

Der Zugang zur Darstellung der Marfan-verwandten Erkrankungen geht hier für die genetische Diagnostik vom Marfan-Syndrom selbst aus. Im Alltag des klinischen Managements aber drängt sich uns ein anderer Zugangsweg auf, der von dem dabei häufigsten und progredient vordringlich störenden Beschwerdebild gewiesen wird: dem Hypermobilitätssyndrom (HMS), das in der englischsprachigen Literatur eine eigene und bedeutende, autosomal-dominant vererbte Kollagenkrankheit darstellt (Grahame), bei uns aber kaum bekannt ist. Bei größerer Erfahrung (
1) erweist sich die artikuläre Laxität (Gscherend) einschließlich ihrer extraartikulären Manifestationen (Bindegewebsschwäche) als das Kardinalsymptom dieses großen Marfan-Verwandten und weit darüber hinausgehenden Symptom-Panoramas, das wir wegen der gemeinsamen Störung der Biosynthese Kollagenopathien nennen (
2). Wir konnten in der umfangreichen Familienstudie (
1) die entsprechend abnormale Kollagentypentextur bei der prämaturen (primären), frühzeitig präventiv operablen Gonarthrose nachweisen (Stofft), 120 HMS-Patienten überwiegend familiär dem Kollagenopathie-Panorama zuordnen, dieses durch die erbliche, bindegewebig generalisierte Form erweitern (
2) und als Kriterium der obligaten Hypermobilität durch das „Paganini-Syndrom“ ergänzen. Die Verwandtschaft mit dem Marfan-Syndrom und dem Ehlers-Danlos-Syndrom verbleibt dabei ganz überwiegend symptomatisch, also ohne eindeutige diagnostische Zuordnung zu einer der sich hier unscharf zum Kollagenopathie-Panorama überlappenden Entitäten. Dieses wird hierzulande leider ignoriert, obwohl die überwiegend weibliche Prävalenz über 3 % beträgt. Das familiäre Hypermobilitätssyndrom selbst ist eine in der deutschen Medizin praktisch noch unbekannte Volkskrankheit, die auch volkswirtschaftlich das verwandte Marfan-Syndrom an Bedeutung weit übertrifft.
DOI: 10.3238/arztebl.2008.0862a
Prof. Dr. med. Fritz Schilling
Hebbelstraße 20, 55122 Mainz