ArchivDeutsches Ärzteblatt49/2008Antibiotikaresistenzen: Erkennen, bewerten und bekämpfen
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Multiresistente Staphylococci aurei wurden ursprünglich als methicillinresistent benannt nach einem heute nicht mehr verwendeten Antibiotikum, bei dem die Resistenz in den 60er-Jahren zuerst beobachtet wurde. Foto: Aktion Meditech
Multiresistente Staphylococci aurei wurden ursprünglich als methicillinresistent benannt nach einem heute nicht mehr verwendeten Antibiotikum, bei dem die Resistenz in den 60er-Jahren zuerst beobachtet wurde. Foto: Aktion Meditech
Im Rahmen der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie werden Daten zu
bakteriellen Erregern aus der stationären und der ambulanten Versorgung systematisch erhoben; dadurch lassen sich regional unterschiedliche Entwicklungen erkennen.

Mehr als 40 000 Personen starben 2006 an den Folgen einer Infektionskrankheit, davon über 50 Prozent an den Komplikationen einer Pneumonie, und die Statistiken der Jahre 2002 bis 2006 weisen eine Zunahme der Mortalitätsrate von Patienten mit einer Infektion um 14 Prozent auf (1). Parallel dazu wird die Therapie von bakteriellen Infektionskrankheiten durch die steigende Anzahl antimikrobiell-resistenter Erreger erschwert. Dies bedeutet für die Patienten oft längere Behandlungszeiten und Belastungen durch eine verzögerte oder nicht eintretende Heilung. Da die Anzahl an resistenten Erregern wahrscheinlich künftig noch größer wird, ist eine gezieltere Herangehensweise zur Reduzierung antimikrobieller Resistenzen und zur Stärkung präventiver Maßnahmen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene erforderlich.

Vor diesem Hintergrund wurde die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie auf Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit entwickelt. Ein Konsultationsverfahren ermöglichte der Fachöffentlichkeit und Vertretern der Länder, Verbände, Krankenkassen und Krankenhäuser, die Strategie zu kommentieren und mitzugestalten. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erarbeitete einen veterinärmedizinischen Teil, und auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung trug zur Strategie bei.

Unter Berücksichtigung der Kommentare wurde die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie fertiggestellt; am 12. November stimmte das Bundeskabinett zu. Zentrales Ziel der Strategie ist die Reduzierung von Antibiotikaresistenzen. Dazu sollen im humanmedizinischen Bereich zehn Ziele und 42 Aktionen in den Jahren 2008 bis 2013 in den folgenden vier Handlungsfeldern umgesetzt werden:

1. Ausbau der Surveillance-Systeme zur Antibiotikaresistenz und zum Antibiotikaverbrauch: Die analysierten Daten sollen durch ein geeignetes Feedback an Antibiotika verordnende Ärztinnen und Ärzten zurückgeleitet werden. Der Ausbau eines Frühwarn- und Reaktionssystems soll das frühzeitige Erkennen von Erregern mit neuen Resistenzen beziehungsweise Resistenzmustern, von verstärkten regionalen/lokalen Häufungen oder eines erhöhten Aufkommens an bestimmten resistenten Infektionserregern gewährleisten. In Abhängigkeit von der Problematik können dann gezielte Eindämmungsmaßnahmen durch das Reaktionssystem eingeleitet werden.

2. Stärkung der Verhütungs- und Bekämpfungsmaßnahmen zur Reduzierung von Antibiotikaresistenzen: Um den rationalen Umgang mit Antibiotika zu stärken, soll unter anderem eine Antibiotikatherapie-Kommission am Robert- Koch-Institut (RKI) eingerichtet werden, die für die Sichtung von vorhandenen und die Initiierung von benötigten Empfehlungen und Leitlinien zur Antibiotikatherapie zuständig ist. Darüber hinaus sollen Maßnahmen zur Verbesserung der Diagnostik und der Aus-, Weiter- und Fortbildung von Ärzten, Apothekern, Pflegepersonal und Naturwissenschaftlern in diesem Bereich eingeführt werden.

3. Förderung der Zusammenarbeit: Damit Verhütungs- und Bekämpfungsmaßnahmen zur Reduzierung von antibiotikaresistenten Infektionserregern auch langfristig erfolgreich sind, müssen die regionalen und nationalen Akteure in diesem Bereich zusammenarbeiten. In Anlehnung an bereits etablierte Strategien sollen regionale Netzwerke zur Verhütung und Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen als Modellprojekte eingerichtet und die Zusammenarbeit von regionalen Akteuren in diesem Bereich gestärkt werden. Auf Bundesebene wird eine interministerielle Arbeitsgruppe im Bereich Antibiotikaresistenz eingerichtet, die die Aktionen ressortübergreifend koordiniert und den Dialog zwischen betroffenen Akteuren sicherstellt.

