

Wir danken Herrn Kollegen Schmidtke für die sehr gelungene Darstellung der Notwendigkeit und Möglichkeiten, verfügbare Gentests zu validieren. Wir stimmen mit Herrn Schmidtke überein, dass das wichtigste Kriterium hierbei der sogenannte klinische Nutzwert ist, auch um gegenüber den Kostenträgern die entsprechende Transparenz zu schaffen . . . Uns erscheinen jedoch zwei Anmerkungen wichtig: Erstens entsteht in dem Artikel der Eindruck, dass der molekulargenetische Nachweis eines erblichen Tumorprädispositionssyndroms, wie z. B. familiärer Brust- und Eierstockkrebs oder hereditärer nicht polypöser Dickdarmkrebs (HNPCC, Lynch-Syndrom), bei einem bereits erkrankten (Index-)Patienten ausschließlich für dessen Angehörige von Bedeutung wäre . . . Dem möchten wir ausdrücklich widersprechen. Der Mutationsnachweis bei einem Indexpatienten hat sehr wohl auch ganz unmittelbare klinische Auswirkungen auf den Erkrankten selbst. Diese begründen sich aus dem hohen Risiko eines Mutationsträgers, weitere Krebserkrankungen aus dem Spektrum des jeweiligen Tumorprädispositionssyndroms zu entwickeln. Deshalb wird erkrankten Mutationsträgern im Rahmen der beiden oben genannten Tumorprädispositionssyndrome standardmäßig ein jeweils spezifisches und gut etabliertes Nachsorgeprogramm empfohlen, welches gleichzeitig ein effektives Vorsorgeprogramm darstellt und in Frequenz, Umfang (Einbeziehung weiterer Organsysteme) und Dauer (lebenslang) weit über die „normalen“ Nachsorgeprogramme der entsprechenden sporadischen Tumorerkrankung hinausgeht. Weiterhin stellt sich für bereits erkrankte Mutationsträger die Frage nach prophylaktischen Operationen . . . Unsere zweite Anmerkung betrifft die von Herrn Schmidtke gemachten Ausführungen zu den sogenannten Volkskrankheiten, die in der Regel multifaktoriell bedingt sind und bei denen der Autor derzeit keinen hinreichenden klinischen Nutzwert für einen Gentest sieht. Wir möchten in diesem Zusammenhang beispielhaft auf die inzwischen bestehenden Möglichkeiten einer Prädiktion aufgrund bekannter und damit analysierbarer genetischer Marker bei der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) hinweisen. Die AMD ist als die häufigste Ursache von Erblindung im Sinne des Gesetzes bei über 60-Jährigen in Industrienationen eine klassische Volkskrankheit und typischerweise multifaktoriell bedingt. Außer dem Alter selbst spielt neben Faktoren wie Rauchen, Übergewicht und der Einwirkung von grellem Licht vor allem eine genetische Veranlagung eine bedeutende Rolle . . . Bisher sind in zahlreichen Studien mindestens fünf sogenannte single nucleotide polymorphisms (SNPs, genetische Varianten, die in der Bevölkerung mehr oder weniger häufig vorkommen) identifiziert worden, die zur Entstehung einer AMD beitragen. Der kumulative Effekt der einzelnen SNPs ist, stark vereinfacht ausgedrückt, additiv, d. h., je mehr Risikoallele ein einzelnes Individuum aufweist, desto höher ist das Risiko, eine klinisch manifeste AMD zu entwickeln . . . Da Verlauf und Prognose der AMD wesentlich von einer frühen Diagnosestellung abhängen, ist das Wissen um eine hohe genetische Belastung für asymptomatische Individuen durchaus von klinischer Relevanz. Erstens sollten sie sich regelmäßigen augenärztlichen Kontrollen unterziehen, damit bei entsprechenden Makulaveränderungen eine frühzeitige Therapie (z. B. intravitreale Injektion von VEGF-Inhibitoren bei der sogenannten feuchten Form der AMD) eingeleitet werden kann. Zweitens ist gerade für diese Personengruppe das Vermeiden von Risikofaktoren (Rauchen, Adipositas, grelles Licht) besonders wichtig. Außerdem kann durch eine gezielte Ernährung das Risiko für die Progression der AMD vermindert werden (Rehak et al.; Ophthalmologe 2008; 105[1]: 37–45).
Für die Autoren:
Dr. med. Stefan Krüger, Gutenbergstraße 5,
01307 Dresden
Dr. med. Matthias Müller-Holz, Lockwitzgrund 12, 01257 Dresden
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.