ArchivDeutsches Ärzteblatt49/2008Krankenhausfinanzierung: Geringere Entlastung für Kliniken

POLITIK

Krankenhausfinanzierung: Geringere Entlastung für Kliniken

Rabbata, Samir

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LNSLNS Ulla Schmidt will den Kliniken einen Teil der mit der Krankenhausreform zugesagten Nothilfen wieder entziehen. Bei einer Expertenanhörung im Bundestag zu dem Gesetzentwurf waren diese Pläne noch nicht bekannt – trotzdem hagelte es Kritik.

Ulla Schmidt: Die Länder müssen ihre Investitionen erhöhen. Foto: IPON
Ulla Schmidt: Die Länder müssen ihre Investitionen erhöhen. Foto: IPON
Die finanzielle Entlastung der Krankenhäuser im nächsten Jahr wird wohl deutlich niedriger ausfallen als bisher angenommen. Dies geht aus Formulierungshilfen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen zum Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen. Demnach sollen unter anderem Mehreinnahmen durch die für 2009 vorgesehene Umstellung auf die Landesbasisfallwerte als Berechnungsgrundlage für Klinikleistungen mit den im Gesetz gemachten finanziellen Zusagen verrechnet werden; erbrachte Mehrleistungen würden zudem nur noch zu 35 Prozent vergütet. Die Mehreinnahmen der Krankenhäuser infolge der nach wie vor geplanten hälftigen Finanzierung der Tariferhöhungen durch die Krankenkassen dürften durch die Kürzung vollends aufgezehrt werden. Der Marburger Bund (MB) hatte bereits im Vorfeld davor gewarnt, dass entsprechende Forderungen der Kassen die Kliniken rund 1,3 Milliarden Euro kosten würden. Dabei müsste die Politik formal nicht einmal Abstriche bei ihren finanziellen Zusagen machen, weil den Krankenhäusern ein Teil des Geldes an anderer Stelle wieder entzogen würde.

Rudolf Henke: Pläne des Ministeriums sind empörend. Foto: Photothek
Rudolf Henke: Pläne des Ministeriums sind empörend. Foto: Photothek
Nach Bekanntwerden der Pläne zeigte sich der Erste Vorsitzende des MB, Rudolf Henke, empört: „Es kann nicht sein, dass das Ministerium den Regierungsfraktionen Vorschläge zuleitet, die im Fall einer Realisierung zu neuen Verlusten in Milliardenhöhe führen würden.“

Bei der Anhörung des Gesetzentwurfs Ende November im Gesundheitsausschuss des Bundestags lagen die Änderungsvorschläge noch nicht vor. Trotzdem ließen die Sachverständigen kaum ein gutes Haar an dem Vorhaben. Ihrer Meinung nach hat sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nicht gegen die Interessen der Bundesländer durchsetzen können. So sieht der Gesetzentwurf vor, dass eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe lediglich über die Einführung einer sogenannten Investitionspauschale für die Kliniken entscheiden soll. Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), bemängelte, das Gesetz sei in dieser Frage viel zu wenig konkret. Auch müssten die Kliniken frei entscheiden dürfen, wie sie Investitionsmittel verwendeten.

Johann-Magnus von Stackelberg: Der Einheitsbeitragssatz reicht für die geplanten ehrausgaben nicht aus. Foto: Jürgen Gebhardt
Johann-Magnus von Stackelberg: Der Einheitsbeitragssatz reicht für die geplanten ehrausgaben nicht aus. Foto: Jürgen Gebhardt
In einer Reaktion auf die Bundestagsanhörung appellierte Schmidt noch einmal an die Länder, ihre Investitionen im Krankenhausbereich zu erhöhen. Zudem wollen Schmidt und die Koalitionsspitzen am 4. Dezember mit Vertretern des Aktionsbündnisses „Rettung der Krankenhäuser“ über Notmaßnahmen für angeschlagene Kliniken beraten. Dem Bündnis gehören neben Arbeitgeberorganisationen und Verdi auch die Bundesärztekammer und der Marburger Bund an.

Johann-Magnus von Stackelberg, Vorstand des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), hatte bei der Anhörung gewarnt, die vorgesehenen Mehrausgaben der Kassen für die Kliniken von 4,5 Milliarden Euro könnten mit einem Einheitsbeitragssatz von 15,5 Prozent nicht finanziert werden. Von Stackelberg betonte, die Kassen würden im kommenden Jahr wegen der Umstellung von den bisherigen krankenhausindividuellen Basisfallwerten auf die höheren Landesbasisfallwerte als Grundlage für die Bewertung von Klinikleistungen stärker belastet. Deshalb forderten die Kassen, die Landesbasisfallwerte 2009 auf den Mittelwert der Hausbasisfallwerte zurückzuführen und Mehrleistungen der Krankenhäuser stärker abgestaffelt zu vergüten. Damit würde das Morbiditätsrisiko bei den Krankenhäusern bleiben.

Georg Baum: Kliniken müssen über Investitionsmittel frei entscheiden dürfen. Foto: DKG
Georg Baum: Kliniken müssen über Investitionsmittel frei entscheiden dürfen. Foto: DKG
Bezug nehmend auf die Berechnungsumstellung auf die Landesbasisfallwerte im nächsten Jahr heißt es in dem nun bekannt gewordenen Änderungsentwurf, die Vertragsparteien würden verpflichtet, „die zusätzlichen Einnahmen der Krankenhäuser im Land [. . .] insbesondere für die Finanzierung der anteiligen Tariflohnerhöhung“ einzusetzen. „Der Konvergenzsaldo ist mit den zusätzlichen Mitteln für die anteilige Tariflohnerhöhung aus der Veränderungsrate [. . .] zu verrechnen, sodass der Landesbasisfallwert 2009 in diesem Umfang nicht zusätzlich durch diese Tatbestände steigt.“ Auch sollen nach dem Antrag für „das Jahr 2009 Leistungssteigerungen pauschal in Höhe von 35 Prozent finanziert werden“.

Allerdings hatten CDU und CSU bei internen Beratungen der Koalition auf Fachebene Bedenken angemeldet. Es heißt aus der Unionsfraktion aber auch, die Kliniken würden mit dem Gesetz gut bedacht.

Fest steht, dass die Änderungen wegen der Differenzen erst am 15. Dezember im Ausschuss beraten werden. Die Koalitionäre sind dennoch optimistisch, dass das Gesetz zum 1. Januar 2009 in Kraft treten kann. Zumindest haben die Klinikvertreter durch die Verzögerung die Möglichkeit, bei ihrem Treffen mit Schmidt und den Koalitionsspitzen auf Änderungen zu drängen.

Gesprächsstoff gibt es genug. So soll das Statistische Bundesamt bis 2011 einen Warenkorb für die Kliniken erstellen, in dem unter anderem die Energie-, die Sach- und die Personalkosten abgebildet werden. Ein daraus abgeleiteter Orientierungswert soll die Grundlage für die Berechnung des Finanzbedarfs bilden.

Nur ein neuer Deckel
Allerdings wird wohl die Entscheidung, wann und in welchem Umfang dieser Orientierungswert angewendet wird, künftig allein beim BMG liegen. „Dies ist ein Beispiel für die Tendenz, die Selbstverwaltungslösungen der GKV durch ministerielle Eingriffe zu ersetzen“, kritisierte von Stackelberg. Auch der Marburger Bund bemängelte: „Dieses Verfahren ersetzt lediglich einen Deckel durch einen anderen.“ Noch schlimmer: Dieser Deckel könne dann sogar willkürlich politisch bestimmt werden.
Samir Rabbata

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