ArchivDeutsches Ärzteblatt47/2008Depression und Lebensqualität bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose: Besondere Motivation
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LNSLNS Die publizierten Daten bestätigen meine Erfahrung, dass viele Menschen mit schwersten körperlichen Einschränkungen ihr Leben als vollwertig empfinden und häufig gelingend gestalten. Während meiner ärztlichen Tätigkeit habe ich von ihnen viel darüber lernen können, was wirkliches Leben ausmacht. Es gibt aber auch die zutiefst verzweifelten Schwerstkranken, an denen ich nicht selten gescheitert bin und die mich gelehrt haben, Bescheidenheit einzuüben und Ohnmacht auszuhalten. Wer von ihnen zu den einen oder anderen gehörte, hing weniger von Art oder Schwere der Erkrankung ab, als vielmehr vom sozialen Netz, der Haltung zum zurückliegenden und zukünftigen Leben oder von persönlichen Wertvorstellungen. Dass eine umfassende Aufklärung über Krankheitsverlauf, therapeutische Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten sowie eine ganzheitliche Betreuung Ängste nehmen und Lebensqualität verbessern kann, wissen wir aus Palliativmedizin und Hospizarbeit.

Der Hinweis auf fehlende Repräsentativität und geringe Untersuchungszahlen stellt einige der Schlussfolgerungen infrage. Offensichtlich hat es sich bei den Untersuchten um besonders motivierte Patienten (Bereitschaft zur Studienbeteiligung, Bindung an die ALS-Ambulanzen) gehandelt, die Nutznießer jener umfassenden Zuwendung waren, die im Fazit der Arbeit empfohlen wird. Leider fehlen Hinweise auf Alter, soziales Netz oder Lebensphilosophie der Untersuchten. Als unseriös empfinde ich die Schlussfolgerung, dass „eine befriedigende Lebensqualität… in jedem Stadium der ALS möglich ist“. Diese Aussage bezieht auch invasiv beatmete Patienten mit ein. Es wird zudem suggeriert, dass gute Information die Bereitschaft zu therapeutischen Maßnahmen „wie invasive Beatmung…“ erhöhen könnte. Bei den verschwindend geringen Zahlen invasiv Beatmeter (n = 4) geht mir das zu weit. Deshalb erscheint mir auch eine Instrumentalisierung der Ergebnisse im Streit um die Reichweite von Patientenverfügungen (wie in der Presse geschehen) nicht angebracht. DOI: 10.3238/arztebl.2008.0825b

Dr. med. Jürgen Bickhardt
Uhlandstraße 19
85435 Ending

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Der klinische Schnappschuss

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