WIRTSCHAFT
Zielvereinbarungsgespräche im Krankenhaus: Sinnvoll investierte Zeit


Bilanz zu ziehen – darum geht es in Zielvereinbarungsgesprächen. Sie
ersetzen nicht den intensiven Dialog im Klinikalltag. Foto: Vario-Images
Krankenhäuser, die ihre Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft sichern wollen, müssen qualifizierte und motivierte Mitarbeiter – also vor allem die Ärztinnen und Ärzte – an sich binden. Deren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zu erhalten und zu fördern, wird damit zur zentralen Führungsaufgabe. Ein wesentliches Instrument zur Wahrnehmung dieser Aufgabe ist das Zielvereinbarungsgespräch. Es ist der „Transmissionsriemen“, mit dem Führungskräfte ihre Ideen und Vorstellungen vermitteln können und gleichzeitig Informationen von ihren Mitarbeitern erhalten.
Mit der Einführung von Zielvereinbarungsgesprächen wird die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitern auf eine dialogorientierte Basis gestellt. Die Mitarbeiter werden stärker in das Klinikgeschehen eingebunden, ihre Eigeninitiative und ihr Verantwortungsbewusstsein werden ausgebaut. Sie kennen die wesentlichen Ziele ihrer Klinik/Abteilung, wissen, welchen konkreten Beitrag sie zum Erreichen des Gesamtziels leisten und konzentrieren ihre Kräfte auf das Wesentliche.
Zielvereinbarungsgespräche setzen sich dabei im Wesentlichen aus vier Bausteinen zusammen:
1. die Perspektiven und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz
2. die erreichten und künftigen Ziele
3. Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung der fachlichen und mentalen Leistungsfähigkeit sowie
4. eine Feedbackrunde (zur grundsätzlichen Zusammenarbeit von Führungskraft und Mitarbeiter und zum Gespräch).
Um Zielvereinbarungsgespräche als glaubhaftes Führungsinstrument zu etablieren, ist es wichtig, alle Hierarchiestufen einzubinden und die Gespräche „top-down“ zu führen. Das heißt, die Geschäftsführung spricht mit dem Chefarzt, dieser mit dem Oberarzt, und der führt ein Gespräch mit dem Assistenzarzt. Mit jedem Mitarbeiter wird pro Jahr ein Zielvereinbarungsgespräch geführt, im Idealfall gegen Ende des Kalenderjahrs. Der Termin wird im Vorfeld abgestimmt. Zielvereinbarungsgespräche – für deren Dauer etwa 90 Minuten störungsfreie Zeit eingeplant werden sollte – unterscheiden sich deutlich von anderen, informellen Gesprächen.
Nach vier Monaten findet ein Review-Gespräch (20 bis 30 Minuten) statt, in dem die Zielerreichung überprüft wird und gegebenenfalls neue Ziele vereinbart werden. Wöchentlich stattfindende Gesprächsrunden („Jour fixe“, zehn bis 15 Minuten) informieren über Etappenziele, eventuelle Hemmnisse oder Erfolge.
Foto: Vario-Images
Selbstverständlich obliegt es der Führungskraft, Ziele vorzugeben und Aufgaben zu übertragen, gleichzeitig sollte sie die Meinungen und Argumente ihres Gesprächspartners sehr ernst nehmen. Im Umkehrschluss erfordert dieses partnerschaftliche Führungsverständnis die Bereitschaft des Mitarbeiters, durch eigenverantwortliches Handeln aktiv an der Zielerreichung mitzuwirken.
Die Vereinbarungen werden schriftlich fixiert
Die Basis eines jeden Zielvereinbarungsgesprächs bilden vorformulierte Gesprächsunterlagen. Sie werden an die klinikspezifischen Erfordernisse angepasst und dienen beiden Seiten zur Gesprächsvorbereitung, -strukturierung und -dokumentation. So dient ein Vorbereitungsbogen einerseits als schriftliche Einladung zum bereits vereinbarten Termin, andererseits beschreibt er aber auch alle Themen und Fragen, die im Gesprächsverlauf erörtert werden. Um dem Mitarbeiter die ausreichende Vorbereitung zu ermöglichen, sollte der Termin spätestens eine Woche vor dem Gespräch übermittelt werden. Der Gesprächsleitfaden umfasst alle Themenbereiche und dient gleichzeitig als Protokollbogen. Eine Checkliste für die Führungskraft enthält konkrete Fragen zu allen im Gesprächsleitfaden genannten Themenbereichen und erleichtert die flüssige und konzentrierte Gesprächsführung.
