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Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden: Gleiche Kriterien für Klinik und Praxis


Thomas Gerst
Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik
Über die Sinnhaftigkeit dieser an sich widersprüchlichen Regelungen wird schon seit Längerem gestritten. Gerade mit Blick auf die seit Jahren anhaltenden gesundheitspolitischen Bestrebungen, die Grenzen zwischen den Sektoren aufzuheben oder zumindest durchlässiger zu gestalten, muten solche Bestimmungen wie ein Anachronismus an. Auch ist es nur schwer vorstellbar, wie vor diesem gesetzlichen Hintergrund künftig eine sektorenübergreifende Qualitätssicherung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) funktionieren soll.
In einer solchen diffusen Gemengelage bleibt es nicht selten den obersten Gerichten vorbehalten, einen gangbaren Weg durch das Vorschriftengestrüpp aufzuzeigen. Ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juli 2008 (Az.: B 1 KR 5/08 R: Klage einer Alternativklinik, als Vertragskrankenhaus zugelassen zu werden) hat nun den Gemeinsamen Bundesausschuss und dessen Vorsitzenden Rainer Hess in der Rechtsauffassung bestärkt, dass gleiche Kriterien bei der Bewertung von ambulanten und stationären Behandlungsmethoden gelten müssen.
In der Urteilsbegründung wird explizit ausgeführt: Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, Beurteilungen des G-BA aus dem Bereich der vertragsärztlichen Versorgung auch für die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Bereich der stationären Versorgung heranzuziehen, wenn diese Beurteilungen gebietsübergreifende Aussagen beinhalten. Der Verbotsvorbehalt für den stationären Bereich dürfe nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus ausgelegt werden. Denn durch die Regelung nach § 137c SGB V werde selbstredend nicht die Geltung des allgemeinen Qualitätsgebots nach § 2 außer Kraft gesetzt.
Das BSG-Urteil stärkt Hess den Rücken bei aktuellen und künftigen Auseinandersetzungen über die Zuständigkeiten des G-BA – zum Beispiel mit dem Bundesgesundheitsministerium. Dieses hatte 2004 einen Beschluss des G-BA beanstandet, nach dem die Protonentherapie bei der Behandlung des Mammakarzinoms aus dem stationären Leistungskatalog der GKV auszuschließen sei. Dem G-BA wurde auferlegt, den fehlenden Nutzen dieser Methode nachzuweisen, was nach Ansicht des Landessozialgerichts Essen aber kaum möglich ist. Eine letztinstanzliche Klärung dieser Auseinandersetzung steht noch aus; es ist jedoch zu vermuten, dass das Bundessozialgericht in diesem Fall an seiner einmal eingeschlagenen Argumentation festhalten wird.
Grundsätzlich positiv ist, dass auf diesem Weg für die Einheit der Rechtsordnung innerhalb der GKV Sorge getragen wird. Künftig sollte man aber verstärkt darauf achten, dass technischer Fortschritt und Innovationen, die eine verbesserte Patientenversorgung versprechen, nicht aus Rationierungserwägungen aus der GKV herausgehalten werden, sondern in breit abgestimmten klinischen Studien ihren Nutzen unter Beweis stellen können.
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