POLITIK
Medizinische Rehabilitation: Den Patienten dort abholen, wo er steht


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Ziele und Zielvereinbarungen sind wichtige Voraussetzungen für einen dauerhaften Rehabilitationserfolg. Dabei sind „informed consent“ (informierte Einwilligung) und „shared decision making“ (partizipative Entscheidungsfindung) zentrale Stichworte. Studien belegen, dass gemeinsam von Arzt und Patient getroffene Behandlungsentscheidungen die erfolgreiche Umsetzung der Behandlung fördern. Das Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung beschreibt daher die gemeinsame Erarbeitung individueller Rehabilitationsziele als ein wesentliches Qualitätsmerkmal im Rehabilitationsprozess. Wenn eine Zielvereinbarung mit dem Rehabilitanden nicht gelingt, ist die positive Rehabilitationsprognose anzuzweifeln, wenn sie ganz unterbleibt, stellt sich der Rehabilitationserfolg höchs-tens zufällig ein. Mit Nachhaltigkeit kann dann nicht gerechnet werden.
Die Anforderungen an die Zielorientierung in der Rehabilitation sind vielfältig und verlangen den Ärzten und Therapeuten Empathie, großes therapeutisches Engagement und fundiertes spezifisches Wissen ab. Zielvereinbarungen müssen den Rehabilitanden „dort abholen, wo er steht“ und seinen gesamten biopsychosozialen Kontext berücksichtigen. Bei der gemeinsamen Zieleauswahl ist auf eine sinnvolle Priorisierung und eine Untergliederung in möglichst zeitnah erreichbare Teil-ziele zu achten. Die Zielvereinbarung sollte im direkten Kontakt und frühzeitig, aber auch prozessbegleitend erfolgen. Die schriftliche und konkret abgefasste Dokumentation von Zielvereinbarungen sollte bevorzugt werden, auf Verständlichkeit und positive Formulierung ist zu achten.
Nachholbedarf in den Rehabilitationseinrichtungen
Die Realität in den Rehabilitationseinrichtungen findet unter anderem in Daten zur Qualitätssicherung der Rehabilitation der Rentenversicherung ihren Niederschlag. Hier ist bei vielen Rehabilitationseinrichtungen noch ein deutliches Defizit hinsichtlich der Zielorientierung – und damit auch der Patientenorientierung – zu verzeichnen. Die Barrieren liegen unter anderem bei den Rehabilitanden, den Therapeuten und in strukturellen Faktoren. Zielkonflikte spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Optionen zur Verbesserung der Zielorientierung lassen sich teilweise aus den Ergebnissen von Qualitätssicherung und Rehabilitationsforschung ableiten. Die Rehavorbereitungsbroschüre der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund leistet ebenso einen Beitrag zur Zielorientierung wie entsprechende Materialien, die von einzelnen Rehabilitationseinrichtungen vorab an die Rehabilitanden verschickt werden. Auch der neue, rentenversicherungsübergreifend konsertierte Selbsteinschätzungsbogen, der sowohl im Reha- als auch im Rentenantragsverfahren an die Versicherten versendet werden soll, wird eine Frage zur Zielorientierung enthalten. Die Verankerung der Zielvereinbarung in der Patientendokumentation, die Verwendung der bestehenden Therapiezielkataloge und der Programme zur Gesundheitsbildung beziehungsweise zum Gesundheitstraining der DRV Bund, die spezifische Fortbildung der Therapeuten sowie die Entwicklung rehabilitationsspezifischer Entscheidungshilfen für Rehabilitanden sind weitere Optionen zur Stärkung der Zielorientierung. Im Hinblick auf einen übergeordneten Gesamtbehandlungsplan spielt die Kommunikation mit Nachbehandlern und Selbsthilfegruppen eine bedeutsame Rolle, die Möglichkeiten gezielter Nachsorge, stufenweiser Wiedereingliederung sowie der Durchführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollten in die Überlegungen einbezogen werden.
Für die künftige Entwicklung in der Rehabilitation lässt sich daher folgendes Fazit ziehen:
- Zielorientierung ist ein zentrales Qualitätsmerkmal.
- Nachhaltige Rehabilitation ist nur mit konsequenter Zielorientierung und partizipativer Entscheidungsfindung möglich.
- Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit bezüglich der Zielorientierung in der Rehabilitation muss unter Beteiligung aller betroffenen Gruppen geschlossen werden.
Dr. med. Christiane Korsukéwitz,
Deutsche Rentenversicherung Bund
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