ArchivDeutsches Ärzteblatt41/2008Aut-idem-Substitutionen: Mehrkosten statt Einsparungen

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Aut-idem-Substitutionen: Mehrkosten statt Einsparungen

Meißner, Marc

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Muster einer Arzneimittelverordnung: Bleibt das Autidem- Feld leer, kann der Apotheker das Medikament substituieren. Foto:AOK
Muster einer Arzneimittelverordnung: Bleibt das Autidem- Feld leer, kann der Apotheker das Medikament substituieren. Foto:AOK
Wissenschaftler der Hochschule Niederrhein analysierten anhand der Verordnungen im Bereich der KV Nordrhein den Effekt von „aut idem“ auf die Arzneimittelausgaben. Die Studie zeigt, dass eher teurere als günstigere Präparate ausgegeben werden.

Die gesetzlichen Krankenkassen wenden derzeit 18,2 Prozent ihrer Ausgaben für Medikamente auf. Um diese Kosten zu senken, gibts es seit 2002 die Aut-idem-Regelung. Sie verpflichtet die Apotheker bei verschreibungspflichtigen Medikamenten zur möglichst wirtschaftlichen Arzneimittelausgabe. Solange der Arzt die Substitution nicht ausdrücklich ausschließt, kann der Apotheker das verschrieben Präparat durch eine der drei preisgünstigsten Alternativen ersetzen. Wirkstoffstärke, Packungsgröße und Darreichungsform müssen identisch sein. Prof. Dr. med. Benno Neukirch und Kirsten Liedemann, Hochschule Niederrhein in Krefeld/Mönchengladbach, untersuchten anhand der Verschreibungsdaten der AOK im Bereich der Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein im Jahr 2006 das Substitutionsverhalten der Apotheker. Sie konnten zeigen, dass ein verschriebenes Medikament nur selten durch ein anderes ersetzt wird und wenn, dann meist durch gleich teure oder sogar teurere Produkte.

Die Wissenschaftler analysierten 1 200 Verordnungen der sechs umsatzstärksten verschreibungspflichtigen, patentfreien Wirkstoffe, die eine hohe Auswahl an Generika aufweisen und eine Aut-idem-Substitution zuließen. Bei mehr als 80 Prozent der untersuchten Rezepte hätte das verordnete Medikament durch ein preiswerteres ersetzt werden können. Tatsächlich substituiert wurden allerdings lediglich 8,71 Prozent. Doch nicht nur die Anzahl der Substitutionen ist gering – bei weniger als einem Viertel der Verordnungen wurde gegen ein günstigeres Produkt getauscht. Ansonsten ersetzten die Apotheker das verschriebene Medikament durch ein gleich teures oder teureres, obwohl der „Rahmenvertrag über Arzneimittelverordnung“ ausschließlich eine Substitution durch ein günstigeres Arzneimittel erlaubt.

Ausgetauscht wurden ausschließlich Generika. Kein patentfreies Originalmedikament wurde substituiert. Tatsächlich waren mehr als 50 Prozent der Austauschpräparate Produkte der drei größten Generikahersteller in Deutschland. Dies lässt vermuten, dass Naturalrabatte, bei der Auswahl von Substitutionspräparaten entscheidender waren als die Vorgaben des Rahmenvertrags.

Statt zu der erwünschten Ersparnis führte die Aut-idem-Substitution bei den untersuchten Verschreibungen zu Mehrkosten von 11,96 Euro. Bezieht man diesen Wert auf sämtliche Verordnungen der sechs untersuchten Wirkstoffe, die zulasten der gesetzlichen Krankenkassen im Bereich KV Nordrhein im Jahr 2006 abgerechnet wurden, ergeben sich zusätzliche Ausgaben von fast 60 000 Euro.

Dabei könnte man mit „aut idem“ durchaus sparen. Wie die Studie der Hochschule Nordrhein zeigt, wären anstelle der knapp zwölf Euro höheren Ausgaben je nach Preisstufe der Arzneimittel Einsparungen zwischen 3 100 und 3 500 Euro möglich. Bezogen auf sämtliche Verordnungen der untersuchten Wirkstoffe hätten 2006 in Bereich KV Nordrhein knapp 14 Millionen Euro, bei Medikamenten der niedrigsten Preisstufe sogar über 15,6 Millionen, eingespart werden können. Dies entspricht 7,7 bis 8,6 Prozent des gesamten Arzneimittelumsatzes.

Seit im April 2007 die Aut-idem-Regelung auch auf Zielpreisvereinbarungen und Rabattverträge der Krankenkassen ausgeweitet wurde, könnten die Arzneimittelkosten noch mehr gesenkt werden. Für die sechs untersuchten Substanzen würde je nach Präparat ein Rabatt von drei bis 18,5 Prozent ausreichen, damit der Abgabepreis des Medikaments unter die durchschnittlichen Kosten eines entsprechenden Präparats aus der niedrigsten Preisstufe fällt.
Marc Meißner

Die vollständige Studie im Internet:
www.aerzteblatt.de/plus4108

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