POLITIK
Energiesparen im Krankenhaus: Klimaschutz rechnet sich
DÄ plus


Viel Energie und
Geld gespart: Das
Klinikum Bremerhaven-
Reinkenheide
hat seinen CO2-
Ausstoß um mehr
als ein Viertel gesenkt
und gibt für
Strom und Heizung
jährlich 620 000
Euro weniger aus.
Foto: Klinikum Bremerhaven
Jürgen Breuer arbeitet im Verborgenen. Das, was er tut, fällt nur auf, wenn etwas kaputt ist. Zumindest kann sich der Technische Leiter des Klinikums Bremerhaven- Reinkenheide nicht daran erinnern, dass ihn je ein Arzt oder Pfleger gefragt hätte, ob alles mit den Warmwasser-Zirkulationspumpen in Ordnung ist. Groß wäre jedoch der Protest, wenn im neunten Stock plötzlich kein warmes Wasser mehr aus dem Hahn sprudelte.
Mittlerweile kennen sie ihn aber alle. Denn Breuer ist es zu verdanken, dass das Klinikum eine besondere Auszeichnung bekommen hat, die im Eingangsbereich an der Wand hängt: das Gütesiegel „Energie sparendes Krankenhaus“ des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Das Haus hat den Ausstoß an Kohlenstoffdioxid (CO2) um mehr als ein Viertel reduziert. Bei einem Maximalversorger mit 720 Betten kommt da einiges zusammen: 2 635 Tonnen weniger CO2 werden jedes Jahr in die Atmosphäre gepustet. Zum Vergleich: Auf das Konto eines durchschnittlichen Bundesbürgers gehen rund zehn Tonnen pro Jahr. Das Krankenhaus spart aber nicht nur klimaschädliche Gase, sondern viel Geld – und das, ohne auch nur einen einzigen Cent investiert zu haben. „Energieeinspar-Contracting“ nennt man dieses Prinzip. Der „Contractor“, in diesem Fall die Firma Siemens Building Technologies (SBT), hat die neuen technischen Anlagen eingebaut. Dafür zahlt das Krankenhaus nun über zwölf Jahre an das Unternehmen die eingesparten Energiekosten – 620 000 Euro jährlich. Von dem Contracting profitieren alle: SBT bekommt einen Großauftrag, das Klinikum saniert seine Anlagen, ohne dafür einen Millionenbetrag investieren zu müssen.
Das „Modell Bremerhaven“ käme für fast alle Krankenhäuser in Deutschland in Betracht. Denn Krankenhäuser sind Energiefresser: Intensivstationen, Operationssäle und Klimaanlagen haben einen hohen Verbrauch. Die technischen Anlagen sind vielerorts veraltet. Nach Angaben des BUND könnten alle Krankenhäuser in Deutschland jährlich sechs Millionen Tonnen CO2 einsparen – und 600 Millionen Euro Energiekosten. Der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zufolge machen die Ausgaben für Wasser, Energie und Brennstoffe durchschnittlich etwa sieben Prozent der Sachkosten eines Krankenhauses aus. Tendenz steigend.
Heizung und Klimaanlage modernisiert
Energiesparen im Krankenhaus – das heißt nicht in erster Linie, dass jeder Patient darauf achten muss, dass sein Fernseher nicht auf dem Stand-by-Modus steht. Hier geht es um ganz andere Dimensionen. „Der Löwenanteil der Einsparungen kommt schlicht durch die modernen technischen Anlagen“, sagt Breuer. Ein einfaches Beispiel: die Warmwasser-Zirkulationspumpen. Sie halten das Wasser in den Leitungen in Bewegung und sorgen so dafür, dass jederzeit überall im Haus warmes Wasser verfügbar ist. Die neuen Pumpen verbrauchen nicht mehr 57 kWh pro Tag, sondern nur noch drei. Außerdem kommt die neue Anlage mit sechs statt acht Pumpen aus. Zweites Beispiel: die Klimaanlage. Früher wurde die Luft von außen angesaugt, angewärmt und dann einfach wieder nach draußen geleitet. Heute gibt es eine Wärmerückgewinnung. Drittes Beispiel: Die Heizkreisregelung wurde erneuert. In bestimmten Gebäudebereichen wird die Temperatur außerhalb der Nutzungszeiten automatisch abgesenkt, also zum Beispiel nachts im Verwaltungstrakt. Bei der Raumheizung konnten durch diese und andere Maßnahmen 5 000 MWh eingespart werden. Das entspricht dem Verbrauch von 280 Einfamilienhäusern. Diese drei Beispiele gehören zu den 120 Einzelmaßnahmen, mit denen die Gebäudetechnik von Grund auf modernisiert wurde. An den genutzten Energiearten – Strom und Fernwärme – hat sich nichts geändert.
