schleuse, in die Tiefe. Die schwarz getünchten und mit Muscheln übersäten Wände sind zum Greifen nahe. Nach fast 30 Minuten öffnet sich das Schleusentor endlich und entlässt Stellas Kussmund aus dem Halbdunkel wieder ins Sonnenlicht.

Montag, 7. Juli 2008 Theaterfestival in Avignon
Montag, 7. Juli 2008
Theaterfestival in Avignon
In der Abenddämmerung erscheint inmitten der Rhône eine halbe Brücke und zwei Touristinnen stimmen sogleich das berühmte Lied an: Sur le Pont d’Avignon. Die mächtige Festung im Hintergrund erinnert daran, dass Avignon im 16. Jahrhundert Residenz vieler Päpste war. Doch in dieser lauen Sommernacht gilt das Interesse dem Treiben der Neuzeit: In Avignon findet gerade das international bekannte Theaterfestival statt. Jeder Baum, jede Häuserwand und jede Litfaßsäule kündet mit schillernden Plakaten von dem Spektakel, das die kommenden drei Wochen das Stadtbild prägen wird. In mittelalterlichen Gassen und auf Plätzen bestaunen Kinder und Erwachsene die Musikanten, Zauberkünstler und Akrobaten. Sogar in Innenhöfen sind kleine Bühnen errichtet. Vor dem Rathaus am Place de l’Horloge hat just eine Breakdance-Gruppe ihr Equipment aufgebaut: einen Gettoblaster. Die Filmmusik zu Titanic beginnt, und die Tänzer nehmen ihre Positionen ein. Aber kaum hat Leonardo Di Caprio die Taille von Kate Winslet umfasst, erklingen die ersten Töne des Titelsongs zu Rocky 3, und mehrere Sylvester Stallones wälzen sich am Boden und drehen sich auf dem Kopf. Die Choreografie erntet begeisterten Beifall und großzügige Spenden.

Avignon ist ein guter Ausgangspunkt, um am nächsten Tag Nîmes, Uzès oder eine der eindrucksvollsten römischen Hinterlassenschaften in Südfrankreich zu besuchen: die Pont du Gard. Fast 49 Meter erhebt sich der dreistöckige Aquädukt über dem Flüsschen Gardon. Auch hier sind viele Kanu- und Kajakfahrer unterwegs. In der Römerzeit versorgte die Pont du Gard als Teil einer 50 Kilometer langen Leitung die Stadt Nîmes mit Wasser. Mehr als 20 000 Kubikmeter konnte dieser Kanal pro Tag befördern. Heute sind es Touristen, die über die untere Arkadenreihe der Brücke von einem zum anderen Ufer gelangen – rund 1,2 Millionen jedes Jahr.

Zurück auf dem Schiff ist die Gelegenheit günstig, um sich am Pool von dem Trubel zu erholen. Wegen der niedrigen Brücken wird das Dach des Sonnendecks während der Fahrt eingeholt, und man kann das Bassin dann nicht nutzen. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, und die Kreuzfahrer genießen la vie en rose. Noch bis Mitternacht bleibt die Stella im Hafen von Avignon, und an diesem Abend verwöhnt der Koch die Gäste auf dem Oberdeck mit Barbecue. Punkt Zwölf ertönt die Schiffsglocke, und die Crew macht die Leinen los.

Dienstag, 8. Juli 2008 Jeeptour durch die Camargue
Dienstag, 8. Juli 2008
Jeeptour durch die Camargue
Kurz vor Arles teilt sich die Rhône. Der östliche Arm, die Grand Rhône, mündet bei Port-Saint-Louis-du-Rhône ins Mittelmeer; der westliche, Petit Rhône, reicht bis Les-Saintes-Maries-de-la-Mer. In das sumpfige Delta zwischen diesen beiden Flüssen – die Camargue – geht es am Vormittag mit dem Jeep. Die Tour führt durch Reisfelder, Lagunen und Salinen. Neben Wildpferden und Flamingos sind auch immer wieder große Stierherden zu sehen. „An den leicht nach oben gebogenen Hörnern,“ erklärt Pierre, zugleich Fahrer und Guide, „erkennt man die Stiere für die unblutigen Kämpfe. Bei den spanischen Stieren, die in der Arena getötet werden, zeigen die Hörner mehr nach unten.“ Einige Züchter in der Camargue haben sogar ihre eigenen kleinen Stierkampfarenen. Die großen Turniere finden jedoch auf imponierenden Schauplätzen wie etwa dem römischen Kolosseum in Arles statt. Früher verfolgten mehr als 25 000 Zuschauer hier Gladiatorenkämpfe und Tierhatzen. Heute strömt das Publikum zwei- bis dreimal im Jahr zu dem umstrittenen Spiel zwischen Torero und Stier. Der Jeep ist in Les-Saintes-Marie-de-la-Mer angekommen. Nur eine halbe Stunde bleibt, um den Ort zu besichtigen, am Strand zu flanieren oder gar ein Bad im Meer zu nehmen – in Arles wartet die Stella. Ausflüge nach Aix-en-Provence, Les Baux oder Saint-Remy stehen am Nachmittag noch auf dem Programm.

Auf der Grand Rhône legt das Schiff die letzten 40 Kilometer bis zur Hafenstadt Port-Saint-Louis-du-Rhône zurück. Von hier aus sind Abstecher nach Nizza und Monaco an der Côte d’Azur möglich, allerdings nur mit dem Bus, denn die A-Rosa-Schiffe sind nicht hochseetauglich. Stella wirft dem Mittelmeer noch einen Kuss zu und wendet zur Rückfahrt nach Lyon. Gabriele Seger


Informationen
Buchtipp: Ralf Nestmeyer: Südfrankreich. Michael-Müller-Verlag, 776 Seiten mit 85 Übersichtskarten und Plänen, 24,80 Euro.
Als Reisejournalist und Historiker verbindet Ralf Nestmeyer auf äußerst unterhaltsame Weise praktische Tipps mit spannenden Anekdoten. Von Lyon bis zum Mittelmeer im Osten und den Pyrenäen im Westen unternimmt der Leser eine Zeitreise und erfährt nicht nur, wo er in heutiger Zeit am besten essen und schlafen kann, sondern auch, wie es etwa die Römer damit hielten. Prall gefüllt mit Informationen über Unternehmungen in Stadt und Land kommen mit diesem Reiselesebuch sowohl Kulturtouristen als auch aktive Naturfreunde absolut auf ihre Kosten.
Veranstalter: A-Rosa Flussschiff GmbH, Friesenweg 2 b,
22763 Hamburg, www.a-rosa.de.

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