Der Erfolg eines Zielvereinbarungsgesprächs hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, die Klinikziele deutlich und begreifbar zu machen und sie im Aufgabenspektrum des Mitarbeiters konkret zu verankern. Der Mitarbeiter hat die Chance, seine künftigen Ziele mitzubestimmen, er kennt seinen Arbeitsplatz am besten. Die Führungskraft hingegen weiß um die übergreifenden Erwartungen an das Aufgabengebiet und lässt diese erläuternd einfließen.
Gesprächseckpunkte und Vereinbarungen werden in Abstimmung mit dem Mitarbeiter im Protokoll festgehalten – ebenso eventuelle Meinungsverschiedenheiten. Am Ende des Gesprächs bringen die Gesprächs
partner mit ihrer Unterschrift die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Aussagen zum Ausdruck; der Mitarbeiter erhält eine Kopie des Protokolls. Dieser dient beiden Gesprächspartnern als Arbeitsmittel bei der Verfolgung der abgestimmten Ziele und Aufgaben sowie zur Vorbereitung auf folgende Gespräche.
Zielvereinbarungsgespräche ziehen Bilanz, sie ersetzen nicht den intensiven Dialog im Klinikalltag. Stoßen die Gesprächspartner auf Probleme, steht nicht die Suche nach einem Schuldigen im Vordergrund, sondern die Suche nach Lösungen. Jedoch lässt sich der Wille zum Konsens nicht verordnen. Sind sich im schlimmsten Fall beide Seiten lediglich darin einig, uneinig zu sein, ist möglicherweise die Fortsetzung des Gesprächs zu einem späteren Zeitpunkt hilfreich.
Zielvereinbarungsgespräche entfalten ihre Wirkung nur, wenn sie während der Einführungsphase mit strukturellem und zeitlichem Engagement durchgeführt werden – Investitionen, die sich lohnen. Denn, ist dieses Führungsinstrument erst einmal zu einem festen Bestandteil der Klinikkultur geworden, trägt es maßgeblich zur Erhaltung von Arbeitszufriedenheit und Motivation bei – Faktoren, mit denen gute Leute gehalten werden und von denen sich Bewerber angezogen fühlen.
Werner Fleischer
Internet: www.ihrcoach.com
Erfahrungen eines Oberarztes
Wie können Zielvereinbarungsgespräche in den Klinikalltag integriert werden? Welche Hindernisse tauchen auf, und welche Vorteile bieten sie? Dr. med. Thomas Stegemann – Oberarzt in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf – fasst seine Erfahrungen zusammen:
„Allein aufgrund ihres speziellen Rahmens haben Zielvereinbarungsgespräche einen besonderen Stellenwert. Eine Mitarbeiterin brachte es auf den Punkt: ,Das war überraschend – anderthalb Stunden nur für mich.‘ Die Gespräche eignen sich hervorragend, um die fachliche und persönliche Anerkennung zu vermitteln, und gleichzeitig schaffen sie eine Atmosphäre, in der konfliktbelastete oder problematische Themen besser angegangen werden können. Zusätzlich bieten sie Raum für Aspekte, die im Klinikalltag häufig untergehen oder lediglich implizit vorausgesetzt werden, ohne dass ausreichende Transparenz besteht. Selbst Mitarbeiter, die eine kritische Einstellung zu Zielvereinbarungsgesprächen hatten, hoben lobend hervor, dass ihnen nun ihr Platz im Räderwerk der Klinik sehr viel klarer geworden sei. Meine anfängliche Skepsis ist inzwischen dem Eindruck sinnvoll investierter Zeit gewichen. Denn Zielvereinbarungsgespräche schaffen eine Verbindlichkeit beiderseits, auf die man sich später, auch in schwierigen Situationen, berufen kann; zudem sind sie ein wichtiges Planungsinstrument. Um jedoch die Rolle des Gesprächsführers ausfüllen zu können, ist es wichtig, Zielvereinbarungsgespräche aus der Mitarbeiterperspektive erlebt zu haben.“
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