Das Klinikum Bremerhaven ist eines von 25 Krankenhäusern in Deutschland, die mit dem BUND-Gütesiegel ausgezeichnet worden sind. Gemessen an der Zahl von rund 2 100 Krankenhäusern in Deutschland ist das nicht gerade viel. Ein Grund dafür dürfte sein, dass viele Häuser das Siegel noch nicht kennen. Andere wiederum sparen zwar Energie, scheitern aber an den Kriterien – unter anderem einer Energieersparnis von mindestens 25 Prozent oder bereits ein geringer Verbrauch. Doch Annegret Dickhoff, Ansprechpartnerin für das Gütesiegel beim BUND Berlin, weiß auch: „Es gibt immer noch viele Krankenhäuser, für die Energiesparen überhaupt kein Thema ist.“ Dabei könnten die Einrichtungen mit einem Contracting ohne finanzielles Risiko ihre Anlagen und das Gebäude modernisieren. Aber auch einfache Maßnahmen haben eine Wirkung. Schließlich kostet es nichts, wenn jemand das Fenster schließt, während der Heizkörper auf Hochtouren läuft. Durch „gering investive Maßnahmen“, wie Mitarbeiterschulungen, könne ein Krankenhaus bis zu 15 Prozent des Energieverbrauchs einsparen, sagt Dickhoff.
Auch in Bremerhaven hat es solche Schulungen gegeben, neben den vielen technischen Neuerungen. Unterstützt und beraten wurde das Krankenhaus vom Bremer Energie- Konsens, einer gemeinnützigen Energie-Agentur. Zustande kam das Projekt aber vor allem durch die gute Zusammenarbeit zwischen technischer Abteilung und Geschäftsführung. In Bremerhaven sind die Techniker nicht „die Leute im Keller“. Das, was sie sagen, hat Gewicht. „Unsere technischen Anlagen waren völlig veraltet“, erläutert Breuer. Somit habe sich die Frage gestellt, ob man durch kleine Investitionen die Anlagen notdürftig am Laufen halten oder komplett modernisieren solle.
Kein finanzielles Risiko
Das Modell des Energieeinspar-Contractings hat die Entscheidung leicht gemacht. „Eine klassische Kreditfinanzierung wäre für uns nicht infrage gekommen“, berichtet der kaufmännische Geschäftsführer Holger Richter. Er freut sich nicht nur über die enormen Einsparungen, sondern auch darüber, dass die Technik auf dem neuesten Stand ist. „Wir schlafen alle besser, weil wir nicht mehr mit der Sorge leben, dass plötzlich die komplette Heizanlage kaputt ist.“
Dass die Kompetenzen der technischen Abteilung in Bremerhaven genutzt werden, zahlt sich aus.
Mittlerweile zeichnet sich sogar ab, dass noch mehr gespart wird, als zunächst gedacht, und zwar etwa 30 Prozent der Kosten. Hinzu kommt noch die „vermiedene Kostensteigerung“. Denn während sich die Preise für Strom und Heizung noch stärker erhöhten als erwartet, hat das Klinikum den Verbrauch gesenkt. „Je mehr die Energiepreise steigen, desto mehr profitieren wir“, so Richter. Und es geht weiter: Im kommenden Jahr bekommt das Gebäude eine neue Außenfassade und damit eine bessere Wärmedämmung.
Auch für die DKG ist Energiesparen nach eigenen Angaben ein wichtiges Thema, nicht zuletzt wegen der angespannten Finanzlage vieler Häuser. Allerdings räumt DKG-Sprecher Holger Mages ein, es gebe vielerorts noch Nachholbedarf. Doch die Krankenhäuser werden sich spätestens im kommenden Jahr mit dem Thema Energie befassen müssen. Denn im Oktober 2007 ist die novellierte Energieeinsparverordnung (EnEV) in Kraft getreten. Laut EnEV müssen ab dem 1. Juli 2009 auch bereits bestehende „Nichtwohngebäude“ bei einer Nutzfläche von mehr als 1 000 Quadratmetern, in denen „öffentliche Dienstleistungen“ stattfinden, einen Energiepass haben und ihn der Öffentlichkeit zugänglich machen. Das bedeutet: Krankenhäuser müssen künftig ihren Energiepass an einer gut sichtbaren Stelle aushängen.
In Bremerhaven ist der Energieverbrauch etwas, das man den Besuchern gern mitteilt. Der Umwelt- und Klimaschutz steigert zweifelsohne das Ansehen des Klinikums. Aus der Sicht von Geschäftsführer Richter ist es wichtig, dass Krankenhäuser nicht nur in Bezug auf Gesundheit und Patientenversorgung, sondern auch bei anderen Lebensthemen „ein freundliches Gesicht“ zeigen. Diese Ansicht teilt DKG-Sprecher Mages: „Das ist eine wirksame Imagepflege, die sich auch aus ökonomischer Sicht auszahlt.“
Dr. med. Birgit Hibbeler
Rickes, Steffen
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