ArchivDeutsches Ärzteblatt41/2008Hartnäckige Helferin: Dr. med. Monika Hauser, Gynäkologin und Gründerin der Organisation „Medica mondiale“

POLITIK: Porträt

Hartnäckige Helferin: Dr. med. Monika Hauser, Gynäkologin und Gründerin der Organisation „Medica mondiale“

Hibbeler, Birgit

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Im Einsatz für Frauen, die keine Lobby haben: Monika Hauser erhält den „Right Livelihood Award“ – besser bekannt als Alternativer Nobelpreis – und rund 50 000 Euro für ihre Hilfsprojekte. Foto: dpa
Im Einsatz für Frauen, die keine Lobby haben: Monika Hauser erhält den „Right Livelihood Award“ – besser bekannt als Alternativer Nobelpreis – und rund 50 000 Euro für ihre Hilfsprojekte. Foto: dpa
Seit vielen Jahren kämpft Monika Hauser gegen Vergewaltigungen von Frauen in Kriegsgebieten. Mit ihrer Organisation „Medica mondiale“ hilft sie den Opfern und prangert die Taten als Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen an. Dafür erhält sie nun den Alternativen Nobelpreis.

Pausenlos klingelt das Telefon, seitdem die Meldung über die Nachrichtenticker läuft: „Kölner Ärztin erhält Alternativen Nobelpreis.“ Die Mitarbeiterinnen der Hilfsorganisation „Medica mondiale“ haben alle Hände voll zu tun, um die Presseanfragen zu beantworten. 50 Interviews für Zeitungen, Funk und Fernsehen wird Dr. med. Monika Hauser (49) allein an diesem Tag geben. Doch von Müdigkeit keine Spur: „Ich nutze das gezielt und gerne, wenn die Medien mal hinhören“, sagt sie. Tatsächlich schafft es das Anliegen von Medica mondiale sonst nie unter die Top Ten der Nachrichten. Die Vergewaltigung von Frauen in Kriegs- und Krisengebieten ist ein allgegenwärtiges Problem, aber weit weg von deutschen Wohnzimmern und außerdem noch immer ein Tabuthema. Trotzdem kämpft Hauser auch 15 Jahre nach Gründung von Medica mondiale mit vollem Einsatz für die Opfer und prangert die Täter an.

Alles beginnt an einem kalten Novembertag 1992. Hauser liest einen Artikel über den Balkankrieg, genauer gesagt einen Beitrag im „Stern“ über Massenvergewaltigungen bosnischer Frauen. Vermutlich lesen Tausende Menschen in Deutschland diesen Bericht. Sie sind betroffen, blättern dann jedoch irgendwann weiter durchs Heft und werfen die Zeitschrift schließlich ins Altpapier. Für die junge Ärztin aber ändert der Artikel alles. Sie ist schockiert – einerseits über die reißerische Aufmachung des Texts, andererseits über die Tatsache, dass die Vergewaltigungen nicht zufällig geschehen, sondern systematisch. Ihr wird klar: Die sexuelle Gewalt ist kein „Kollateralschaden“ des Krieges. Es handelt sich um eine gezielte Strategie.

Die damals 33-jährige Fachärztin für Gynäkologie weiß um die Folgen von Vergewaltigungen für Körper und Psyche. Für sie steht sofort fest, dass sie helfen muss – und zwar vor Ort. „Ein Frauenprojekt in Bosnien? Haben Sie noch alle Tassen im Schrank?“, fragt sie damals ein deutscher Diplomat. Doch Hauser packt dennoch ihre Koffer – sicherlich in einer gewissen Naivität. Alles scheint zu passen, denn kurz zuvor hat sie ihre Stelle als Klinikärztin in Essen gekündigt, um ins Ausland zu gehen. Sie ist ein internationaler Mensch: Als Kind Südtiroler Eltern wächst sie in der Schweiz auf, studiert in Österreich. Sie hat einen italienischen Pass, lebt aber seit 1983 in Deutschland.

Hauser kommt überall zurecht, so scheint es. In der bosnischen Stadt Zenica schafft sie das, was niemand für möglich hält: Sie eröffnet ein Therapiezentrum für vergewaltigte Frauen und Mädchen. Ein Jahr später gründet sie mit Medica mondiale eine Hilfsorganisation, die mittlerweile weltweit aktiv ist: unter anderem in Afghanistan, im Kosovo, in Liberia und im Kongo. Der Ansatz der Arbeit ist ganzheitlich: Die Opfer erhalten medizinische, psychosoziale und juristische Hilfe. Außerdem hat Medica mondiale keinen rein karitativen Anspruch, sondern auch einen feministischen. Hauser geht es darum, dass die sexuelle Gewalt als Menschenrechtsverletzung und Kriegsverbrechen anerkannt wird. „Wir haben gemerkt, dass diese Frauen überhaupt keine Lobby haben“, sagt sie. Deshalb versucht Medica mondiale, auf die Verantwortlichen in der Politik einzuwirken.

Der Alternative Nobelpreis und das Medieninteresse werden Hauser bei ihrer Arbeit helfen. Das heißt aber nicht, dass die Ärztin jede Auszeichnung annimmt: Als Bundes-präsident Roman Herzog ihr 1996 das Bundesverdienstkreuz verleihen wollte, lehnte sie ab. Damit protestierte sie gegen den Beschluss der Innenministerkonferenz, bosnische Flüchtlinge abzuschieben. Monika Hauser ist eben eine Frau mit Grundsätzen. Dr. med. Birgit Hibbeler

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