POLITIK
Deklaration von Helsinki: Besserer Schutz von Patienten in klinischen Studien
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Der Weltärztebund (World Medical Association, WMA) möchte den Einsatz von Placebos in klinischen Studien aus ethischen Gründen weiter einschränken und hat deshalb die Deklaration von Helsinki revidiert. Es wird jedoch befürchtet, dass die Zulassungsbehörden – trotz eines Dementis der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) – die Deklaration künftig ignorieren.
Die WMA hatte sich erstmals auf der 18. Generalversammlung im Juni 1964 in der finnischen Hauptstadt zu ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen geäußert. Die Deklaration von Helsinki wurde zum bekanntesten Dokument des Weltärztebunds. Seit 1964 ist die Deklaration fünfmal revidiert worden, zuletzt im Oktober 2000. Danach hat es noch zwei Klarstellungen (Notes of Clarification) gegeben. Sie betreffen die Verwendung von Placebos in klinischen Studien und die Versorgung der Patienten nach dem Abschluss der Studie. Beide fanden jetzt Eingang in die neue Revision der Deklaration von Helsinki, die kürzlich auf der Generalversammlung der WMA in Seoul verabschiedet wurde.
Die Deklaration
von Helsinki
wurde vom Weltärztebund
im Jahr
1964 beschlossen.
Im Oktober 2000
wurde sie revidiert.
Mit der Neufassung
beschäftigte sich
das Deutsche Ärzteblatt
in Heft 7/2002.
Fotos: Archiv
Die Deklaration fordert extreme Sorgfalt ein, um einen Missbrauch dieser Option zu vermeiden. Dennoch stellt sich die Frage, ob der Zusatz nicht doch ein Hintertürchen öffnen könnte. Gegenüber „Science“ (2008; 322: 516) räumte Eva Bågenholm, die Leiterin der Ethikkommission der WMA und Präsidentin der schwedischen Ärztekammer, ein, dass nicht alle Beteiligten über diesen Zusatz glücklich seien.
Das trifft auch auf die zweite Änderung zu. Der Weltärztebund fordert, dass Patienten nach dem Abschluss einer klinischen Studie nicht nur über die Ergebnisse informiert werden müssen, sondern dass sie von den sich aus der Studie ergebenden Vorteilen profitieren sollen. Patienten sollen folglich die Behandlung – sollte sie sich als vorteilhaft erwiesen haben – auch nach Abschluss der Studie erhalten. Nach einer möglichen Interpretation der neuen Deklaration müssten die Patienten lebenslang weiter mit Medikamenten versorgt werden, was zu erheblichen Kosten führen könnte. Hier fürchtet selbst Jeffe Blackmer, ein Ethiker der kanadischen Ärzteschaft (Canadian Medical Association), also kein Vertreter der Industrie, eine Behinderung künftiger Forschung.
Die Industrie selbst scheint diesen Punkt gelassen zu sehen. Ein Grund könnte in einer bevorstehenden Entscheidung der FDA bestehen, die nach Informationen von Science den Herstellern künftig die Möglichkeit eröffnen möchte, ihre klinischen Studien – außerhalb der USA – unter Umgehung der Deklaration durchzuführen. Sie wären dann nur an die Prinzipien gebunden, auf die sich Zulassungsbehörde und Industrie noch auf einer International Conference on Harmonization – Good Clinical Practice (GCP) verständigen wollen. Bioethiker befürchten, dass die ethischen Anforderungen der GCP weit hinter die Deklaration von Helsinki zurückfallen könnten. Die FDA hat kein klares Dementi abgegeben. Es sei nicht geplant, den Schutz der Patienten in klinischen Studien zu verringern, was aber auch bedeuten könnte, dass eine Verschärfung im Sinne der Deklaration nicht vorgesehen ist.
Rüdiger Meyer
Weitere Informationen:
www.aerzteblatt.de/plus4508
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