POLITIK
Hartmannbund: „Wir müssen zusammenrücken“
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Mit einem Plädoyer für mehr ärztliche Geschlossenheit gegenüber Politik und Krankenkassen hat der Vorsitzende des Hartmannbunds, Dr. med. Kuno Winn, die Jahreshauptversammlung seines Verbands Ende Oktober in Potsdam eröffnet. „Ärzte dürfen sich nicht auseinanderdividieren lassen. Gerade jetzt müssen wir zusammenrücken“, sagte Winn. Ausdrücklich sprach er sich für den Erhalt der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) aus: „Ich halte so lange am Kollektivvertragssystem fest, wie es uns trägt.“
Schulterschluss
mit den KVen:
Kuno Winn, Vorsitzender
des Hartmannbunds,
warb
auf der Hauptversammlung
für eine
partnerschaftliche
Zusammenarbeit.
Der Deutsche Hausärzteverband (HÄV) in Bayern hat sich in Konkurrenz zu diesem Zusammenschluss ebenfalls an der Ausschreibung beteiligt. Das Auswahlverfahren läuft noch. Winn kritisierte vor den Delegierten scharf die Lobbypolitik des HÄV. Dieser hatte im Vorfeld der Landtagswahl in Bayern eine Änderung des § 73 b SGB V durchsetzen können, wodurch dem Hausärzteverband in den meisten Bundesländern faktisch ein Vertragsmonopol für die Ausrichtung der hausarztzentrierten Versorgung zukommt (siehe Beitrag in diesem Heft). „Niemand spricht dem Hausärzteverband den Vertretungsanspruch für seine Mitglieder ab. Wir können aber nicht akzeptieren, dass der Verband anderen einen derartigen Vertretungsanspruch streitig macht“, kritisierte Winn.
Public Viewing
beim Hartmannbund:
Per Videobotschaft
verkündete Gesundheitsministerin
Ulla
Schmidt, dass sie
von einer Rationierungsdiskussion
gar
nichts halte.
Fotos: Jürgen Gebhardt
Verbandschef Winn stellte aber auch klar, dass die Solidarität mit den KVen nicht grenzenlos sei. „Solange die Kassenärztlichen Vereinigungen unsere Anliegen vertreten, stützen wir sie.“ Mit Blick auf die geplante Zusammenarbeit in Bayern sagte er: „Wenn die AOK oder die KV Bayerns uns Unzumutbares abverlangt, dann ziehen wir die Reißleine. Wir werden keinen Vertrag um jeden Preis machen – das unterscheidet uns von anderen.“
Ärztliche Geschlossenheit ist nach Ansicht des Hartmannbunds auch nötig, um eine öffentliche Diskussion über die ökonomischen Grenzen der Gesundheitsversorgung anzustoßen. In dem fast einstimmig verabschiedeten Leitantrag kritisierte der Verband die verdeckte Rationierung von medizinischen Leistungen, bot zugleich aber seine Mitarbeit bei der Beantwortung von ethisch brisanten Fragen zum Leistungsumfang an. Die letzte Entscheidung müsse aber bei der Politik liegen, heißt es in dem Beschluss. Der Gesetzgeber dürfe seine Verantwortung dafür nicht auf die Ärzte delegieren.
„Wir werden unter keinen Umständen akzeptieren, dass die Politik weiter so tut, als sei alles machbar. Ja, dass sie sogar immer wieder neue Leistungen in den solidarisch finanzierten – in Wahrheit ja unterfinanzierten – Katalog der GKV aufnimmt“, machte Winn zu Beginn einer Podiumsdiskussion klar, zu der auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt angekündigt war. Die entschuldigte sich unter Hinweis auf ein kurzfristig anberaumtes europäisches Ministertreffen und teilte lediglich per Videobotschaft mit, „dass es für Mangelszenarien und neue Rationierungsdebatten keinen Grund gibt“. Vielmehr sei kontinuierlich an mehr Effizienz des Gesundheitssystems zu arbeiten.
So bekannt diese regierungsamtliche Sprachregelung nach dem Motto „Dass nicht sein kann, was nicht sein darf“ auch klingt, so wenig mochten sich die Diskutanten mit ihr anfreunden. Was die Ministerin unter mehr Effizienz verstehe, sei ja bekannt, erklärte Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer: „Immer schlechtere Arbeitsbedingungen für die Gesundheitsberufe.“ Daran änderten auch die jetzt zugesagten zusätzlichen Mittel nichts. „Die schleichende Verschlechterung, die verdeckte Rationierung treibt viele Ärzte aus dem Beruf, weil sie es nicht aushalten, permanent zu lügen.“ Hoppe plädierte wie Winn dafür, die Rationierung transparent zu machen.
Angesichts begrenzter Ressourcen sei ein Gesundheitssystem ohne jede Rationierung nicht denkbar, versicherte der Ökonom Prof. Dr. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. Man werde auf ökonomische Anzreize für effizientes Arbeiten im Gesundheitswesen nicht verzichten können. Unvermeidlich sei zudem, dass die Solidargemeinschaft keine Leistungen mehr bezahle, die keinen Nutzen hätten oder deren Nutzen zu teuer sei. Hoppe hatte vorgeschlagen, eine Priorisierung medizinischer Leistungen nach dem Vorbild Schwedens zu prüfen. Im Ulmer Papier der Ärzteschaft wird angeregt, ein Gesundheitsrat mit Patienten, Ärzten, Juristen, Ökonomen und Ethikern solle dem Parlament dazu Empfehlungen unterbreiten. Der FDP-Gesundheitspolitiker Heinz Lanfermann kann sich gut vorstellen, dass solche Empfehlungen zur Grenzziehung zwischen Solidarversicherung und Eigenverantwortung von den Abgeordneten akzeptiert würden.
Samir Rabbata, Heinz Stüwe
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