

Ohne Einschränkung soll hier der Ansatz einer schulenübergreifenden Darstellung des störungsspezifischen Wissens gewürdigt werden. Das hierbei erreichte Volumen des Werks dokumentiert den zwischenzeitlich erreichten Kenntnisstand in den einzelnen psychotherapeutischen Verfahren. Auch scheint die Einbettung in übergreifende Fragestellungen in dem Lehrbuch sehr gelungen – ethische Fragen oder ein Kapitel zu Fehlentwicklungen in der Psychotherapie seien hier als Beispiel genannt.
Insgesamt fällt auf, dass dennoch wichtige Bereiche der Psychotherapie in dem Lehrbuch nicht enthalten sind. Zur Psychotherapie bei Menschen mit chronischen körperlichen Erkrankungen findet man auch beim Kapitel über Komorbiditäten keinen Hinweis, ebenso sucht man vergeblich nach Therapieansätzen bei sexuellen Störungen. Des Weiteren wurde versäumt, die einzelnen therapeutischen Techniken stärker aufeinander zu beziehen – meist werden der Beschreibung verhaltenstherapeutischer Ansätze die psychodynamischen Ansätze gegenübergestellt, wobei die eigentliche Störungsspezifität oft nur schwer erkennbar ist. Humanistische oder systemische Ansätze kommen in diesem Buch eindeutig zu kurz. Dass auch schematherapeutische Überlegungen keinen Eingang in die Darstellung gefunden haben, zeigt, dass das Bemühen um das Auffinden von Bindegliedern zwischen den Grundorientierungen noch zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten hat.
Ein wissenschaftliches Werk, das Anerkennung für das Bemühen verdient, zumindest zwei große therapeutische Grundorientierungen in einem gemeinsamen Buch, wenn auch weitgehend wissenschaftlich, darzustellen, das aber auch aufzeigt, wie viel Wegstrecke in Bezug auf das Ziel einer allgemeinen Psychotherapie noch vor uns liegt. Michael Broda
Sabine C. Herpertz, Franz Caspar, Christoph Mundt (Hrsg.): Störungsorientierte Psychotherapie. Urban & Fischer, Elsevier GmbH, 2008, 782 Seiten, gebunden, 120 Euro
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