ArchivDeutsches Ärzteblatt43/2008Weiterbildung: „Vermeintlich objektive Kriterien können täuschen“

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Weiterbildung: „Vermeintlich objektive Kriterien können täuschen“

Wyrwich, Werner

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LNSLNS Erneut informiert ein zweitägiger Kongress des Deutschen Ärzteblattes Nachwuchsmediziner über Perspektiven und Karrieremöglichkeiten in Deutschland.
Ein Referent verrät vorab, was künfige Assistenzärzte/-ärztinnen wissen müssen.

Nicht nur Licht, sondern auch viel Schatten gibt es in der Welt der ärztlichen Weiterbildung zum Facharzt. Dies erfährt ein Prüfer am Rande des kollegialen Gesprächs nach einer Facharztprüfung. Denn dann kann er auch subjektive Eindrücke von der zurückliegenden Weiterbildungszeit in Erfahrung bringen. Auch wenn die frisch mit einer Urkunde ausgestatteten Fachärzte und Fachärztinnen im Glanz des Glücks über die soeben erreichte Qualifikation überwiegend positiv erzählen, hört der Prüfer immer wieder, dass arbeitsrechtliche Vorschriften bewusst ignoriert werden, persönliche Anleitung nicht stattfindet und der Weiterzubildende primär als „billige Arbeitskraft“ angesehen und eingesetzt wird.

Wie aber kann man als Berufsstarter wissen, ob sich hinter der schönen Fassade einer Weiterbildungseinrichtung tatsächlich eine gute Weiterbildungsstätte befindet? In der Schweiz ist das einfach: Dort ist eine jährliche Evaluation der Weiterbildungsstätten für alle Interessierten im Internet zugänglich. Transparenz und Offenheit haben die Weiterbildungsqualität in der Schweiz deutlich verbessert. In Deutschland wird derzeit erwogen, dem Schweizer Vorbild zu folgen und eine vergleichbare Evaluation der Weiterbildungsstätten auf den Weg zu bringen.

Welchen Rat soll man in Deutschland als Älterer seinen jungen Kolleginnen und Kollegen geben, wenn man danach gefragt wird, woran eine gute Weiterbildungsstätte zu erkennen sei? Mein Rat ist es, sich selbst erst einmal kritisch zu hinterfragen, bevor man sich auf eine Arbeitsstelle festlegt: Wo liegen die eigenen Stärken, und wo hat man seine Schwächen? Welche Berufs- und Lebensziele möchte man mit welcher Priorität erreichen? Für welche Fachrichtung will man sich entscheiden, und wie vertraut ist man mit den Inhalten der Weitbildungsordnung für diese Fachrichtung? Wie wichtig sind Bindungen – sowohl unter räumlichen als auch unter familiären oder persönlichen Aspekten?

Auf Basis der Antworten und mit Blick auf die persönlichen Ziele lässt sich anhand der individuellen Prioritäten nach geeigneten Weiterbildungsstätten suchen. Eine Weiterbildungsstätte ist dann gut, wenn einerseits die allgemeinen Rahmenbedingungen stimmen und sich andererseits auch die beruflichen Qualifikationsmerkmale zügig und strukturiert erwerben lassen. Vermeintlich objektive Kriterien, wie Größe, Name oder Bekanntheitsgrad einer Klinik oder einer Institution, können täuschen. Viele allgemeine Informationen können bereits über das Internet gewonnen werden. Dennoch ist es oft hilfreich, ganz gezielt Fragen an die Einrichtung zu stellen. Beispielsweise: Wie viele Patienten werden pro Jahr behandelt? Wie sieht der Stellenplan aus, wie ist das Verhältnis von Facharzt zu Nichtfacharzt? Besteht die Möglichkeit zu forschen (wenn man das gern möchte)? Wie ist die technische Ausstattung der Klinik?

Wie sind bestimmte Arbeitsabläufe strukturiert? Wird interdisziplinär zusammengearbeitet? Lassen sich Beruf und Familie vereinbaren? Ist das Arbeitsklima gut?

Unbedingt sollte man versuchen, durch „Insider“ genauere Kenntnisse von den Weiterbildungsstätten zu erhalten, die in die engere Wahl kommen könnten. Hierzu ist es sehr hilfreich, sich mit Kollegen auszutauschen, die dort tätig sind oder waren. In der Regel werden solche kollegialen Gespräche überraschend offen geführt und sind gewöhnlich sehr erhellend. Eine Hospitation ermöglicht es, sich selbst ein Bild vor Ort zu machen, wobei eine unerfreuliche Hospitation allemal besser ist als der Satz im Zeugnis über ein im gegenseitigen gütlichen Einvernehmen aufgelöstes Arbeitsverhältnis.

Zu wichtigen Prüfsteinen – sozusagen als Indizien für eine gute Weiterbildungsstätte – gehört ein strukturiertes Weiterbildungsprogramm und ein verbindlicher Rotationsplan, wobei die Anforderungen auf den Kenntnisstand und die Erfahrung des Mitarbeiters abgestimmt sein sollten. Eine täglich stattfindende Indikations- und Röntgenbesprechung ist ebenso wichtig wie die selbst gewonnenen Erkenntnisse darüber, wie in der Weiterbildungsstätte mit Problemen und/oder Fehlern sowie mit deren Verursachern umgegangen wird.
Dr. med. Werner Wyrwich, Vorstand Ärztekammer Berlin

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