Zusätzlich soll auf Bundesebene ein koordinierendes Zentrum zur Verhütung und Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen am Robert- Koch-Institut eingerichtet werden, das Aktivitäten im Gesundheitsbereich koordiniert und die deutsche Zusammenarbeit mit internationalen Partnern sicherstellt.

4. Forschung und Evaluierung: Durch die Analyse von Aktivitäten im Bereich der Antibiotikaresistenzforschung sollen Defizite identifiziert und Maßnahmen zur Eindämmung von Antibiotikaresistenzen künftig auf eine verbesserte wissenschaftliche Grundlage gestellt werden. Gegenwärtig wird am RKI ein dauerhaftes Überwachungs- und Frühwarnsystem für Antibiotikaresistenzen entwickelt und etabliert. Die ARS (Antibiotika-Resistenz-Surveillance in Deutschland) ist ein repräsentatives flächendeckendes Surveillancesystem für Antibiotikaresistenzdaten, das Daten sowohl aus der stationären Krankenversorgung als auch aus der ambulanten Versorgung zusammenführt und bewertet. Die Surveillance der Antibiotikaresistenz soll im nächsten Schritt durch ein Monitoring des Antibiotikaverbrauchs ergänzt werden (3, 4).

Darüber hinaus führt das RKI mit der EVA-Studie eine Untersuchung über die Einflüsse auf die Verschreibung von Antibiotika in Deutschland durch. Um den sachgerechten Einsatz dieser Substanzen zu fördern, müssen die Einflüsse und die Ursachen sowie deren Bedeutung bei der Antibiotikaverordnung durch Ärztinnen und Ärzte in den Praxen und in Kliniken bekannt sein. In Kooperation mit den Ärztekammern wurden im September 11 000 Ärztinnen und Ärzte aus verschiedenen Fachdisziplinen, die regelmäßig Antibiotika verordnen, im niedergelassenen und stationären Bereich befragt. Gegenwärtig erfolgt die Auswertung der Fragebögen.
Dr. rer. nat. Antina Barger,
Priv.-Doz. Dr. med. Lars Schade
Bundesministerium für Gesundheit, Referat „Übertragbare Krankheiten, AIDS, Seuchenhygiene“
Friedrichstraße 108, 10117 Berlin
E-Mail: antina.barger@bmg.bund.de
E-Mail: lars.schaade@bmg.bund.de
Priv.-Doz. Dr. med. Gérard Krause
Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Seestraße 10, 13353 Berlin
E-Mail: KrauseG@rki.de
Prof. Dr. med. Michael H. Kramer
Bundesministerium für Gesundheit, gegenwärtig:
TRAC Plus – Center for Infectious Disease Control P. O. Box 2717 Kigali, Ruanda
E-Mail: kramer.michael@tracrwanda.org


Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit4908
Der Strategieentwurf zur Erkennung, Prävention und Kontrolle von Antibiotikaresistenzen ist abrufbar unter: www.aerzteblatt.de/plus4908.
1.
Statistisches Bundesamt. Todesursachenstatistik 2008; Ref Type: Internet Communication.
2.
Harbarth S: Antibiotikatherapie – Einfluss des Antibiotikaverbrauchs auf Resistenzbildung und -selektion. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 12: 130–5.
3.
Noll I, Barger A, Heckenbach K, Eckmanns T: Zur Surveillance der Antibiotikaresistenz in Deutschland. Der Mikrobiologe 2008; 1: 19–23.
4.
Noll I, Heckenbach K, Kleinkauf N, Eckmanns T: Zur Surveillance der Antibiotikaresistenz in Deutschland. Epidemiologisches Bulletin 2007, November 2; 44: 405–9.
1. Statistisches Bundesamt. Todesursachenstatistik 2008; Ref Type: Internet Communication.
2. Harbarth S: Antibiotikatherapie – Einfluss des Antibiotikaverbrauchs auf Resistenzbildung und -selektion. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 12: 130–5.
3. Noll I, Barger A, Heckenbach K, Eckmanns T: Zur Surveillance der Antibiotikaresistenz in Deutschland. Der Mikrobiologe 2008; 1: 19–23.
4. Noll I, Heckenbach K, Kleinkauf N, Eckmanns T: Zur Surveillance der Antibiotikaresistenz in Deutschland. Epidemiologisches Bulletin 2007, November 2; 44: 405–9.

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